Zahl der Corona-Infizierten im Hohenlohekreis steigt langsamer
Der Hohenlohekreis ist Corona-Hotspot in Baden-Württemberg. Doch inzwischen steigt die Zahl der Infizierten langsamer. Landrat Matthias Neth erkennt darin erste Erfolge der strikten Eindämmungsstrategie und erklärt, wie es jetzt weitergeht.

Nach den relativen Fallzahlen pro 100.000 Einwohner ist der Hohenlohekreis nach wie vor der größte Corona-Hotspot in Baden-Württemberg. Doch es gibt erste Erfolge. Die Zahl der Infizierten steigt nicht mehr so schnell an, erklärt Landrat Matthias Neth im Gespräch mit der Hohenloher Zeitung.
Um die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu verlangsamen, habe der Kreis schon sehr früh restriktive Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung angeordnet - noch bevor Land und Bund tätig geworden seien. Außerdem habe man sehr bald sehr viel getestet und alle Kontaktpersonen ermittelt. Dies mache sich jetzt bemerkbar.
Verdopplungszeit auf neun Tage erhöht
"Die Verdopplungszeit hat sich Stand Montag auf neun Tage erhöht", betont Neth. Sie gibt an, wie schnell sich die Epidemie ausbreitet. Dem von Kanzlerin Merkel ausgegebenen Zwischenziel von zehn Tagen sei man also nah. "Andere Kreise liegen derzeit bei Tag fünf." Gleichwohl weiß Neth: Das ist eine Momentaufnahme, "die Zahlen können auch wieder schwanken". Und: Es gibt im Land noch mehr Kreise, die aktuell bei Tag 8 oder 9 liegen.
Insgesamt konnten im Hohenlohekreis bei 453 bestätigten Fällen (Stand 31. März) bisher fast 2500 Kontaktpersonen ermittelt werden, die sich jetzt in häuslicher Quarantäne befinden. Das sind etwa 2,2 Prozent der Kreisbevölkerung. "Das ist ein Wort", so Neth. Die Auswirkungen dieser breit angelegten Isolierungsstrategie sei nun möglicherweise erstmals messbar. Nur: "Das ist auch ein erheblicher Eingriff in die Freiheit der Menschen."
Drei große Herausforderungen
Dieser Kurs soll in den nächsten Monaten konsequent weiterverfolgt werden - "bis ein Impfstoff da ist". Denn: "Es gibt keinen Grund für eine Entwarnung." Der Kreis stünde vor drei großen Herausforderungen. Erstens: "Gehen die Zahlen nachhaltig runter oder gibt es nur positive Einmaleffekte?", stellt Neth die Frage nach der Wirksamkeit des Gesamtkonzepts in Bund und Land. Zweitens: "Die Dramatik in Richtung Pflegeheime steigt weiter. Wir bleiben dabei, die Häuser im Notfall geschlossen unter Quarantäne zu stellen." Und drittens: "Was packen die regionalen Krankenhäuser? Momentan haben wir noch genügend Möglichkeiten."
Sechs Ebenen in der Corona-Abwehr
Alle Kontaktpersonen zu ermitteln, sei eine "brutale", aber lohnende Arbeit - und werde als "erste Ebene" auf hohem Level fortgesetzt, um Infektionsketten zu unterbrechen. Die "zweite Mauer" in der Corona-Abwehr seien die niedergelassenen Ärzte im Kreis. Sie blieben die Hauptakteure der zentralen Abstrichstelle in Belzhag. Gemeinsam mit dem Hohenloher Krankenhaus soll in der Öhringer Klinik zudem eine "Corona-Ambulanz" entstehen, um die Arztpraxen und Notaufnahmen in der Region zu entlasten. "Über diesen Anlaufpunkt ist eine schnelle Diagnostik unter Vollschutz mit dem Röntgen der Lunge möglich."
Die "vierte Ebene" seien die "krankenhauspflichtigen Patienten". Die Isolierstation in Öhringen sei derzeit "voll aufnahmefähig". Dies gelte - fünftens - auch noch für die "Intensivpflichtigen", sofern sie nicht beatmet werden müssten. Bei den Beatmungspatienten, der "sechsten Ebene", sei die Lage im Öhringer Krankenhaus kritisch. Aber: "Wir können diese Patienten immer noch stabil in die Lungenfachklinik nach Löwenstein bringen". Als Haus der Grund- und Regelversorgung stoße man bei schweren Fällen auch in normalen Zeiten an seine Grenzen und müsse diese in größere Kliniken verlegen.
Momentan sei noch die "erste Ebene" dominant. "Aber wir bekommen immer mehr eine Krankenhaus- und Pflegeheimlage." Deshalb sei es umso wichtiger, "alle Ebenen davor gleichermaßen stark zu halten". Die Kapazitäten und Materialien, um noch mehr Personen zu testen, seien vorhanden. "Wir könnten Belzhag von täglich 100 auf 200 Abstriche aufstocken", erklärt Mike Weise, Verwaltungsleiter des Gesundheitsamts. Dazu habe man das Labor Synlab in Stuttgart gewinnen können, "ein bis drei Tage dauert es, bis die Befunde da sind". Bis Mittwoch seien schon mehr als 1000 Kreiseinwohner getestet worden.
Kirchenkonzert in Eschental war "der Vulkan"
Das Kirchenkonzert in Eschental am 1. März war laut Neth das "eine Event, das die meisten Corona-Fälle im Kreis wie ein Vulkan herbeigeführt hat". Kupferzell und Pfedelbach hätten sich in der Folge zu Hotspots entwickelt. "Sie wachsen aber nicht mehr exponentiell", so Neth. "Die meisten Infizierten aus Eschental sind genesen, auch die Feuerwehr ist wieder einsatzbereit." Die Übertragungsgeschwindigkeit "war enorm", weil die Konzertbeteiligten "auch sonst hoch engagiert im Leben stehen" - mit entsprechend vielen Kontakten. "Wir gehen davon aus, dass die Massenweitergabe durch die Isolierungsmaßnahmen eingebunden sind."
Der Fokus verlagere sich nun auf die Pflegeheime - und die älteren Menschen. "Da geht es jetzt um alles." Im Hohenlohekreis seien bisher ja eher Jüngere betroffen gewesen, "die das ganz gut weggesteckt haben". Hier schlage ganz klar das Thema Skifahren durch, genauer: Tirol und Südtirol. Es war auch im Hohenlohekreis das auslösende Moment für die Corona-Krise.
Häufung von Fällen in Waldenburg
Einen neuen kommunalen Hotspot kann Neth nicht erkennen. Nur in Waldenburg gebe es aktuell eine Häufung von Fällen, "die aber auch auf den Kupferzeller Hotspot zurückzuführen sind". Gemessen an den Fällen pro 1000 Einwohner liegt Waldenburg freilich mit 10,6 gleichauf mit dem Hotspot Pfedelbach.