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Hohenloher Landratswahl: Die Leiden des Verlieres

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Wie Karl Michael Nicklas die Wunden seiner Niederlage leckt und Sieger Ian Schölzel den Karrieresprung feiert.

Die Fraktionschefs Michael Foss (CDU), Achim Beck (Freie Wähler) und Irmgard Kircher-Wieland (SPD, von links) zählen mit Landrat Matthias Neth die Stimmen aus.
Die Fraktionschefs Michael Foss (CDU), Achim Beck (Freie Wähler) und Irmgard Kircher-Wieland (SPD, von links) zählen mit Landrat Matthias Neth die Stimmen aus.  Foto: Reichert, Ralf

Als seine Niederlage besiegelt ist, hält Karl Michael Nicklas kurz inne. Dann hebt er die Hände und applaudiert dem Gewinner. Und das nicht zu leise. Er klatscht kräftig. Immer wieder. Der 42-Jährige zeigt sich als fairer Verlierer. Das Klatschen hilft, den Druck abzuschütteln. Und den Frust abzuladen. Denn der Neuensteiner Bürgermeister ist enttäuscht. "Sehr enttäuscht sogar", wie er der Stimme am Tag nach der Landratswahl gesteht. Wie konnte er sich nur so täuschen? Das nagt an ihm. Gedanken kreisen, Gefühle wallen.

CDU und Freie Wähler sind Königsmacher

Er war sich so sicher gewesen, zu gewinnen. "Bei zehn Kreisräten wusste ich sicher, dass sie nicht für mich stimmen." Die meisten anderen der 32 Wahlberechtigten dachte er auf seiner Seite zu haben. Und dann das: Nur elf Stimmen am Mittwoch für ihn - und 30 für Ian Schölzel, den Ersten Bürgermeister von Waiblingen. Gleich im ersten Wahlgang. Vor allem in den Reihen der CDU und Freien Wähler (FWV) müssen mehr Räte gegen ihn votiert haben, als er geschätzt hatte. Sie sind letztlich die Königsmacher mit 13 und neun Sitzen.


Beck und Foss waren gegen Nicklas

"Die Fraktionsvorsitzenden Michael Foss und Achim Beck haben ganz früh und klar erklärt, dass sie den anderen Kandidaten unterstützen", so Nicklas. Haben Sie am Ende die Mehrheit der Räte mitgerissen? "Ich habe viele und lange Einzelgespräche mit allen Kreisräten geführt und dachte eigentlich, dass ich mit meinen Themen und Inhalten punkte" - auch bei der Mehrheit von CDU und FWV. Zumindest rechnete er, mehr als 22 Stimmen zu bekommen - so viele waren mindestens nötig gewesen, um zu gewinnen. Dieser Coup gelang am Ende nicht ihm, sondern Ian Schölzel, der seinerseits ein viel engeres Rennen erwartet hatte als Nicklas und sogar einen zweiten Wahlgang für möglich hielt.

Nicklas glaubt weiter, inhaltlich besser zu sein

Hat sich Nicklas verzockt? Verschätzt? Überschätzt? Er glaubt das nicht. Er denkt tatsächlich, "inhaltlich" die überzeugenderen Argumente zu haben als Schölzel , "aber am Ende ist es wohl der Kandidat von außen, der mehr wiegt". Oder aber, "die eine oder andere Fraktion hat ihre Reihen doch geschlossen", glaubt Nicklas, dass mach einer auf den letzten Drücker Stimmung gegen ihn als internen Bewerber gemacht haben könnte.

Das denkt der Verlierer über seine eigene Fraktion

Leicht hatte er es von Anfang an nicht, selbst bei seinen Freien Wählern hatte er nicht den vollen Rückhalt. "Zuerst hat sich die Fraktion mehrheitlich für mich ausgesprochen. Nur unser Vorsitzender Achim Beck war von Beginn an gegen mich." Bei der Kandidatensuche seien Absprachen nicht eingehalten worden. "Es hieß ganz klar: Erst definieren wir das Profil, dann schauen wir nach den Namen." Dieses Prinzip sei jedoch über den Haufen geworfen und am Ende mit Ian Schölzel ein externer Bewerber aus dem Hut gezaubert worden.

Für den Kreistag kandidiert er nicht mehr

Nicklas freut sich jetzt wieder auf den Job als Bürgermeister in Neuenstein. "Persönlich und inhaltlich" sei er damit "sehr zufrieden". Sind seine Ambitionen auf höhere Sphären damit erloschen? "Mittelfristig" Ja, sagt er. Langfristig "kann man das nie ausschließen". In den Hohenloher Kreistag möchte er aber nicht mehr zurückkehren. "Ich kandidiere nicht für die Wahl am 9. Juni", sagt er. "Meine Positionen in diesem Gremium sind nicht mehrheitsfähig. Alles, was ich in Zukunft sagen würde, stünde unter dem Eindruck der verlorenen Landratswahl."

Engste Familie steht an der Seite von Sieger Ian Schölzel

Weder ins Rathaus als Bürgermeister noch in den Kreistag als Kreisrat zurückkehren wird Ian Schölzel, der strahlende Sieger. Er wird ab Mai Landrat des Hohenlohekreises sein und feiert diesen Karrieresprung am Mittwoch vor allem mit der engsten Familie. Alle sind vor Ort, um dem 47-Jährigen die Daumen zu drücken: Frau Martina (47), die Töchter Greta (13) und Carlotta (4) sowie Sohn Jakob (10) sowie Mutter Inge (67), ihr Partner Gerhard Rommel (79) und Paul (19), der Patensohn seiner Schwester Meike (51).

Auch sein Chef aus Waiblingen ist da und lobt Schölzels Arbeit

Ebenfalls zur Wahl nach Künzelsau gefahren sind OB Sebastian Wolf und Baubürgermeister Dieter Schienmann, die mit dem Ersten Bürgermeister Ian Schölzel das Führungsteam der Stadt Waiblingen bilden. Der Abschied wird Schölzel schwer fallen, "fachlich und menschlich" hatte er bereits einen Traumjob. Nun nimmt er den nächsten in Angriff. Nicht in Schwaben, sondern in Hohenlohe. "Ich freue mich wahnsinnig für ihn", sagt OB Wolf, "aber ich bin auch traurig, weil er eine große Lücke reißt." Er habe sich "heute so präsentiert", wie er in Waiblingen arbeite: als "überzeugter Macher".

Ein Blick in die Wahl-Historie

Seit Bestehen des Kreises hatte es bei Landratswahlen zuvor nur zweimal einen zweiten Bewerber gegeben. 2013 gewann Matthias Neth gegen Uwe Köhn mit 21:18 im zweiten Wahlgang. 2005 forderte die Weißbacher Rechtsanwältin Doris Weber-Reich Amtsinhaber Helmut M. Jahn heraus, bekam aber keine Stimme.

Neth wurde im April 2021 wiedergewählt: ebenfalls einstimmig, was es erst zweimal gab. Der erste Landrat Franz Susset bekam 1973 elf Nein-Stimmen, 1981 sieben. Jahn erhielt 1989 sieben Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen sowie 1997 sechs Nein-Stimmen.

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