"Da machen wir kurz einen Partybus draus" - eine Busfahrerin spricht über ihren Alltag
Verena Binder ist die Chefin eines Busunternehmens und fährt selbst Linienbusse. Sie spricht über die Landschaft, die Straße und die Passagiere. Manche Fahrgäste sind ihr lieber als andere.

Die Ingelfingerin Verena Binder hat im Dezember das Busunternehmen ihrer Eltern übernommen. Ihre fünf Busse legen im Jahr etwa zehn Mal die Strecke um die Welt zurück. Sie selbst fährt auch Hohenloher von Haltestelle zu Haltestelle. Wir haben mit der 37-jährigen Busfahrerin gesprochen, allerdings nicht während der Fahrt, deswegen ist das okay. Im Interview spricht Binder, die auch ausgebildete Erzieherin ist, über die Fahrt übers Land, den Termindruck und die Passagiere.
Haben Sie sich schon einmal verfahren?
Verena Binder: Nur ein bisschen! Nach einem Wochenende bin ich mal die falsche Strecke gefahren: Am Samstag war ich die ganze Zeit mit der Linie 7 unterwegs. Da muss man in Künzelsau nach Gaisbach in den Ort rein, in dem Kreisverkehr die dritte Ausfahrt nehmen. Am Montag bin ich dann die Linie 28 gefahren, nach Schwäbisch Hall - da muss man die zweite Ausfahrt aus dem Kreisverkehr nehmen. Aber ich bin die Strecke der Linie 7 nach Gaisbach reingefahren! Und dann habe ich kurz vor dem Ortseingang gemerkt: "Oh, ich bin falsch!" Da habe ich schnell umdrehen müssen.
Hatten Sie da Fahrgäste?
Binder: Ja, die haben sich gewundert. Einer hat dann auch ziemlich zum gleichen Zeitpunkt gesagt: "Irgendwie sind wir hier nicht richtig." Die Fahrgäste sehen das mit Humor.
Wenn Sie jemanden im Rückspiegel sehen, der hinterherrennt, weil er den Bus verpasst hat - halten Sie dann an?
Binder: Das kommt darauf an. War ich schon fünf Minuten zu spät dran, eher nicht. Wenn ich hinter mir Autos hab, kann ich nicht mehr abbremsen. Wenn ich selbst in Eile bin, weil ich einen Zug erreichen muss, halte ich nicht noch mal an. Es ist ja auch gar nicht erlaubt. Man darf nur an der Haltestelle ein- und aussteigen lassen. Aber was ich dann manchmal mache: Ich fahre langsamer an die Haltestelle heran, damit die Person sie noch erreichen kann. Dann sind die Leute auch sehr dankbar.
Haben sie manche Fahrgäste lieber als andere?
Binder: Bei manchen denkst du dir, setz dich bitte nach hinten. Wenn sie was getrunken haben und dich dann dumm von der Seite anreden - oder sie sind nicht ganz so gepflegt, das kann ich nicht gebrauchen. Da habe ich auch schon manchmal zu jemandem gesagt: "Ich möchte mich jetzt aufs Fahren konzentrieren. Bitte seien Sie still." Und dann gibt es andere: Eine Frau fährt manchmal in Hall mit. Das ist eine sehr kurze Strecke - aber wir freuen uns so, wenn wir uns sehen. Man hat ja auch Bekannte, die öfters mit dem Bus mitfahren. Der Busfahrer ist auch so ein bisschen Seelsorger für manche Menschen.
Manche Leute fahren nur Bus, um mit Ihnen zu reden?
Binder: Ja, tatsächlich. Wenn es jetzt zum Beispiel kälter draußen ist und die haben keine Lust, lange herumzustehen - da fahren sie noch eine Runde mit und wir unterhalten uns. Eigentlich ist es ja gar nicht so erlaubt. Das steht ja auch in den Bussen drin ...
"Bitte nicht mit dem Fahrer sprechen"
Wir haben auch schon gewitzelt und gemeint, das sollte heißen: Bitte nicht mit dem Fahrer sprechen, wenn er es nicht wünscht. Eigentlich unterhalten wir uns gerne, aber wenn einer Blödsinn redet, dann bitte nicht.
Das sind aber wahrscheinlich nicht die schlimmsten Fahrgäste, oder?
Binder: Manchmal kommen sie schon unter Drogen, alkoholisiert, oder sie haben ein falsches Ticket von jemand anderem dabei - oder andere falsche Tickets.
Feuerwehrleute, Rettungskräfte und Polizisten werden angegriffen, Busfahrer auch?
Binder: Mich hat mal ein jüngeres Mädchen angegriffen, die war vielleicht 15 Jahre alt. Sie hat mich gegen die Schulter geboxt, durch das Loch in der Plexiglasscheibe, wo man das Wechselgeld durchgibt - weil ich ihre Fahrkarte eingezogen hatte. Da war gar nichts mehr lesbar. Total ausgeblichen und verkrumpelt. Da habe ich gesagt, das ist ein ungültiger Fahrschein.
Haben Sie da die Polizei gerufen?
Binder: Ich habe ihr gesagt: "Fass mich nicht noch einmal an! Raus aus meinem Bus!" Dann ist sie auch ausgestiegen. Bei den Fahrkarten bin ich streng und mache keine Ausnahme, egal ob jung, alt, schwarz, weiß - das ist mir egal. Weil wo fange ich an? Eine einzige Ausnahme gibt es tatsächlich - bei Grundschülern, die verschone ich.
Wie ist das denn so, Schüler zu fahren?
Binder: Manchmal habe ich schon gedacht, es ist praktisch, eine Ausbildung als Erzieherin zu haben, gerade bei den Grundschülern. Ich habe eine Tour, da fahre ich Grundschüler von Ernsbach nach Sindringen. Am Anfang war's so: sie sind eingestiegen ein, rumgeturnt, und haben die Sitzplätze gewechselt. Da habe ich gesagt: Bitte sucht euch einen Sitzplatz aus und wechselt den nicht mehr. Alles andere ist zu gefährlich. Und dann haben wir angefangen, Musik anzuschalten. Da machen wir kurz einen Partybus draus. Dann tanzen sie nur auf ihrem Sitz herum. Jetzt, wenn sie mich sehen, sagen sie schon: "Jaaa! Können Sie wieder Musik anmachen?"
Und die anderen Fahrgäste stört das nicht?
Binder: Vielleicht ist mal eine ältere Dame mit drin, die muss das dann halt kurz ertragen.
Haben Sie eine Lieblingsstrecke?
Binder: Ja, tatsächlich: Die Linie 28 mag ich sehr gerne. Die geht nach Schwäbisch Hall-Hessental rüber und nach Künzelsau zurück. Die Landschaft anzuschauen ist sehr schön! Auch nach Bad Mergentheim - die Windräder, wenn man rüber fährt nach Oberginsbach, mit der Sonne, oder jetzt im Winter mit dem Nebel - ich halte manchmal an und mache ein Bild.
Auch wenn Fahrgäste im Bus sitzen?
Binder: Ja, mach ich. Die sagen nichts, die merken das meist gar nicht. Die sind am Handy und es schlafen auch einige. Diese Tour ist eher ruhiger. Da ist nicht ganz so viel los.
Seit Februar ist die Maskenpflicht weg, sind Sie sehr froh?
Binder: Ich habe mal zu einer jungen Dame gesagt: "Bitte zieh deine Maske auf." Die hat sie direkt wieder runter und dann habe ich es nochmal gesagt. Am Ende hatte ich einen Kaugummi am Sitz kleben. Und da dachte ich: Das gibt's doch nicht. Das ist Sachbeschädigung und das ist eine Sauerei. Ohne Maskenpflicht haben wir ein einfacheres Leben.
Zur Person
Verena Binder wurde 1985 in Künzelsau geboren. Nach der Realschule dort besuchte sie das Wirtschaftsgymnasium in Öhringen. Sie machte dann aber eine Ausbildung zur Erzieherin. 2008 machte sie den Busführerschein. Im Dezember 2022 übernahm sie das Unternehmen, das ihr Großvater gegründet hat.