Biber fällt jahrzehntealte Obstbäume in Kocherstetten
Streuobstwiesen zu erhalten, ist ein erklärtes Ziel im Naturschutz. Aber was tun, wenn die Interessen kollidieren - weil der geschützte Biber sich über die Bäume hermacht? Der Besitzer einer ufernahen Streuobstwiese am Kocher erzählt von seinem Leid.

Der erste Gedanke von Günter Wagner war, dass sich Schwäne einen Trampelpfad über seine Streuobstwiese gebahnt haben. Schon bei der Apfelernte im Herbst hatte der ehemalige Vermessungstechniker aus Kocherstetten die beiden rund 30 Zentimeter breiten, gleichmäßig angelegten Wege vom Kocherufer zu seinem Baumgrundstück bemerkt. "Ab und an sieht man hier Schwäne an Land gehen", erklärt der 68-Jährige, dessen Wiese sich in der Nähe des Kocherwehrs befindet.
Den Gedanken, dass der Trampelpfad von Schwimmvögeln stammt, verwarf der Kocherstettener jedoch Anfang Dezember ziemlich schnell. Da stellte Wagner zum ersten Mal fest, dass sich jemand an der Rinde seines rund 50 Jahre alten Obstbaums zu schaffen gemacht hatte. Ein Spaziergänger hatte ihn zuvor darauf aufmerksam gemacht. Da war der Apfelbaum der Sorte Jonathan schon nicht mehr zu retten; das war dem Sohn eines ehemaligen Baumwarts klar.
Die Expertise des Biberbeauftragten schafft schnell Gewissheit
Nur ein paar Tage später bemerkte Wagner, dass der benachbarte Jonathan-Apfelbaum ebenso angenagt war. Die typischen Bissspuren des Nagers, die darauf abzielen, den Baum mittels sanduhrenförmiger Schnitztechnik zu fällen, und die Holzchips, die um den Stamm herum lagen, ließen Wagner mutmaßen, dass seine beiden Apfelbäume ins Visier von Bibern geraten waren. "Die Tiere haben sich wohl regelmäßig nachts daran zu schaffen gemacht. Außer in der Zeit, als Frost herrschte", vermutet er.
Letzte Gewissheit gab ihm der zuständige Biberbeauftragte für Kocherstetten, Holger Mangold. Er ist einer von mehreren Ehrenamtlichen im Kreis, die sich dem Thema Biber annehmen. "Er hat sich die Bäume angeschaut und mir nähere Informationen zum Verhalten der Tiere gegeben", erinnert sich Wagner.
Maschendraht aus Stahl schützt die Bäume
Bei der Begehung des ufernahen Grundstücks in Hanglage am Freitagnachmittag ist Wagner nicht weiter überrascht, als er sieht, dass einer der beiden Bäume mit Hilfe von Biberkraft gefällt wurde. "Das war nur eine Frage der Zeit", sagt er. Sichtbar sind auch noch die beiden Trampelpfade, die sogenannten Biberrutschen, die sich vom Ufer aus über das Grundstück ziehen.

Die restlichen Obstbäume auf seinem Grundstück hat Wagner mittlerweile mit Maschendraht aus Stahl vor den Nagetieren gesichert. "Den habe ich vom Landratsamt bekommen", erzählt er. "Ich bin richtig erzürnt darüber, dass es gerade Bäume trifft, die mein Vater noch gepflanzt hat und die immer gehegt und gepflegt wurden", sagt Wagner.
Manchmal rufen Leute sogar die Polizei wegen dem Biber
Solche Erfahrungen, wie sie Günter Wagner mit dem Biber gemacht hat, gehören fast schon zum Alltag der ehrenamtlichen Biberbeauftragten Petra Kuch. Zu ihrem Revier gehören der Kocher außerhalb von Künzelsau sowie dessen kleinere Nebenflüsse. "Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass wegen Schäden an der Baumrinde von Obstbäumen auch schon mal Spaziergänger verdächtigt werden und die Polizei gerufen wird", weiß die Öhringerin. Vor allem, weil der Biber ein Feinschmecker ist und die Rinde sowie die Krone von Obstbäumen Leckerbissen für ihn darstellen.
"Dagegen kann man präventiv vorgehen: Neue Obstbäume sollten nicht mehr in Ufernähe gepflanzt werden. Neben biberfesten Maschendraht kann man die Rinde junger Bäume mit Quarzsandpaste behandeln, was die Biber vom Nagen abhält", rät die Gewässerökologin und Biberbeauftragte.
Darum steht der Biber unter besonderem Schutz
Laut der Biberbeauftragten Petra Kuch sind die Tiere erst wieder seit 2008 in Hohenlohe ansässig. Dank Bejagungsverbot und Auswilderungen hat sich der europäische Biber am Kocher und dessen Nebenflüssen angesiedelt. Seine Eigenschaft, sich von der Rinde ufernaher Laubbäume zu ernähren, die er mit der Sanduhrtechnik fällt, macht ihn zu einem wichtigen, tierischen Gewässerökologen: Die vom Biber erbauten Dämme dienen zum einen als Wasserfilter, zum anderen als Wasserrückhalt. Das ermöglicht innerhalb von wenigen Jahren ein ökologisches Gleichgewicht in kleineren Gewässern herzustellen und fördert dadurch auf natürliche Weise den Artenreichtum von Flora und Fauna.
Der Biber, der sich selten mehr als 20 Meter vom Wasser entfernt, gilt als Baumeister der Wildnis und ist streng nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützt. Unter demselben Schutz stehen auch Biberdämme und Baue.

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