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Landgericht Heilbronn
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Familienvater aus Schwäbisch Hall entführt: Geisel schildert brutale Folter

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Kidnapper verschleppen einen Familienvater aus Schwäbisch Hall nach Brandenburg, foltern ihn mit einer Bohrmaschine und schießen ihm ins Bein. Es kostet das Opfer viel Überwindung, vor dem Landgericht Heilbronn auszusagen.

Von Thumilan Selvakumaran
Die Vorwürfe gegen den Angeklagten wiegen schwer: Er soll einen Familienvater aus Schwäbisch Hall entführt und brutal gefoltert haben, um Schulden bei ihm einzutreiben.
Die Vorwürfe gegen den Angeklagten wiegen schwer: Er soll einen Familienvater aus Schwäbisch Hall entführt und brutal gefoltert haben, um Schulden bei ihm einzutreiben.  Foto: Thumilan Selvakumaran

Als er in das Haus im brandenburgischen Schönwalde geführt wird, ist bereits eine Plane auf dem Boden ausgelegt. Darauf liegen eine Bohrmaschine und eine Handsäge bereit. Die Inszenierung, die aus einem schlechten Horrorfilm stammen könnte, sollte beim Opfer wohl Todesängste auslösen.

Der 47-jährige Haller Familienvater muss sich an jenem März-Tag bis auf die Unterhose ausziehen und auf den Boden setzen. Währenddessen schlägt ihm der Entführer immer wieder mit der Faust gegen den Kopf. Die Geisel muss später noch mehr leiden.


Opfer von Entführung und Folter sagt am Heilbronner Landgericht aus

Seither sind Monate vergangen. Der Geschädigte sitzt am Donnerstag nur wenige Meter entfernt von seinen Peinigern auf dem Zeugenstuhl im Landgericht Heilbronn. Mehrere Justizbeamte sind zu seinem Schutz nahe bei ihm. Lange war nicht klar, ob das Opfer aussagt. Aus Sicherheitsgründen wurde der Termin vom Gericht nicht offen kommuniziert.

Der 47-Jährige lässt bei der fast zweistündigen Befragung den Kopf meist gesenkt. Mit tiefer, rauchiger Stimme, aber leise, antwortet der Großgewachsene auf Fragen. Die Erlebnisse belasten ihn wohl noch sehr, ebenso die Nähe zu den Tätern. Das Opfer berichtet aber nur von den körperlichen Folgen: Die Hände seien gelegentlich taub, Stehen bereite Probleme – Hören und scharf Sehen ebenso. Seine Lebensgefährtin habe ihn verlassen.

Familienvater aus Schwäbisch Hall in finanzieller Schieflage: Grund für die Entführung waren Schulden

Der Haller hatte den 28-jährigen Muhamed R. aus Berlin als Subunternehmer beauftragt, um ein Bauprojekt in Hessental zu realisieren – für 70.000 oder 140.000 Euro, das wird nicht klar, weil das Opfer bei den Zahlen Erinnerungslücken hat. Der Haller will jedenfalls 40.000 Euro an den Subunternehmer bezahlt haben.

Es blieb eine hohe offene Forderung, die im August 2022 durch einen zusätzlichen Kredit des Berliners an den Haller um 100.000 Euro aufgestockt wurde. Doch das Geld floss nicht wie vereinbart zurück. Das Haller Opfer geriet in finanzielle Schieflage und mit seinem Bauunternehmen in die Insolvenz.

Der offene Kredit brachte den späteren Täter in die Bredouille, denn dieser hatte sich das Geld selbst aus zwielichtigen Kreisen geliehen. Ein Schlägerkommando überfiel ihn Mitte März am Kurfürstendamm in Berlin, wo es auch zu einer Schießerei kam. Aus dem Berliner Opfer Muhamed R. wurde wenige Tage später der Kidnapper, als er am Hagenbacher Ring vor der Tür seines Schuldners stand.

Entführung und Folter: Der Tathergang ist eine einzige Chronologie des Schreckens

Vor Gericht berichtet der Haller, wie er Muhamed R. und eine weitere Person erkannt hat. "Sie haben gesagt, ich soll mit." Er habe abgelehnt. Daraufhin habe er Faustschläge ins Gesicht bekommen. Blut floss. Da sei er doch mit. "Ich wollte nicht, dass noch größere Probleme entstehen." Sie seien zu dritt in einen VW Up gestiegen. Muhamed R. habe ihm mit einem Gummihammer auf beide Hände geschlagen. Mindestens ein Knochen brach.

Die Tortur ging in dem Haus in Brandenburg weiter. Laut Aussagen musste das Opfer bis 120 zählen. Bei jedem 20er-Schritt sei ihm mit der Bohrmaschine in den Nacken gebohrt worden. Weitere Schläge folgten, Schüsse mit der Softair-Pistole. "Wie haben Sie die Schmerzen ausgehalten?", fragt ein Schöffe. "Ich habe an meine Familie gedacht", so das Opfer. R. und ein weiterer Angeklagter, die beide seit März in U-Haft sitzen, haben die Vorwürfe weitgehend eingeräumt.

Als der Haupttäter auf das Opfer schießt, stürmt das SEK das Haus

Gegen Abend wurde der Haller an Händen und Füßen gefesselt. Am nächsten Morgen hätten die Entführer seine Partnerin angerufen, die Geld organisieren sollte – eine ungewöhnliche Summe: 26.600 Euro. Verteidiger Thorsten Weismann erklärt, dass es zehn Prozent der offenen Forderung gewesen sei.

Anschließend habe sich der Familienvater vor den Haupttäter stellen sollen. Er habe die scharfe Pistole in der Hand von Muhamed R. gesehen. "Ich habe ihn gefragt, ob es wirklich so ablaufen muss. Er hat gesagt: Ja, es muss. Dann hat er mir ins Bein geschossen." Kurz habe er auf dem Sofa sitzend mit einer Küchenrolle die Wunde zudrücken dürfen, bevor er sich wieder aufstellen musste. Der Täter schoss ihm ein zweites Mal in den Oberschenkel. Das SEK, das bereits draußen stand, stürmte daraufhin das Haus und befreite die Geisel, die schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht wurde.

Der Prozess gegen insgesamt drei Tatbeteiligte sollte am Donnerstag enden. Es sind laut Richter Berkner allerdings weitere Sitzungen nötig, die noch terminiert werden müssten.

 

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