1000 Impfungen mit Astrazeneca: Impf-Drive-in vor Supermarkt
Weil viele Impfberechtigte Astrazeneca ablehnen, starten Hausärztinnen eine aufsehenerregende Aktion in Pforzheim. Pfedelbacher und Pforzheimer Hausärztinnen gehen in die Impfoffensive. Der Hausärzteverband unterstützt die Aktion.

Es ist 13.22 Uhr. Dr. Susanne Bublitz und Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth rufen: "Jetzt geht"s los!" Die beiden Vorstandsmitglieder im Hausärzteverband Baden-Württemberg haben am Mittwoch ihre in den Praxen nicht verimpften Dosen Astrazeneca ins Auto gepackt und sind auf einen Edeka-Parkplatz bei Pforzheim gefahren. Dort impfen sie all jene berechtigten Menschen, die mit diesem Impfstoff kein Problem haben.
Während in den Praxen viele Menschen Astrazeneca aus Angst vor Gehirnvenen-Thrombosen ablehnen, sind selbst die Ausweichparkplätze rund um den Edeka schon um die Mittagszeit voll. Ortsvorsteherin Sabine Wagner gibt Scheine aus, der Bauhof leitet die Menschen um zu einem großen Platz, auf dem 200 Autos warten können. Je 30 werden per Funk dorthin gerufen zum Impf-Drive-in. Fußgänger stehen über den Hof und Gehweg Schlange.
Um die 1000 Menschen werden geimpft
Um die 1000 Menschen können die Hausärztinnen am Mittwochnachmittag impfen. Allein Dr. Susanne Bublitz hat aus ihrer Pfedelbacher Praxis 700 Impfdosen mitgebracht. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfahrth und und die dritte im Bunde, Dr. Christina Sanwald, haben je um die 200 Dosen Astrazeneca dabei.
Autos hupen und geben so zu verstehen: Super! Endlich! Die ersten zwei Autos rollen unter die weißen Pavillons, die Schneetreiben und stürmischem Wind getrotzt haben. Fernsehteams filmen, wie die Hausärztinnen die ersten Aufklärungsgespräche führen und nicht einmal sechs Minuten später haben die ersten Impfwilligen ihre Spritze bekommen. Die Freude über die erste Corona-Schutzimpfung steht den Menschen ins Gesicht geschrieben. Dafür haben sie teils weite Strecken in Kauf genommen, Stunden auf dem Parkplatz gewartet. Dass sie Astrazeneca bekommen? "KeinProblem, her damit, die Gefahr, Corona zu bekommen ist größer, als eine Thrombose", sagt nicht nur Jochen Ehmann aus Schorndorf. Viele haben aus Radio und Zeitung von der Aktion erfahren. Als erste fährt Cordula Hübsch hupend vom Hof. Glücklich zeigt sie ihren gelben Impfpass.
Das Warten hat sich gelohnt
Schon früh am Morgen ist sie in Lauffen am Neckar losgefahren, hat seit 8.50 Uhr geduldig ganz vorne in der Schlange gewartet. "Es hat sich also gelohnt", schmunzelt die 54-Jährige. Sie versorgt die vorerkrankten Eltern, die noch nicht geimpft sind. Seit Wochen hat sie sich um Impftermine bemüht. "Wenn man seinen Körper beobachtet, dann ist das schon okay", hat sie die Vor- und Nachteile des umstrittenen Impfstoffes für sich abgewogen.
Ein Wechselbad der Gefühle haben Martina und Peter Hofmann am Mittwoch durchlebt. Sie sind aus Freiburg gekommen, hatten die Impfzettel schon in der Hand und stellten dann fest, ihre Gesundheitskarte vergessen zu haben. "Wir kriegen das hin", tröstet die Ortsvorsteherin die 64-Jährige. Keine zwei Stunden später strahlt die über beide Backen. Geschafft.
Vereinigung rechnet mit weiteren ähnlichen Aktionen
Auch Kai Sonntag, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, ist vor Ort. "Eine tolle Aktion", lobt er das Engagement der Ärztinnen. "Das unterstützen wir voll." Auch Manfred King, Pressesprecher des Hausärzteverbands, ist sicher: "Es werden weitere Kollegen diesem Vorbild folgen." Als "desaströs" haben zuvor Bublitz und Buhlinger-Göpfarth die Kommunikation der Behörden und Ministerien mit Blick auf Astrazeneca bezeichnet. "Es ist ein sicherer und wirksamer Impfstoff", betonten sie. Und genau das müssten sie den Patienten in den Praxen aufwendig erklären und zuvor lange Listen abtelefonieren.
Priorisierung
Aus ganz Süddeutschland kamen die Menschen, um sich am Mittwochnachmittag in Pforzheim mit Astrazeneca impfen zu lassen. Die Ärztinnen wurden vom DRK-Ortsverein Pforzheim unterstützt. Seit Montag sind weitere 1,5 Millionen Menschen der aktuellen Priorisierung entsprechend impfberechtigt. Das Impftempo muss forciert werden, fordert der Hausärzteverband Baden-Württemberg, der 4000 Hausärzte vertritt. Wie viel Impfstoff zur Verfügung stehe, sei sehr unterschiedlich und immer nur kurzfristig planbar. Dr. Susanne Bublitz hat in Pfedelbach bisher 778 Erst- und 178 Zweitimpfungen durchgeführt, davon 51 mal mit Astrazeneca. Die Hausärztinnen kritisieren, dass die Älteren in den Praxen Astrazeneca ablehnen und sich so die Impfung jüngerer Menschen nach hinten schiebt.