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Booster-Hickhack sorgt für Unmut bei Hohenloher Ärzten und Bürgern

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Auch in der Region reagieren Patienten und Mediziner mit Verwunderung und Ärger auf die vom Gesundheitsministerium angekündigte Biontech-Liefer-Begrenzung. Die Abläufe in den Praxen werden dadurch zusätzlich strapaziert, berichten Ärzte.

von Christian Nick und Yvonne Tscherwitschke
Was ist drin im Fläschchen? Beim Corona-Impfstoff wollen es viele Bürger ganz genau wissen. Die jüngste Entscheidung aus Berlin stößt auf Kritik.
Foto Archiv/ Michael
Was ist drin im Fläschchen? Beim Corona-Impfstoff wollen es viele Bürger ganz genau wissen. Die jüngste Entscheidung aus Berlin stößt auf Kritik. Foto Archiv/ Michael  Foto: Robert Michael

Joachim Hammesfahr ist wütend: "Ich fühle mich von der Politik, so muss ich es leider sagen, völlig verarscht", wettert der Waldenburger. Grund für seinen Unmut: Der 72-Jährige hatte sich bei der Impfstation des Landkreises für die Booster-Impfung angemeldet - mit dem Vakzin von Biontech, wie er dachte.

Nun indes haben ihm die dortigen Verantwortlichen per Mail mitgeteilt, dass der Senior aufgrund der unlängst vom Gesundheitsministerium verfügten Begrenzung der ausgelieferten Biontech-Mengen nur mit dem Impfstoff des amerikanischen Herstellers Moderna geimpft werden könne.

Das sorgt - nicht nur bei Joachim Hammesfahr - für Sorgen und Ärger: "Ich lasse mich nicht mit einem anderen, aufgezwungenen Impfstoff impfen", sagt der Pensionär. "Eine Unverschämtheit, was da gelaufen ist", findet der Waldenburger. Aber auch er weiß: "Der Kreis kann dafür auch nichts, denn das wurde ja in Berlin entschieden."

Desaströse Kommunikation wird beklagt

Dass man sich aber eben auch an der medizinischen Basis wundert - das geht aus der Antwort-Mail der Impfstelle hervor, die Hammesfahr erhalten hat: "Schlecht ist - mal wieder - die Kommunikation des Gesundheitsministeriums: Anzukündigen, für alle ausreichend Impfstoff zu haben, die Ärzte aufzufordern mehr zu impfen, und ein paar Tage später ein Impfstoffkontigent einzurichten, ist kein guter politischer Stil", heißt es in dem Schreiben.


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Nachfrage bei Hohenloher Ärzten: Welche Auswirkungen hat das Hickhack um die Booster-Vakzine konkret in den Praxen? "Viele Menschen sind jetzt verunsichert", berichtet etwa der Kupferzeller Allgemeinmediziner Dr. Bernd Braun. "Richtig blöd" sei die nun eingetretene Situation. In seiner Praxis habe er bereits Impf-Termine bis Januar vergeben. "Den Patienten habe ich versprochen, dass Biontech verabreicht wird - und nun kommt so eine Regelung", sagt der erfahrene Arzt. "Ich habe schon etwas Angst, dass nun der ein oder andere sagen wird: ,Mache ich doch nicht"."

Wie die Lagerbestände aktuell in seiner Praxis sind? Gerade sei Impftag, berichtet Braun. Und "für heute habe ich noch genug Biontech". Aber: "Was danach wird, weiß ich nicht." Impfungen mit Moderna brächten nicht nur Umstellungen für die Patienten, sondern auch im Praxisalltag mit sich: "Ich persönlich habe mit Moderna noch wenig Erfahrung", so Braun. Das andere Vakzin bedeute unter anderem logistische Herausforderungen - unter anderem, was die Zubereitung der einzelnen Dosen angehe. Es gebe unter den Impflingen nun zahlreiche Fragen, denen man sich widmen müsse. Fazit des Arztes: "Viele sind jetzt einfach sehr verärgert."

Beratungsbedarf hemmt die Impfkampagne

Dr. Susanne Bublitz, Impfbeauftragte im Hohenlohekreis, hat die Erfahrung gemacht: "Diskutiert wird an der Anmeldung. Sagen wir bei der Terminvergabe, es gibt Moderna, kommt erst einmal Ablehnung", sagt Bublitz. "Wen ich direkt erwische, dem kann ich erklären, dass Moderna genauso gut, eventuell in der Wirksamkeit gegen Delta sogar besser ist. Das ist dann kein Problem", schildert sie ihre Erfahrung. Generell gebe es ein Aufklärungsmerkblatt für mRNA-Impfstoffe: Das gelte für beide, weil beide gleichwertig seien.

Sorgen können die meisten Impflinge gar nicht konkretisieren, es ist für sie einfach ein "unbekannter" Impfstoff - weil in Deutschland bislang weniger verimpft. Die Diskussionen aber belasten den sowieso schon stressigen Praxisalltag: "Es ist momentan schon eine Katastrophe, weil sich 90 Prozent der Anrufe um die Impfung drehen", sagt Bublitz. "Menschen, die krank sind, haben riesige Schwierigkeiten, uns zu erreichen." Auf noch größere Diskussionen stellt sie sich kommende Woche ein, wenn Impfungen anstehen. "Dann schicke ich meine Kollegin vor, die mit Astra, dann mit Moderna geimpft wurde - und nun den Biontech-Booster bekommen hat."

Joachim Hammesfahr indes hat seinen Termin bei der Impfstation abgesagt - und sich in einer Hausarztpraxis angemeldet. Hier habe man ihm seinen Wunsch-Impfstoff noch zugesagt, berichtet er.

 

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