Sanktionen für Müllsünder in Hohenlohe zeigen kaum Wirkung
Wer Biotonnen falsch befüllt oder Restmülltonnen überfüllt, muss seit Februar 2021 draufzahlen. Trotzdem nehmen die Beanstandungen nicht ab. Betroffene kritisieren das Kontrollsystem, die Abfallwirtschaft wehrt alle rechtlichen Bedenken ab.

Die Sanktionen der Abfallwirtschaft (AWH) für Müllsünder im Hohenlohekreis haben noch keine durchschlagende Wirkung erzielt. Obwohl Privathaushalte und Gewerbebetriebe seit 1. Februar 2021 für Sonderleerungen draufzahlen müssen, wenn sie Biotonnen falsch befüllt oder Restmülltonnen überfüllt haben, liegen die Zahlen in den ersten dreieinhalb Monaten des Jahres 2022 im Schnitt fast genauso hoch wie in der Testphase vom 14. September bis 31. Dezember 2020.
So lief die Testphase 2020, so sieht es anno 2022 aus
Die AWH registrierte vom 1. Januar bis 14. April 2021 insgesamt 505 Sonderleerungen bei beanstandeten Biotonnen, die zunächst stehengeblieben sind und bei der nächsten Restmüllabfuhr gegen eine Zahlung von 8,50 Euro (kleinste Tonne, 60 Liter) bis 19,30 Euro (größte Tonne, 240 Liter) geleert wurden. Bei überquellenden Restmülltonnen waren in dieser Zeit 872 Sonderleerungen fällig, die sofort getätigt wurden und eine Belastung von 7,30 Euro (kleinste Tonne, 40 Liter) bis 70,60 Euro (größte Tonne, 1100 Liter) zur Folge hatten. In der Testphase, in der es keine finanziellen Sanktionen gab, waren es 500 Sonderleerungen bei Biotonnen und rund 1000 Sonderleerungen bei Restmülltonnen gewesen.
2021 keine repräsentativen Schlüsse möglich
Das Ergebnis des Jahres 2021 ist nicht als repräsentativ zu werten, weil wegen personeller Ausfälle bei Müllwerkern und AWH-Beschäftigten, der Corona-Pandemie und weiterer Umstände die korrekte Befüllung der Mülltonnen nicht in dem geplanten Maße kontrolliert werden konnte. "Erst seit 2022 ist das wieder möglich", sagt AWH-Geschäftsführer Sebastian Damm. So waren im Gesamtjahr bei den Biotonnen nur 219 Sonderleerungen und bei den Restmülltonnen lediglich 679 dokumentiert worden.
Auf den Gebührenbescheiden sind die Sonderleerungen extra ausgewiesen
"Im Herbst 2021 ist uns zudem aufgefallen, dass viele den Hinweis gar nicht gelesen hatten, den die Müllwerker auf jede beanstandete Tonne kleben. Seitdem schreiben wir jeweils am Folgetag einen separaten Brief an die Adressen", erklärt Damm. Überhaupt hätten viele Müllsünder erst mit dem Gebührenbescheid 2022 erkannt, welche Zusatzrechnung sie begleichen müssen. Im Gebührenbescheid 2021 waren diese Sonderleerungen aufgrund falscher Befüllung in der Testphase 2020 ebenfalls aufgeführt gewesen, aber nicht mit einer Zahlung belegt worden. Entsprechend erbost hätten nun einige reagiert. "Mancher drohte uns mit dem Anwalt." Aber: "Die allermeisten akzeptieren es." Und: Mitunter drücke die AWH auch ein Auge zu, wenn glaubhaft versichert werden könne, die Tonnen nicht vorsätzlich falsch befüllt zu haben. "Die Müllwerker sind auch angehalten, im Zweifel Milde walten zu lassen und Augenmaß zu halten."
So oder so: Es gilt das Verursacherprinzip
Es sei auch nicht so, dass die AWH sich an den Sonderzahlungen bereichere, wie mancher glaube. Mit der Verwaltungsgebühr von fünf Euro pro monierter Tonne würden lediglich die Mehrkosten ausgeglichen. Die weitere Gebühr für die Sonderleerung entspreche exakt jener, die jeder zu zahlen habe, der mehr als die zwölf Restmüll-Leerungen pro Jahr in Anspruch nehme, die in der pauschalen Pflichtgebühr enthalten seien. So oder so gelte das Verursacherprinzip: Wer mehr Restmüll produziere, müsse mehr zahlen - hier eben für Biotonnen, die umprogrammiert würden.
AWH hat Kontrollsystem rechtlich prüfen lassen
Die AWH sieht sich rechtlich auf der sicheren Seite. "Bis jetzt hat noch keiner dagegen geklagt", sagt Damm. Doch genügt eine kurze Sichtkontrolle der Müllwerker, um solche Verstöße finanziell ahnden zu können? "Ja, wir haben das extra von unserer Rechtsberatung prüfen lassen." Es sei wie bei Politessen, die Strafzettel verteilten, weil sie eine Ordnungswidrigkeit erkannt hätten. Diese müsse nicht fotografiert, sondern nur protokolliert werden. "Und genau das tun wir." Das sichtbare Erkennen habe genügend Beweiskraft, der Müllwerker sei hier genauso rechtssicherer "Zeuge" wie die Politesse im Straßenverkehr.
Mülltonne unter Aufsicht leeren? Viel zu aufwendig
Gleichwohl gebe es Kreise, die Müllsündern anbieten, fragliche Tonnen unter Aufsicht zu leeren. "Vielleicht machen wir das mal als Sonderaktion im Sommer", so Damm. Im dauerhaften Alltag sei eine gründliche Kontrolle des Inhalts aber viel zu aufwendig.
Detektoren an Müllfahrzeugen? "Sichtkontrollen sind besser"
Damm hält auch wenig von dem Kurs, den der Main-Tauber-Kreis fährt: Hier ermitteln spezielle Detektoren an den Müllfahrzeugen den Gehalt von Metallen in der Biotonne - und leiten daraus den Stand der Fehlbefüllung ab. Ab einem kritischen Wert bleiben die Tonnen stehen und werden auch nicht bei der nächsten Restmüllabfuhr geleert. Dafür sind keine Sonderzahlungen fällig. "Die Sichtkontrollen sind besser und effektiver", sagt Damm. "Und die Müllwerker sind echte Experten, die täglich mit Tonnen hantieren und sehr genau wissen, wenn etwas nicht stimmt." Bei den Restmülltonnen gibt es ohnehin kaum Verhandlungsspielraum. Denn jeder erkennt auf den ersten Blick, wenn der Deckel nicht mehr zugeht.
Im Biomüll dürfen immer weniger Fremdstoffe sein
Die aktuelle Bilanz ist ernüchternd: Im Frühjahr 2022 stellt sich die Lage kaum anders dar als im Herbst 2020. Sichtkontrollen zufolge, die vor der Testphase liefen, hatten bis 14. September 2020 acht bis zehn Prozent der Privathaushalte im Hohenlohekreis ihre Biotonnen falsch befüllt. Der reale Anteil der Fremdstoffe lag bei 15 bis 20 Prozent. Dabei ist es laut AWH geblieben. In Schulnoten bewertet, bedeutet das eine 4. Nötig wäre mindestens eine 2 - oder vier bis fünf Prozent. Die Novelle der Bioabfallverordnung geht noch weiter: Der Plastikanteil im Biomüll darf nur ein Prozent betragen und der gesamte Fremdstoffanteil drei Prozent, um Bioabfälle kompostieren oder in Energie umwandeln zu können.
Die Betreiber von Kompostwerken und Vergärungsanlagen müssen sich künftig penibel an diese Grenzwerte halten und können verlangen, dass Anlieferer zu stark verunreinigten Biomüll wieder zurücknehmen. Schon heute muss die Firma Hauke in Öhringen einen gewissen Teil des Hohenloher Biomülls als Restmüll entsorgen, was wiederum dem Landkreis und damit den Gebührenzahlern zusätzlich in Rechnung gestellt wird.