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Stall in Pfedelbacher Ortsteil
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Strafanzeige wegen Anbindehaltung: Nichts Unrechtes oder Tierquälerei?

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Die Tierrechtsorganisation Peta hat Strafanzeige gegen einen Pfedelbacher Landwirt gestellt: Es geht um die sogenannte Anbindehaltung, bei der Rinder monatelang fixiert stehen müssen. Auf dem betroffenen Bauernhof wurde der Redaktion Einblick in den Stall gewährt.

von Christian Nick
 Foto: Archiv/Scholz (links) / Nick (rechts)

Die Vertreterin der Tierrechtsorganisation Peta findet drastische Worte: "Den angebundenen Tieren werden nahezu alle arteigenen Verhaltensweisen gänzlich verwehrt, was sowohl seelischer als auch körperlicher Folter gleichzusetzen ist." Unter anderem damit begründet Scarlett Treml, dass Peta Strafanzeige bei der Heilbronner Staatsanwaltschaft gegen einen Landwirt im Pfedelbacher Ortsteil Schuppach gestellt hat.

Der Hofbesitzer hatte – das ist vom Kreis-Veterinäramt dokumentiert – ein Dutzend Rinder der Rasse "Holstein-Friesian" über die Wintermonate kontinuierlich in der sogenannten Anbindehaltung im Stall stehen gehabt. "Das ist ein sehr zu verachtendes Haltungssystem", so die Peta-Vertreterin. Es sei richtig und wichtig, dass der Tierschutzorganisation solche Betriebe regelmäßig über eine Whistleblower-Plattform gemeldet und dann zur Anzeige gebracht werden. Auf derartigen Höfen - von denen laut Landratsamt im Hohenlohekreis aktuell noch 48 existieren - werden die Tiere monatelang ununterbrochen am Hals fixiert und angebunden.


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Fotos: Nick
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Rechtslage zur Anbindehaltung ist im Wandel

Vorweg: Die von dem Schuppacher Bauern und seinen Kollegen praktizierte Haltungsform ist in Deutschland legal. Noch jedenfalls. Denn laut hiesigem Veterinäramt ist die "Anbindehaltung von Rindern ab dem siebten Lebensmonat nach der Tierschutznutztierhaltungsverordnung nicht verboten". Es mehren sich jedoch Anzeichen, dass sich die Rechtslage hier bald ändern könnte: Im vergangenen Jahr urteilte das Verwaltungsgericht in Münster, dass eine  – wohlgemerkt: ganzjährige – Anbindehaltung unzulässig ist. Die Berufungsverhandlung am Oberverwaltungsgericht steht jedoch noch aus. Und: Die Novelle des Tierschutzgesetzes sieht ab 2028 ebenfalls ein Verbot vor.

Vor-Ort-Recherche beim von der Strafanzeige betroffenen Landwirt: Oliver Funk-Hesser räumt ein, dass er die Tiere von Oktober bis April angebunden gehalten hat – und öffnet der Heilbronner Stimme/Hohenloher Zeitung auch die Türen zum betreffenden Stall. Bis auf ein, zwei Tiere ist dieser leer: Die Rinder stehen gerade auf der Weide. Dass seine Tiere im Sommer Auslauf bekommen – das betont der Hofbesitzer. Und auch das Veterinäramt stellt auf Nachfrage klar: Bei Funk-Hessers Hof handele es sich "nicht um eine ganzjährige Anbindehaltung".

Zwei Kontrollen innerhalb weniger Monate bei Pfedelbacher Bauer

Warum er die Rinder über den Winter fixiert hat? "Gegenüber laufen die Tiere schon", sagt der Landwirt und verweist auf die andere Stall-Seite, wo bereits umgebaut ist und die Kettengestelle verschwunden sind. 10.000 Euro würde es ihn wohl kosten, dies auszudehnen. Bis dahin habe er keine anderen Möglichkeiten. Der Schriftverkehr mit den Ämtern, den unsere Redaktion vor Ort einsehen kann, belegt: Gleich zweimal haben Hinweisgeber auf den Betrieb aufmerksam gemacht.

Im April wurde erstmals kontrolliert - vor wenigen Wochen nach der Peta-Anzeige nochmals. Die Zustände damals: eingewachsener Stacheldraht auf der Weide, mangelhafte Klauen-Pflege, verschmutzte Tränke, zu kurze Liegeflächen - und zwei Tiere, die "bereits Veränderungen an den Sprunggelenken" aufwiesen. Das Veterinäramt teilt ebenfalls mit, dass man die Beseitigung der "technischen Mängel bei der Haltung" schriftlich angemahnt habe. Sobald die Tiere im Herbst in den Stall zurückkehren, werde eine Nachkontrolle stattfinden - es drohe ein Zwangsgeld bei Nichtbefolgung der Anordnungen.

Landwirt Funk-Hesser sagt, noch sei die von ihm praktizierte Haltungsform ja legal. Dennoch: Auch er wolle perspektivisch weg von der Anbindehaltung. "Der Landwirt will seine Haltung innerhalb der nächsten zwei Jahre in eine Laufstallhaltung umbauen", heißt es von der Behörde. Man habe Funk-Hesser den Umstieg "nahegelegt". Dieser hat kein Verständnis für die Tierschützer und ihre Informanten: Der Landwirt wettert, Peta ginge es hauptsächlich darum, kleine Familienbetriebe zum Aufhören zu zwingen.

Es gibt unterschiedliche Positionen zur Anbindehaltung

Wie positioniert sich der Bauernverband Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems dazu? "Wir sehen Anbindehaltung als Auslaufmodell", sagt Sprecher David Benzin. Man wolle und werde aber den Verbands-Mitgliedern keine Vorgaben zur Haltungsform machen. Die Anbindehaltung werde gerade hauptsächlich noch von kleinen Höfen und Nebenerwerbs-Landwirten - die womöglich sonst ganz aufhören müssten - praktiziert und sei so Teil der "Vielfalt landwirtschaftlicher Betriebe".

Peta argumentiert indes, die Tiere könnten sich angebunden weder umdrehen, noch sich ausreichend bewegen oder interagieren. Überdies seien solche alten Ställe den durch Zucht immer massigeren Tieren nicht mehr angemessen. Es handle sich schlicht um "Tierquälerei", die unbedingt illegal rasch komplett verboten werden müsse. Die Organisation fordert von der Politik, die Landwirte mit "Ausstiegshilfen" zu unterstützen. Das Landratsamt teilt unterdessen mit, man habe die Betriebe im Hohenlohekreis bereits "intensiv zur Verbesserung des Tierwohls beraten". Auch im laufenden Jahr wolle man erneut über Möglichkeiten zum Umstieg informieren.

 
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