Schockanrufe in Krautheim: Betroffene erzählen
Schockanrufe in Klepsau häufen sich in den vergangenen Wochen. Vermeintliche Töchter und Polizisten treiben ein böses Spiel.
"Ich habe einen Unfall gehabt, ich habe eine Frau totgefahren!“ So haben sich in den vergangenen Tagen vermeintliche Töchter bei Bürgern in Klepsau gemeldet. Eine Reihe von Schockanrufen hat die Bewohner heimgesucht. Die Bezeichnung trifft das Gefühl der Angerufenen: „Mir ist es durch die Glieder gefahren, so ein Anruf nimmt einen mit“, sagt Hermann Schmied aus Klepsau (die Namen der Betroffenen sind geändert).
Am Dienstag um 14.05 Uhr klingelt das Telefon, als er im heimischen Büro sitzt. Die Rufnummer ist anonym. Eine weinende Frauenstimme meldet sich und sagt, sie habe einen Unfall gehabt. „Sie klang wie meine Tochter“, erzählt Schmied. „Sie hat gesagt: Papa, du musst mir helfen! Ich habe eine Frau totgefahren.“ Plötzlich sei eine Frau am Telefon gewesen, die sich als Oberkommissarin ausgegeben hat.
Geschichte passt in einem Fall
Bei Marlies Lehmann klingelt das Telefon am selben Tag, auch sie wohnt in Klepsau. Auch hier gibt eine weinende Frauenstimme vor: „Mama, ich hatte einen Unfall!“ – und auch bei ihr klingt es täuschend echt nach der Tochter. Lehmann ist unsicher, denn ihre tatsächliche Tochter hatte wenige Wochen davor tatsächlich einen Unfall. „Die Anruferin klang genau so wie Eva damals.“ Ob sie den Namen jetzt am Telefon gesagt hat, weiß sie nicht mehr. Nachdem die weinende Anruferin das Telefon an einen vermeintlichen Polizisten weitergegeben hat, meint der: „Eva war während der Fahrt vom Handy abgelenkt und hat eine Frau und ein Kind angefahren. Das Kind ist tot.“
Elisabeth Müller hat den Anruf schon Ende Februar bekommen. „Die Frau am Telefon hat richtig geflennt“, erzählt sie. Bei ihr ist das Gespräch allerdings recht bald vorbei gewesen. Sie sei generell misstrauisch, sagt Müller. Auf die geweinte Bitte um Hilfe und Unterstützung am anderen Ende der Leitung habe sie geantwortet: „Naja, das ist ja dann schön für Sie, wenn Sie die Hilfe kriegen!“ Sie sei sich sicher gewesen, dass ihre Tochter nicht unterwegs gewesen sei. Auf die Frage, mit wem sie denn spreche, habe die Frau nur gesagt: „Ha, kennst du mich nicht?“ – ohne den Dialekt, wie Müller ihn spricht. Dann habe sie genuschelt: „D’Rut ist dran.“ Sie kenne aber niemanden mit diesem Namen, der sich in der Form bei ihr hätte melden können. Darum habe sie aufgelegt.
Nachfragen entlarven Betrüger
Als die vermeintliche Polizistin bei Schmied zum Hörer greift, ist es im Hintergrund plötzlich still. Deshalb wird er misstrauisch. Sie müsse „Daten abgleichen“. Weil er zwei Töchter hat, fragt er nach: Welche Tochter? Wo ist das denn passiert? Mit welchem Auto war sie unterwegs? Auf all diese Fragen kann die Polizistin keine Antwort geben. Also legt er auf er ruft die vermeintlich verletzte Tochter bei der Arbeit an. „Ihr ging es gut.“
Marlies Lehmann wusste, dass ihre Tochter etwa zum Zeitpunkt des Anrufs nach Bad Mergentheim fahren wollte. Bei ihr wäre ein Unfall also plausibel gewesen. Der falsche Polizist, der ihr gesagt hat, die Tochter Eva habe einen tödlichen Unfall gebaut, gibt das Telefon weiter, an einen angeblichen Staatsanwalt. „Der hat gesagt, Eva müsse ins Gefängnis.“ Als Lehmann erwidert, dass zunächst Evas Ehemann kontaktiert werden müsse, heißt es: Der sei bei dem Unfall verletzt worden und ebenfalls im Krankenhaus. Lehmann wird misstrauisch. Noch während des Anrufs wählt sie auf dem Handy die Nummer ihres Sohns. Derweil meldet sich die Stimme in der Leitung: „Für 35 000 Euro Kaution kann sie aus dem Gefängnis.“ Sie antwortet: „So viel habe ich nicht, ich muss meinen Sohn anrufen.“ Dann legt sie auf. Kurz darauf kommt der nächste Anruf: „Mama, du kannst doch auch deinen Schmuck hergeben.“ Das klingt aber nicht mehr nach der Tochter. Lehmann beendet das Gespräch.
Polizei angerufen
Wie Müller und Schmied hat auch Lehmann die Polizei gerufen, die in solchen Fällen allerdings nicht mehr viel machen kann. Zu Lehmann kommen Beamte nach Hause, das beruhigt sie. Denn: „Ich bin ganz allein im Haus.“ Doch auch noch Tage danach bekommt sie Angst, wenn das Telefon klingelt.