Corona-Hilfen für Gastronomen: Zu langsam, zu wenig, zu umständlich
Der Niedernhaller Gastronom Ceyhan Akin berichtet über seine schlechten Erfahrungen mit den staatlichen Corona-Hilfen. Er sieht aktuell "null Perspektive" und fühlt sich nicht nur von der Bundespolitik, sondern auch von den Kommunen allein gelassen.

Ceyhan Akin, genannt JayJay, ist stocksauer. Vor allem auf die große Politik, die viel verspricht, aber wenig einhält. Auch auf die Stadt, deren Unterstützung er komplett vermisst. Und ein wenig auf die Menschen, die denken, dass es ihm als Gastronom in der Corona-Krise dank der Unterstützung von oben doch vergleichsweise gut geht.
Der Niedernhaller, der die Sportsbar "Sonne" in Forchtenberg betreibt, rückt diese Sicht der Dinge vehement zurecht: Er habe aktuell "null Perspektive", sagt er. Sein Plan B heißt, "den Laden aufgeben und wieder als Kraftfahrer arbeiten". Wann das so weit sein wird? Spätestens nach Pfingsten müsse "einigermaßen Normalität" herrschen, sonst "muss ich etwas anderes machen".
Vor Corona lief es wunderbar
Der 51-Jährige, als Sohn türkischer Gastarbeiter in Böblingen geboren und aufgewachsen, lebt seit 1989 in Niedernhall. Pächter der "Sonne" ist er seit dreieinhalb Jahren, mit Fußballübertragungen und gelegentlicher Livemusik hat er ein Stammpublikum gewinnen können. "Es lief wunderbar, ich bin hier komplett angekommen, auch mit der Familie." Das sind Frau Tanja und zwei Söhne. "Die haben mich gerne unterstützt, wenn die Hütte gebrannt hat." Bis Corona kam.
Im ersten Lockdown hat es geklappt
Im ersten Lockdown, erinnert sich Akin, habe das mit der staatlichen Corona-Hilfe noch gut geklappt. "Ratzfatz" habe er den Antrag stellen können, nach wenigen Tagen sei das Geld schon gekommen. Insgesamt 9000 Euro für drei Monate an Pacht und Nebenkosten. Allerdings schränkt Akin ein: "Für mich persönlich kriege ich nichts."
Vier Monate Wartezeit
"Schnell und unbürokratisch" habe die Hilfe dann auch im zweiten Lockdown kommen sollen. "Schnell ist anders", sagt Akin über die sogenannte Soforthilfe. Vier Monate habe er warten müssen, bis er vor kurzem endlich das komplette Geld erhalten habe. Zugesagt waren laut dem Gastronomen 75 Prozent des letztjährigen Umsatzes. Auch davon muss er wieder seine Pacht bezahlen, trotzdem bleibt unter dem Strich etwas zum Leben übrig. Aber nur mit viel Verzögerung: Nach zehn Tagen sei die Hälfte des Geldes gekommen, der Rest erst jetzt. "Zum Glück habe ich humane Verpächter", sagt Akin. Mit der Überweisung der Pacht habe er warten können, bis das Geld da gewesen sei.
Warum so kompliziert?
Inzwischen geht es um die Überbrückungshilfe III, mit der Ceyhan Akin immerhin 90 Prozent seiner Fixkosten erhalten soll. Für den Antrag brauche er aber einen Steuerberater, der wiederum eine teure Schulung absolvieren müsse, deren Kosten er auf seine Kunden verteile. Auch hier soll die Hälfte relativ schnell ausbezahlt werden, hat er von Kollegen erfahren, die anderen 50 Prozent erst nach eingehender Überprüfung. Warum das so umständlich gehandhabt wird, versteht Akin nicht: "Das hätte eigentlich das örtliche Finanzamt komplett in der Hand", meint er. Dort lägen alle relevanten Daten über seinen Betrieb vor. "Dann kann es auch nicht zu Schmu kommen", glaubt der Niedernhaller mit Blick auf die aktuellen Schlagzeilen, nach denen sich Betrüger unter falschen Identitäten Gelder erschlichen haben sollen.
"Keine Überlebenshilfe"
Die Überbrückungshilfe sei ohnehin "keine Überlebenshilfe", schränkt Akin ein. Er selbst könne nicht einmal Hartz IV beantragen, weil seine Frau arbeitet und die Söhne in der Ausbildung sind. "Ich lebe komplett von meinem Ersparten", sagt er. Die Vernunft sage ihm, er solle die Bar aufgeben und lieber Laster oder Bus fahren. "Ich habe dreieinhalb Jahre in den Laden investiert, meine Zeit, meine Liebe", hält Akin dagegen.
Auch von der Stadt allein gelassen
Was dem Gastronomen "extrem aufstößt", ist, dass auch die Kommunen "keine Hilfe anbieten". Kein Anruf, kein Brief von der Stadt, sagt er, "die wissen doch, dass der Bund im Verzug ist". So fühlt Akin sich auch dieser Hinsicht "allein gelassen". Die Hoffnung hat er trotzdem noch nicht ganz aufgegeben. Seine Vorstellung: Möglichst schnell öffnen, ohne teure Schnelltests oder Voranmeldung, aber ähnlich wie vergangenes Jahr mit Hygienekonzept, Desinfektion und Gästebuch, "von mir aus mit Maske bis an den Tisch" - in diesen sauren Apfel, da ist er sicher, beißen Wirte und Kunden gerne.

