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Sozialkosten erdrücken Haushalt des Hohenlohekreises

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Immer neue Pflichtaufgaben überfordern die kommunale Ebene finanziell und personell. Auch der Landkreis Heilbronn und die Stadt Heilbronn haben damit zu kämpfen.

Der Hohenlohekreis muss in diesem Jahr 60,1 Millionen Euro zuschießen, um die enorme Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben im Sozialbereich auszugleichen.
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Der Hohenlohekreis muss in diesem Jahr 60,1 Millionen Euro zuschießen, um die enorme Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben im Sozialbereich auszugleichen. Foto: dpa  Foto: Jens Wolf

Der finanzielle Handlungsspielraum des Hohenlohekreises wird immer schmäler. 2023 fließen satte 95 Prozent des Haushaltsvolumens in den laufenden Betrieb, für Investitionen bleiben nur noch mickrige fünf Prozent übrig. In der Endabrechnung fehlen sage und schreibe 11,5 Millionen Euro. Ein solch hohes Defizit gab es noch nie. Dies liegt vor allem daran, dass immer mehr Pflichtaufgaben zu bewältigen sind, die Bund und Land dem Kreis aufhalsen und die kommunale Ebene spätestens jetzt an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringen - finanziell und personell. Und es ist zu befürchten, dass sich diese Entwicklung weiter verschärfen wird.


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Sozialkosten erneut stark gestiegen

Der mit Abstand größte Posten sind die Sozialkosten. "2023 geben wir von jedem Euro Kreisumlage 96 Cent direkt in Sozialleistungen", sagte Kreiskämmerer Michael Schellmann, als der neue Etat im November in den Kreistag eingebracht wurde. Das heißt: Die Pflichtzahlungen der 16 Städte und Gemeinden in Höhe von 60,7 Millionen Euro - mithin die wichtigste Einnahmequelle des Kreises - werden fast vollständig davon aufgezehrt. Die Kreisumlage könnte deshalb auch in Sozialumlage umbenannt werden.

Trend hat sich dramatisch verfestigt

Die Ausgaben im Sozialbereich steigen vehement, die Einnahmen halten damit nicht mehr Schritt: Dieser Trend hat sich jetzt dramatisch verfestigt. Hinzu kommen etliche Unwägbarkeiten bei der Unterbringung, Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen, deren Zahl binnen eines Jahres enorm gestiegen ist. Der Kreis muss für sie immer mehr Leistungen vorfinanzieren, in der Hoffnung, die Mittel irgendwann wieder erstattet zu bekommen.

60,1 Millionen Euro muss der Kreis an Eigenmitteln zuschießen

Die Sozialkosten des Kreises stecken im Teilhaushalt "Familie, Jugend und Gesundheit". Zwar sind auch die Erträge 2023 gestiegen, doch die Aufwände übersteigen diese nochmals um ein Vielfaches. Sieben Millionen Euro mehr als 2022 muss der Kreis nun setzen, um die eklatante Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben in diesem Etat-Bereich zu schließen. Innerhalb von vier Jahren ist der Betrag von 49,4 auf 60,1 Millionen Euro gestiegen.

Das sind die drei größten Brocken

Die drei größten Brocken sind: die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als Folge der weiteren Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes mit einem Anteil von 42 Prozent (plus 3,4 Millionen Euro); die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe mit rund 30 Prozent (plus zwei Millionen Euro) noch ganz ohne die zu erwartende Kostenexplosion infolge des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes, das seit 2021 gilt, aber erst in den Folgejahren voll durchschlagen wird; sowie die allgemeinen Sozialen Hilfen mit rund 23 Prozent (plus 1,5 Millionen Euro) einschließlich des Flüchtlingsbereichs, für den der Kreis im Dezember nochmals 1,4 Millionen draufsatteln musste. Insgesamt 101,5 Millionen Euro gehen in 2023 für die Sozialleistungen drauf, 2022 waren es nur 79,1 Millionen. Das sind rund 55 Prozent der Kosten des laufenden Betriebs.

Personalplanungen enorm schwierig

Die Personalplanungen werden immer schwieriger - auch weil ab diesem Jahr die neuen Regelungen zum Wohngeld und Bürgergeld zusätzlich ins Kontor schlagen und die gesamten Personalkosten am Ende explodieren könnten, wenn die öffentlichen Tarife stärker steigen als gedacht. Rund 31 Stellen mehr hat der Kreiskämmerer 2023 angemeldet, um den immensen Aufgabenzuwachs zu bewältigen. Andererseits findet er immer weniger Arbeitskräfte. Schon etliche der bestehenden Stellen können gar nicht besetzt werden. Das bedeutet: Es gibt immer mehr Arbeit, die das vorhandenen Personal noch mehr fordert und überfordert - und die Bearbeitungszeiten noch mehr in die Länge ziehen. Ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.

Auch die nächsten Haushalte schließen wohl mit einem Minus ab

Aus dem laufenden Betrieb kann der Kreis keine Investitionen mehr finanzieren. Schellmann schätzt, dass dies bis 2026 der Fall sein wird. Das heißt: Auch die nächsten Haushalte werden rote Zahlen schreiben. Die Etats mindestens auszugleichen, wie es das Gesetz vorschreibt, wird aber immer schwieriger, weil die restlichen Rücklagen und neuen Kredite allesamt für das Kreishaus in Künzelsau und den Klinik-Neubau in Öhringen reserviert sind. Wenn Bund und Land also weiterhin nicht all das voll bezahlen, was sie bestellen, wird der Kreis finanziell vollends erdrückt.


Ausgaben im Sozialbereich steigen auch im Stadt- und Landkreis Heilbronn deutlich

Auch im Haushalt des Landkreises Heilbronn macht der Sozialetat mit rund 273 Millionen Euro den größtenTeil aus, so Sprecherin Lea Mosthaf. Damit ist er im Vergleich zum Vorjahr um 18 Millionen Euro gestiegen. Die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter, Eingliederungshilfe, Grundsicherung und Jugendhilfe sind hier am kostenintensivsten. Zum Vergleich: Im Haushaltsjahr 2022 betrug der Sozialetat rund 255 Millionen Euro und im Haushaltsjahr 2021 rund 228 Millionen Euro. Vom Gesamtetat entfallen für den Bereich Kinder- und Jugendhilfe 2023 rund 75 Millionen Euro, 2022 waren es 72 Millionen Euro und 2021 rund 68 Millionen Euro. Auch bei der Stadt Heilbronn sind die Ausgaben hier deutlich gestiegen. Für 2023 sind im Haushalt für Soziales und Jugend rund 164 Millionen Euro eingestellt, das sind rund 13 Millionen Euro mehr als im Vorjahr, so Sprecherin Claudia Küpper. Der Landkreis betreibt keine eigenen Kindertageseinrichtungen, was zu Unterschieden im Teilhaushalt Jugend zwischen Stadt- und Landkreis führe. 2022 belief sich der Haushalt Soziales und Jugend auf rund 150 Millionen Euro, 2021 auf 148 Millionen Euro. Auf den Bereich Jugend entfallen im laufenden Jahr 97 Millionen Euro, mehr als 2022 mit annähernd 87 Millionen Euro. Der Teilhaushalt Soziales erhöht sich von rund 63 Millionen Euro (2022) auf rund 66 Millionen Euro in 2023. 

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