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Diskussion um EU-Agrarpolitik
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Proteste in Waldenburg: Hohenloher Grünen-Abgeordneter stellt sich wütenden Landwirten

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Der Hohenloher Grünen-Abgeordnete Harald Ebner hat am Freitagabend zu einer Diskussionsrunde über die Agrarpolitik der EU in Waldenburg geladen. Woran sich der Zorn der anwesenden Bauern entfachte - und warum es am Ende doch eine Anzeige geben musste.

Es ist stockduster vor der Heimvolkshochschule Hohebuch in Waldenburg. Am Straßenrand stehen Traktoren, eine Menschentraube umringt den Hohenloher Grünen-Abgeordneten Harald Ebner. Er spricht mit Landwirten, die vor seiner Diskussionsrunde zur EU-Agrarpolitik zum Protest gerufen haben. Rund 50 sind gekommen.

Der Hohenloher Grünen-Abgeordnete Harald Ebner beantwortet Fragen der Zuhörer.
Der Hohenloher Grünen-Abgeordnete Harald Ebner beantwortet Fragen der Zuhörer.  Foto: Christoph Donauer

Es geht, wie so oft dieser Tage, um Lebensmittel-Preise, Importe aus dem Ausland und den Ruf nach mehr Aufmerksamkeit aus der Politik. Ebner zeigt Verständnis, erklärt, positioniert sich. Anders als in Biberach, wo eine Veranstaltung der Grünen wegen ausufernder Proteste abgesagt werden musste, ist die Stimmung friedlich.

Ebner: 60 Milliarden kann man nicht einsparen, ohne dass es jemand merkt

Dennoch wolle er etwas dazu sagen, erklärt Ebner im Saal. „Wer hätte gedacht, dass Einschüchterung oder Nötigung demokratischen Austausch verhindert?“ Ohne den Raum für Debatten gehe es in der Demokratie nicht. Die wegen der Haushaltskrise geplanten Kürzungen für die Landwirtschaft hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Bauernproteste seien richtig und berechtigt. Gleichwohl sei es unmöglich, „60 Milliarden Euro so einzusparen, dass es keiner merkt“, sagt Ebner.

Der 59-Jährige will deshalb den Blick auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) werfen. Sie macht den größten Posten im EU-Haushalt aus und regelt unter anderem, wie viel Geld Landwirte bekommen. Alle sieben Jahre werden die Bedingungen neu verhandelt, 2027 zum nächsten Mal. Deshalb sei nun die Zeit, „in der wir darüber sprechen müssen, wie die nächste GAP aussieht“.

EU-Abgeordneter Häusling: Was machen eigentlich die Kartellbehörden beruflich?

Mitverhandeln wird Martin Häusling, EU-Abgeordneter der Grünen und Mitglied im Agrarausschuss. „Eine ganze Berufsgruppe hängt am Tropf von Subventionen“, konstatiert er, selbst gelernter Landwirt. Die letzten beiden GAP-Reformen hätten die Grünen abgelehnt. „Ich will, dass wir wegkommen von Flächensubventionen.“ Sie hätten für die Betriebe zu einer Politik des „Wachsens oder Weichens“ geführt. Stattdessen brauche es faire Preise. Es könne nicht sein, dass Bauern 51 Cent für einen Liter Biomilch bekommen, der für 1,80 Euro verkauft wird. „Da frage ich mich immer: Haben wir eigentlich Kartellbehörden?“

Zustimmung kommt von Reinhild Benning, Beraterin für Agrarpolitik bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Subventionen müssten an Umweltleistungen wie eine ausgeglichene Nährstoffbilanz geknüpft sein. Allerdings brauche es dafür mehr Lohn, entgegnet Christian Seiffert, Vorstandsmitglied der Landjugend Baden-Württemberg. Wenn wie von der EU geplant vier Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ohne Gegenleistung stillgelegt werden müssen, sei das „schon ein bisschen eine Enteignung“.

Mit den Kürzungen beim Agrardiesel fielen so schnell zwei Monatsgehälter weg. Angesichts nötiger Investitionen sei das nicht zu stemmen. Er fordert, dass die GAP-Intervalle verlängert werden, um mehr Planungssicherheit zu schaffen. Anja Frey, Vorsitzende des Demeter-Landesverbandes, spricht sich dafür aus, dass ökologischer Landbau in der Ausbildung und Forschung verankert wird und angehende Landwirte von Bürokratie befreit werden.

Importierter ukrainischer Weizen und Knoblauch aus China sorgen für Frust

Die Fragen aus dem Publikum zeigen, dass es kompliziert bleibt. Zuhörer Martin Schäfer kritisiert, dass ukrainisches Korn importiert wird, obwohl der Getreidepreis seit Jahren im Keller ist. Häusling macht das „richtig sauer“, wie er sagt. „Da ist ein Land im Krieg und die können gerade nur Nahrungsmittel exportieren.“ Es sei unsolidarisch, in dieser Situation die Grenzen schließen zu wollen.

Zuhörerin Charlotte Landes hält die Diskussion über faire Preise für müßig, solange Knoblauch aus China und Beeren aus Südamerika im Supermarkt liegen. In Spanien gebe es ein Gesetz gegen unfaire Handelspraktiken, berichtet Benning. Eine staatliche Stelle überwache nun, dass in Lieferverträgen auskömmliche Preise stehen. In Deutschland, wo vier Einzelhändler 85 Prozent des Marktes kontrollieren, sei davon nichts in Sicht, die Monopolkommission werde trotz Anfragen der DUH nicht tätig, kritisiert Benning.

Aldi will nur noch Schweinefleisch aus Haltungsstufe 3 und 4 anbieten - das sorgt für Kritik

Ein weiterer Zuhörer kritisiert Pläne wie von Aldi, bis 2030 nur noch Fleisch der Haltungsstufen drei und vier verkaufen zu wollen. Es sei fraglich, ob der Markt dafür da ist. „Auf so ein Abenteuer kann ich mich als Betrieb nicht einlassen.“ Benning sieht darin jedoch eine Chance. „Dieses Versprechen ist Gold wert.“ Organisationen wie die DUH würden Druck machen, dass sich die Supermärkte an ihre Pläne halten.

Einfache Lösungen gibt es nicht, das wird an diesem Abend deutlich. Vieles sei in Planung oder werde angestoßen, betont Ebner. „Aber es ist wichtig, jetzt dranzubleiben.“ Am Ende ist es ein vermeintlich simples Fazit, das für viel Beifall aus dem Publikum sorgt. Es brauche einen neuen Vertrag zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft, sagt Seiffert. Dabei müsse man jedoch „demokratisch bleiben“. „Das ist die einzige Staatsform, in der jeder angehört wird.“

Ebner erstattet Anzeige wegen Sachbeschädigung und Diebstahl

Nach der Veranstaltung blockierten Landwirte mit Traktoren die Ausgänge. Außerdem kam es zu Sachbeschädigung und Diebstahl.
Nach der Veranstaltung blockierten Landwirte mit Traktoren die Ausgänge. Außerdem kam es zu Sachbeschädigung und Diebstahl.  Foto: Christoph Donauer

Komplett friedlich bleibt die Auseinandersetzung am Ende jedoch nicht: Nachdem die Polizei den Veranstaltungsort verlassen hatte, haben mehrere Bauern die Zufahrten zur Heimvolkshochschule blockiert. Untermalt von lauter Musik war auf einem der Plakate folgendes zu lesen: Wo Recht zu Unrecht wird, wird der Widerstand zur Pflicht. Auch zu Sachbeschädigung und Diebstahl ist es gekommen, wie Harald Ebner mitteilt. Eine Flagge der Grünen wurde gestohlen und die Scheibenwischer an einem Auto abgebrochen. Beides werde angezeigt.

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