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Fußball-EM 2024: Kaum noch Public Viewing in Hohenlohe

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Wenige Gastronomen in Hohenlohe zeigen zur EM Fußballübertragungen im großen Stil. Der Grund: Die Kosten explodieren und die Begeisterung fürs Nationalteam hält sich derzeit in Grenzen. Wo dennoch etwas geboten sein wird.

Das große Festzelt, das Stefo zur Heim-WM 2006 auf der Herrenwiese errichtet hatte, wird es nicht mehr geben. Schon damals war es schwierig gewesen, damit schwarze Zahlen zu schreiben.
Foto: Archiv/Jürgen Kümmerle
Das große Festzelt, das Stefo zur Heim-WM 2006 auf der Herrenwiese errichtet hatte, wird es nicht mehr geben. Schon damals war es schwierig gewesen, damit schwarze Zahlen zu schreiben. Foto: Archiv/Jürgen Kümmerle  Foto: Kümmerle

Für Fußball-Fans ist die Europameisterschaft von 14. Juni bis 14. Juli in Deutschland der Höhepunkt des Jahres. Wird sie zum "Sommermärchen" wie damals die WM 2006 im eigenen Land?

Möglicherweise nicht ganz. Denn für das Kulturgut Public Viewing - also Massenveranstaltungen mit tausenden Besuchern, die die Spiele gemeinsam auf Leinwand sehen und die 2006 so populär waren - scheinen die großen Zeiten vorbei.

Fußball-EM 2024: Jeder Wirt hat einen Fernseher - aber die wenigsten haben Kapazitäten für mehr Entertainment

Klar: Jeder Wirt, der einen Fernseher in seinem Gastraum hat, wird ihn zumindest an deutschen Spieltagen auch einschalten. Doch kaum ein Veranstalter findet sich noch, der Übertragungen im großen Stil, über die eigene Gaststube hinaus, stemmen möchte. In der Arena Hohenlohe in Ilshofen ist dieses Jahr nichts, und auch in der Kreisstadt Künzelsau gibt es keine Großveranstaltung, die Matthias Uebele von der Händlervereinigung Kün aktiv bekannt wäre.

Uebele zitiert Daniel Brunner, Vorstandsmitglied von Kün aktiv und Gastwirt in der "Emma": Brunner sagt, "dass so ein Viewing insgesamt ein sehr hoher Aufwand ist". Personal, Technik, Sicherheit und hohe Auflagen seien Kostenpunkte, die durch die Inflation explodiert seien. Gleichzeitig hat sich das Zuschauerverhalten verändert: Schlechte Resultate fegen die Kneipen leer, auch wenn sie in der jüngsten Vergangenheit wieder mehr Anlass zu Optimismus geben, und seit Corona ziehen sich mehr Menschen ins Private zurück.

Party-Meile Öhringen: Hier ist eine Lounge mit 600 Zuschauerplätzen auf einem Parkdeck geplant

Doch es ist nicht so, dass gar nichts los ist. In der Großen Kreisstadt baut der Öhringer Unternehmer Sabur Kurt - dessen Kingzz GmbH sonst einen Friseursalon und eine Shisha-Bar betreibt - auf dem Parkdeck des Einkaufszentrums Ö-Center eine riesige Freiluft-Lounge auf. Die Hälfte des oberen Parkdecks verwandelt er den ganzen Sommer lang in eine „Stadtoase“, wie er die Location nennt. Bis zu 600 Gäste sollen Platz finden, je nachdem, wie man Sitz- und Stehplätze verteilt. Täglich will er ab 25. Mai und bis Ende August zu Feierabend Urlaubsstimmung verbreiten, mit Speisen, Getränken und DJs - und mit Fußballübertragungen auf großer Leinwand.

Das ist der Hauptzweck, denn: "Wir sind offizieller Public-Viewing-Partner der Uefa", erklärt Kurt. Er ist überzeugt, dass das junge feierwütige Publikum darauf abfliegt. Zudem liegt die Location verkehrsgünstig. Kurt kann sowohl die Stammkunden des Ö-Centers wie auch seiner Kingzz GmbH ansprechen, die durch viele Aktivitäten bekannt ist und deren Publikum multinational ist - also nicht nur an deutschen Spieltagen mitfiebert. Und er ist flexibel: Wenn Deutschland weiterkommt, will er aufs ganze Parkdeck erweitern.

Zwei Gastwirte planen ebenfalls Viewings - mit deutlich weniger Plätzen und trotzdem hohen Aufwand

Doch die „Stadtoase“ ist nicht der einzige Ort, wo was los ist. Zwei Öhringer Gastwirte planen Viewings in kleinerem Maßstab: Stefanos Stefanidis vom "Café de Paris" und Sebastian Herrmann vom "Key West" in der Altstadt wollen Leinwände vor ihren Kneipen aufstellen. Stefo ist ein alter Hase, seit 2006 veranstaltet er zu jeder EM und WM öffentliches Fernsehen - und er weiß, warum er dieses Jahr nur 120 Stühle aufstellen will. Das ist kein Vergleich zu dem Zelt mit mehreren Tausend Plätzen und 60 000 Besuchern, das er zur WM 2006 unter großem finanziellen Aufwand auf der Herrenwiese errichtet hatte.

Stefo sagt: "Mehr kann man heute nicht mehr stemmen." Extra Personal dafür einzustellen sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Er zeigt zwar weiter jedes Spiel, aber Fans sollten vorbestellen: 120 Sitzplätze können schnell besetzt sein.

Ein Wirt verdeutlicht, was für ein Aufwand hinter einer Party-Meile für gerade mal 150 Gäste steckt

Eine Ergänzung ist daher das Vorhaben von Sebastian Herrmann vom "Key West". Er zeigt ebenfalls alle Spiele und hat von der Stadt die Erlaubnis erhalten, auf den Parkplätzen in der Altstadt eine Leinwand und 150 Sitzplätze einzurichten, plus einige Stehplätze. Herrmann ist neu, hat die Altstadtkneipe, wo sich die lokale Darts-Szene trifft, vor eineinhalb Jahren übernommen. Angefüllt mit Fußball-Devotionalien nennt er sie "die einzige echte Sportsbar in der Stadt". Ein Altstadtfest, das er mit großem Zulauf ausgerichtet hat, macht ihm Mut, dass auch das Public Viewing klappen kann - seine erste Großveranstaltung.

Doch ohne die Hilfe von vielen Seiten wäre das schwierig: Das Ordnungsamt zeigt sich kulant, eine Versicherung assistiert beim Sicherheitskonzept, eine Haller Brauerei macht Sonderpreise, weitere Sponsoren sind dabei, die TSG will bei der Bewirtung helfen. Herrmann lobt die Stadt, "was sie hier ermöglicht hat in letzter Zeit". Und appelliert an die Fans, den Aufwand zu honorieren: "Es ist wichtig, dass mehr Leute in die Stadt kommen", nicht nur zu großen Events wie dem Weindorf, sondern regelmäßig.

Im Kalender vormerken: Das Auftaktspiel und die weiteren deutschen Gruppenspiele

Ob die Fans kommen, wird sich am ersten Abend der EM weisen: Am Freitag, 14. Juni, trifft Deutschland im Auftaktspiel auf Schottland, um 21 Uhr in München. Dann sollten Gäste der Public Viewings nicht knausern, damit die Wette der Wirte aufgeht. Die weiteren deutschen Gruppenspiele sind am Mittwoch, 19. Juni, um 18 Uhr gegen Ungarn in Stuttgart und am Sonntag, 23. Juni, um 21 Uhr gegen die Schweiz. Spielort ist diesmal Frankfurt.

Update: Weitere Public Viewings, die uns nach Erscheinen dieses Berichts gemeldet wurden

Unsere Berichterstattung zeigt Wirkung: Nachdem die Hohenloher Zeitung berichtete, dass zur Fußball-EM 2024 in Deutschland kaum noch große Public Viewings im Hohenlohekreis stattfinden, melden sich nun immer mehr Veranstalter, die wenigstens kleinere oder mittelgroße öffentliche Fußballübertragungen zeigen wollen. Feuerwehren, Vereine und Wirte in Hohenlohe zeigen: Das Kulturgut Public Viewing, das zur Heim-WM 2006 zum Massenphänomen geworden war, ist mitnichten tot.

An folgenden Orten in Hohenlohe sind der Redaktion Public-Viewing-Events bekannt:
 

Öhringen: Parkdeck des Ö-Centers. Strandbar mit Speisen, Getränken und DJ-Musik, täglich geöffnet bis Ende August, zeigt alle Spiele der EM. Veranstalter ist die örtliche Kingzz GmbH

Öhringen: Café de Paris in der Innenstadt, zeigt alle Spiele der EM, mit Speisen und Getränken, Reservierung ratsam unter 07941 / 38255

Öhringen: Sportsbar Key West in der Altstadt, zeigt alle Spiele der EM, mit Speisen und Getränken

Öhringen: Biergarten am Freibad, zeigt alle Deutschland-Spiele und alle KO-Runden-Spiele. Speisen und Getränke nach der üblichen Biergarten-Karte. Das steht auf der Facebook-Seite des Veranstalters

Öhringen-Ohrnberg: Der TSV Ohrnberg zeigt in der Sporthalle alle deutschen Spiele, mit kleiner Verpflegung

Öhringen-Verrenberg: Die TSG Verrenberg zeigt am Sportgelände alle Deutschland-Spiele, auch in KO-Runde, plus Finale auf jeden Fall. Mit kleiner Verpflegung. Das steht auf der Homepage der TSG

Pfedelbach-Buchhorn: Gasthaus Seeklause am Campingplatz zeigt alle Deutschland-Spiele, auch in der KO-Runde, weitere Spiele nach Interesse der Gäste. Speisen und Getränke nach der üblichen Restaurant-Karte. Vorsicht: Public Viewing ist nur an Öffnungstagen - Montag und Dienstag ist Ruhetag

Pfedelbach-Lerchenhof: Brennerei Mozer zeigt alle Deutschland-Spiele der Vorrunde. Mit Speisen, Getränken und Schnapsbar

Pfedelbach-Untersteinbach: Der TSV Untersteinbach zeigt alle Deutschland-Spiele im Festzelt am Sportplatz. Mit Snacks und Getränken ab zwei Stunden vor Spielbeginn

Künzelsau-Amrichshausen: Der SC Amrichshausen zeigt im Sportheim sämtliche Vorrundenspiele und außerdem die möglichen Deutschland-Spiele in der KO-Runde, mit kleiner Verpflegung

Künzelsau-Kocherstetten: Der SC Kocherstetten zeigt in der Kelter alle Spiele der deutschen Nationalmannschaft, dazu gibt es Snacks und Getränke

Niedernhall: Die Feuerwehr zeigt im Gerätehaus alle Deutschland-Spiele. Mit kleiner Verpflegung

Forchtenberg-Ernsbach: Die evangelische Kirchengemeinde Sindringen-Ernsbach und der SSV Ernsbach zeigen alle Spiele der deutschen Nationalelf und das Finale in der Pachthofscheuer in Ernsbach. Dazu gibt es eine Kleinigkeit zur Stärkung und zu Trinken. Saalöffnung ist jeweils eine Stunde vor Anpfiff.

Krautheim: Der TSV Krautheim zeigt alle Spiele der deutschen Nationalmannschaft im Eugen-Seitz-Bürgerhaus. Mit kleiner Verpflegung

Auch in Stadt und Landkreis Heilbronn finden etliche Public Viewings statt. Einen Überblick darüber gibt es hier.

Die Liste der Public Viewings im Hohenlohekreis soll laufend aktualisiert und erweitert werden. Planen auch Sie im Hohenlohekreis öffentliche Fußball-Übertragungen zur Europameisterschaft 2024 in Deutschland? Dann können auch Sie auf diese Liste kommen. Melden Sie sich dazu bei der Hohenloher Zeitung unter E-Mail redaktion.hz@stimme-mediengruppe.de oder per Telefon (Montag bis Freitag) unter 07941 9161-8034.

 

 

 

 

 

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