Flüchtlingsmanagement in Hohenlohe: Personal an der Belastungsgrenze
Die Lage bei der Flüchtlingsunterbringung spitzt sich weiter zu: im Hohenlohekreis, der genügend Sammelunterkünfte bereitstellen muss, genauso wie in den Kommunen, die Ukrainer schon nach sechs Monaten zugewiesen bekommen.

Die Lage in den Flüchtlingsunterkünften im Land spitzt sich zu. Die Erstaufnahmestellen sind fast voll. Auch in der jüngsten Kreistagssitzung kocht das Thema kurz hoch. Unter dem Punkt "Verschiedenes" meldet sich Krautheims Bürgermeister Andreas Köhler zu Wort und mahnt: "Wir laufen sehenden Auges in eine dramatische Flüchtlingssituation." Die Kommunen seien damit und mit anderen Aufgaben "völlig überfordert".
Landrat äußert große Besorgnis
Landrat Matthias Neth äußert daraufhin "große Besorgnis" über das, was der kommunalen Ebene derzeit zugemutet werde: auch und vor allem bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Besonders die 16 Städte und Gemeinden im Kreis würden dies mit voller Wucht zu spüren bekommen, weil ukrainische Flüchtlinge schon nach sechs Monaten an die hiesigen Kommunen übergeben werden. Hinzu kommt, dass auch die Zahl der normalen Asylbewerber steigt.
Personal arbeitet an Belastungsgrenze
Nach der Sitzung will die Stimme vom Landratsamt wissen: Wie stellt sich die aktuelle Situation aus Sicht des Hohenlohekreises dar? "Die Lage ist schwierig, das Personal arbeitet an der Belastungsgrenze", erklärt Sprecherin Friederike Höhn. Aktuell seien 143 Geflüchtete aus der Ukraine in Sammelunterkünften des Kreises untergebracht, von März bis Ende September habe das Land insgesamt 168 Ukrainer offiziell zugewiesen. Gleichwohl lebten zuletzt mehr als 1200 im Hohenlohekreis, die meisten nach wie vor im privaten Umfeld. Oder in kommunalen Gebäuden.
Zwischen 20 und 100 Personen pro Monat könnten im Herbst noch dazukommen
Wie viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden dem Landkreis ab Oktober zugewiesen? Eine Prognose sei sehr schwierig. "Weil Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländer im Minus ist, gehen wir davon aus, dass zwischen 20 und 100 Personen im Monat zugewiesen werden könnten." Das sind weit mehr als bisher.
Platzzahlen in Sammelunterkünften werden aufgestockt
Reichen die neu geschaffenen Unterkünfte des Kreises aus oder müssen erneut Hallen umgebaut werden? Die Platzzahlen in der Schwabbacher Gewerbehalle sowie im ehemaligen Krankenhaus Künzelsau samt den danebenliegenden Gebäuden in der Rösleinsbergstraße würden nun aufgestockt. In den Containeranlagen würden sie verdoppelt: durch die Montage von Doppelstockbetten. Zwei Containeranlagen sind bereits fertig: in Kupferzell - und in Niedernhall, wo noch eine zweite entstehen könnte. Im Raum Öhringen gäbe es dafür ebenfalls noch Kapazitäten. "Ein Umbau von Hallen wird momentan nicht vorangetrieben, kann aber für die Zukunft auch nicht ausgeschlossen werden", erklärt Höhn.
Dynamik bei kommunalen Zuteilungen wird enorm steigen
Noch hält sich die Zuweisung von ukrainischen Flüchtlingen seitens des Kreises an die Städte und Gemeinden in Grenzen. Bereits nach sechs Monaten sollen sie verlegt werden. "Insgesamt 21 Personen wurden auf drei Kommunen verteilt", so Höhn. Doch ab Herbst wird die Dynamik der Zuteilungen enorm steigen. Etliche Kommunen sind räumlich schon jetzt am Limit.
Kreis orientiert sich am Verteilsystem des Landes
Bei der Verteilung an die Kommunen orientiert sich der Kreis am System des Landes bei der Zuweisung an die Kreise. Maßgeblich sei die Bevölkerungszahl der einzelnen Kommunen. Ausgehend davon würden Quoten errechnet, "auf welche die bereits privat oder direkt seitens der Kommunen untergebrachten Personen angerechnet werden". Kreise, die in der Fläche noch nicht so viele Fälle aufgenommen hätten, wie sie nach der Quote eigentlich müssten, "sind aufgefordert, so lange Personen aufzunehmen, bis die Quote ausgeglichen ist".
Landratsamt steht in engem Kontakt mit Kommunen
Eine Übersicht, welche Kommunen von mangelnden Kapazitäten besonders betroffen sind, gebe es freilich nicht. Das Landratsamt stehe in engem Kontakt zu den Kommunen und habe sie informiert, wie viele Personen bis Jahresende in die Anschlussunterbringung überführt werden müssten. "Nach Rückmeldung der Kommunen erfolgt eine Abstimmung des Transfers."
So ist die Lage bei den anderen Flüchtlingen
Neben den 168 Ukrainern wurden dem Kreis in diesem Jahr 156 Asylbewerber, 24 Ortskräfte und sechs Personen zugewiesen, die einen Asylfolgeantrag gestellt haben. "Im Oktober rechnen wir mit 48 Zuweisungen. Bis Jahresende gehen wir von ähnlich hohen oder steigenden Zahlen aus", so Höhn. Für 2023 wird mit 20 Personen pro Monat. gerechnet. 2021 seien 93 Personen aus dieser Personengruppe in die Anschlussunterbringung der Kommunen verteilt worden, 2022 bislang 95.
Russische Deserteure sind noch nicht in Hohenlohe
Kriegsdienstverweigerer aus Russland hätten noch nicht um Aufnahme im Hohenlohekreis gebeten. "Sollten russische Deserteure hier ankommen, bekommen sie vom Ausländeramt eine Anlaufbescheinigung ausgestellt und werden in eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes geschickt." Dort könnten sie einen Asylantrag stellen und würden untergebracht. "Vorbereitungen von Seiten des Kreises sind daher nicht erforderlich."
Wie ist die Lage in der größten Stadt des Kreises?
"Die rund 50 Plätze in der Alten Turnhalle stehen weiterhin als Reserve bereit", sagt Öhringens Sprecherin Monika Pfau. Die Unterbringung von Geflüchteten habe Vorrang vor der im Juli vom Gemeinderat beschlossenen Nutzung als Wärmehalle. Sollte sich die Lage zuspitzen, verfüge die Stadt über weitere Notpläne. "Wir teilen die große Besorgnis und können schwer abschätzen, ob die verfügbaren Plätze ausreichen werden. Wir rechnen definitiv mit Zuweisungen im Winter", erklärt Oberbürgermeister Thilo Michler. Bisher ist Öhringen vom Kreis erst ein Ukrainer zugewiesen worden. 231 Kriegsflüchtlinge wohnen in Privatunterkünften. 91 andere Flüchtlinge leben in elf Gebäuden in der Anschlussunterbringung.


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