Mehr Busfahrten am Vormittag? Daraus wird in Hohenlohe vorerst nichts
Eine Mehrheit im Kreistag lehnt die von der Verwaltung vorgeschlagene Streichung der Betriebsruhe auf ausgewählten Buslinien ab. Klar ist hingegen allen Kreisräten, das man mittelfristig nicht umhin kommen wird, das Angebot insgesamt auszubauen, um die ÖPNV-Ziele des Landes zu erfüllen.

Der Hohenlohekreis wird vorerst keine zusätzlichen Busfahrten auf jenen Linien anbieten, die derzeit vormittags mit einer dreistündigen Betriebsruhe belegt sind. Der Mehrheit des Kreistags ist dies zum jetzigen Zeitpunkt zu unsicher und zu teuer.
Das sagen die Kritiker
Einerseits befürchten die Kritiker, die Wirkung einer solchen Ausweitung könnte schnell verpuffen, wenn zuvor nicht intensiv dafür geworben würde. Andererseits kämen auf den Nahverkehr Hohenlohekreis (NVH) als Betreiber des kommunalen Busnetzes in nächster Zeit solch hohe Mehrkosten zu, dass dieser Schritt momentan kaum zu vertreten sei. 21 Kreisräte können diesen Antrag der Verwaltung deshalb nicht gutheißen.
So argumentieren die Befürworter
Die 14 Befürworter argumentieren, es müssten dringend weitere Angebote geschaffen werden, um viel mehr Bürgern den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) schmackhaft zu machen. Der ist im Hohenlohekreis bislang vor allem dazu da, Schüler von A nach B zu bringen. Für andere Nutzer ist das Angebot sehr überschaubar - vor allem fern der wenigen Hauptlinien, die montags bis freitags nahezu durchgehend einen Stundentakt haben und hauptsächlich entlang der Täler verlaufen.
Auf solchen Nebenstrecken, die kleinere Gemeinden mit Künzelsau oder Öhringen verbinden, kommen Bürger, die mit dem NVH zum Arzt oder Einkaufen fahren wollen, vormittags nicht zum Zug, weil die Busse von 8.30 bis 11.30 Uhr stillstehen. Außerdem, so die Kreistags-Fraktion der Ja-Sager, komme man in den nächsten Jahren sowieso nicht umhin, das Fahrangebot deutlich auszuweiten, um die ambitionierten Vorgaben der grün-schwarzen Landesregierung tatsächlich erfüllen zu können. Dass daran kein Weg vorbeiführt, ist auch den Nein-Sagern klar. Nur eben ist es für sie schlichtweg der falsche Zeitpunkt.
500.000 Euro jährlich kostet die Aufhebung der Betriebsruhe
Bis zum Jahr 2030 sollen doppelt so viele Fahrgäste in Bussen und Bahnen unterwegs sein. Alle Orte in Baden-Württemberg sollen von 5 bis 24 Uhr erreichbar sein. Und im ländlichen Raum soll in einer ersten Stufe bis 2026 zu den Hauptverkehrszeiten ein Halbstundentakt gelten. Um diese sogenannte Mobilitätsgarantie umzusetzen, muss man rechtzeitig zur Tat schreiten. Landrat Matthias Neth nennt als erstes Zieljahr 2024: "Spätestens dann müssen wir über eine partielle Ausweitung wie jetzt nicht mehr reden. Dann sind ganz andere Verbesserungen nötig." 500.000 Euro jährlich würde den NVH die Aufhebung der Betriebsruhe kosten, sie wäre zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2022 umgesetzt worden.
Vier bis fünf Millionen Euro kostet es, die Mobilitätsgarantie voll zu erfüllen

Um die Mobilitätsgarantie voll zu erfüllen, wären laut Neth pro Jahr "vier bis fünf Millionen Euro" zusätzlich fällig, wie eine erste "überschlägige Berechnung" des Landratsamts ergeben hätte. Das ist exakt so viel, wie der Kreis dem NVH schon jetzt überweist, um das Defizit auszugleichen. Im Klartext: Der Kreis wäre damit finanziell überfordert. Das Land hat bestellt, also muss es auch zahlen, fordert die kommunale Ebene. Völlig unklar ist auch, wo all die zusätzlichen Fahrer und Busse herkommen sollen. "Das ist kurzfristig gar nicht umsetzbar, sondern nur in Etappen und über mehrere Jahre", so Neth. Deshalb hätte er es gerne gesehen, wenn mit der Streichung der Betriebsruhe eine erste Etappe schon jetzt gemeistert worden wäre.
Testlauf des Rufbus-Systems startet dieses Jahr
Klar ist, dass 2022 der Testlauf rund um Öhringen beginnt, um ein Rufbus-System zu etablieren. Dessen Einführung erzeugte im Kreistag keinen Widerstand und wurde bereits vor einem Jahr beschlossen - während die Entscheidung über die Betriebsruhe in derselben Sitzung vertagt wurde, um nun am Montag in Pfedelbach erneut aufgerufen zu werden. Besagte Busfahrer seien täglich mitunter "12 bis 13 Stunden" unterwegs, würden aber nur für acht bis neun Stunden bezahlt, bemerkt NVH-Betriebsleiter Alexander Wolf. Nach dem neuen Manteltarifvertrag müssten nun aber immer mehr Pausenzeiten mit vergütet werden, was ebenfalls für ein Ende der Betriebsruhe spreche.
Hoher Dieselpreis ist Achillesferse
Die explodierenden Dieselpreise könnten den Nahverkehr Hohenlohekreis (NVH) in finanzielle Nöte bringen. Und mit ihm den Aufgabenträger gleich mit - also den Kreis, der das Defizit des NVH stets mit normalen Haushaltsmitteln ausgleichen muss. Bleibt der Dieselpreis so hoch, würde das bis Ende 2022 zwei Millionen Euro mehr kosten, rechnet Kreiskämmerer Michael Schellmann vor. Und aufs gesamte Jahr sogar drei Millionen Euro oder mehr.
Der NVH könnte diesen Betrag aus seinen Rücklagen begleichen, wäre dann aber blank. Würde der Hohenlohekreis erneut einspringen, wäre der zum Zerreißen angespannte Kreisetat noch stärker belastet. Zumal der NVH 2023 bereits ohne Diesel zwei Millionen mehr kostet, weil etwa Erträge aus dem Ticketverkauf des HNV anders verteilt werden.


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