Falsche Polizisten vor Gericht: Seniorinnen um halbe Million Euro betrogen
Zwei junge Hohenloher stehen wegen bandenmäßigem Betrugs mit Schockanrufen vor dem Landgericht. Ihnen werden sieben Taten vorgeworfen - darunter Fälle in Künzelsau, Forchtenberg und Neckarsulm.

Die Hintermänner sitzen in der Türkei, die Handlanger, zwei junge Hohenloher, die von Juli 2020 bis Mai 2021 das Geld der Seniorinnen abholten, nun vor der Dritten Großen Strafkammer am Landgericht Heilbronn. Sieben Taten wirft ihnen der Staatsanwalt zu Prozessbeginn vor. Die Opfer sind allesamt ältere Damen in Forchtenberg, Künzelsau, Neckarsulm, Gaildorf, Schwäbisch Gmünd und Kirchberg/Jagst.
Wie es abläuft
Die Masche ist immer dieselbe: Die Anrufer aus der Türkei erklären den älteren Damen, ihr Bargeld sei in Gefahr. Mal aus dem Grund, weil ein Wohnungseinbruch bevorstehe. Sicherheitshalber sollten sie ihr Geld einem Polizeibeamten übergeben, der vorbeikomme. Oft aber zogen die Anrufer die gut funktionierende Nummer mit dem gefälschten Geld ab: Ein Banken-Mitarbeiter habe Geld gefälscht.
Geld vor dem Haus deponiert
Zur Aufklärung der Tat, beziehungsweise weil man sich strafbar mache, wenn man das gefälschte Geld in Umlauf bringe, sollte es vor den Haustüren deponiert und von der Polizei abgeholt werden. Die Beträge bewegten sich zwischen 2500 und über 220.000 Euro. Die hohe Summe erpressten die Angeklagten von einer Frau in Gaildorf. Sie wurde wiederholt ab dem 17. September angerufen und bis 3. November unter Druck gesetzt. Sie legte in fünf Fällen Beträge ab 5000 und über 100.000 Euro vor die Türe. Die Beutewerte summieren sich insgesamt auf rund eine halbe Million Euro.
Wie sie aufgeflogen sind
Beim siebten Deal, bei dem die Bande in Neckarsulm 16.000 Euro abholen wollte, griff die Polizei zu. Wegen gewerbsmäßigem bandenmäßigen Betrugs sitzt der 28 Jahre KfZ-Mechatroniker aus dem Kochertal seit der Verhaftung am 21. Mai 2021 in U-Haft. Sein Komplize, der in zwei Fällen als Chauffeur fungierte und das Geld über eine Bankverbindung in die Türkei transferieren sollte, ist auf freiem Fuß.
Krumme Dinger, um Sucht zu finanzieren
Vermutlich um seine Kokain-Sucht zu finanzieren, spielte der 28 Jahre alte Mechatroniker, der im Betrieb seines Vaters für die Werkstatt zuständig war, die Rolle des falschen Polizisten. Schon vor der Haft habe er versucht, vom Kokain wegzukommen, das ihn auch seinen Autoführerschein gekostet hatte, erklärte der junge Mann vor Gericht. Bis zu drei Gramm unter der Woche und bis zu fünf Gramm am Wochenende habe er konsumiert. Seine Jugend aber habe er in einem geordneten Elternhaus verbracht, bis die Eltern sich hatten scheiden lassen.
Der zweite Angeklagte, ein 32 Jahre alter gelernter Bäcker, der zwischenzeitlich als Maschinenbediener und Taxifahrer arbeitet, spricht von psychischen Problemen, wegen der er auch eine Zeit in einer psychosomatischen Klinik gewesen sei. Bei der Trennung von seiner Ex-Freundin seien alte Verletzungen, hervorgerufen durch seinen gewalttätigen Stiefvater, wieder an die Oberfläche gekommen.
Die Angeklagten signalisierten, vollumfängliche Geständnisse abzulegen und zu akzeptieren, dass die Aussagen der geschädigten Seniorinnen vor Gericht verlesen werden. Das Gericht stellte einen Strafrahmen zwischen fünf Jahren, drei Monaten und fünf Jahren, neun Monaten für den Hauptangeklagten in Aussicht. Der 32-Jährige könne mit einer bewährungsfähigen Strafe zwischen eineinhalb und zwei Jahren rechnen.
An vier weiteren Verhandlungstagen soll der Fall aufgearbeitet und am 26. November, 9 Uhr, das Urteil gesprochen werden. Die Kammer hat 13 Zeugen auf der Liste.


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