Warum Erinnern wichtig bleibt: Historiker sieht Parallelen bei Demokratie-Gegnern
Hohenlohe und der Nationalsozialismus. Eine notwendige Auseinandersetzung, insbesondere angesichts der politischen Situation, findet der Heilbronner Historiker Thomas Schnabel.
Die Atmosphäre ist angespannt in der Pachthofscheuer in Ernsbach. 150 Menschen sind hier, um mehr über die Rolle des Hohenlohekreises in der Zeit des Nationalsozialismus zu erfahren. Der Verein „Sophie Scholl in Forchtenberg – Gedenken und Erinnern im Hohenlohekreis“ hat dazu den Historiker und NS-Experten Thomas Schnabel eingeladen.
Hohenlohe als Hochburg der Nationalsozialisten
„Das Thema ist wichtiger denn je“, sagt Landrat Ian Schölzel und verweist in seiner Begrüßung auf den zunehmenden Antisemitismus und Fremdenhass in der Gesellschaft. Sich mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen sei wichtig für den Erhalt des demokratisch-liberalen Staates, „den wir gerne haben wollen und für den wir eintreten wollen“. Schölzel hofft, dass der Vortrag zum Nachdenken anregt – gerade angesichts der bevorstehenden Wahlen: „Dass wir uns fragen, wem wir die Verantwortung in diesem Land anvertrauen wollen.“
„Hohenlohe war die Hochburg der Nationalsozialisten im Land“, sagt NS-Experte Thomas Schnabel, der sich intensiv mit der Geschichte der Region befasst hat. Als er die Wahlergebnisse von 1930 zitiert, geht ein Raunen durch die Reihen: Mit 64 Prozent erreichte die NSDAP in Gerabronn damals den höchsten Stimmenanteil in ganz Württemberg – mehr als zwei Jahre vor der Machtübernahme der Nazis im Reich. Die Augen der Zuhörer weiten sich, einige murmeln leise. „Wenn es nach Crailsheim, Öhringen und Hall gegangen wäre, wäre Hitler noch früher an die Macht gelangt“, fügt Schnabel, der ehemalige Gründungsdirektor des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, hinzu. Er erklärt, dass die Wähler in Hohenlohe überwiegend junge Protestwähler gegen die Weimarer Republik waren und weniger überzeugte Nationalsozialisten.
Himmel und Hölle: Nazis weder von da gekommen noch dorthin gegangen
„Die Nationalsozialisten sind weder 1933 vom Himmel gefallen noch 1945 in der Hölle verschwunden“, sagt Schnabel und spannt damit einen Bogen zur Gegenwart. Seine Worte hallen im Raum nach, und er mahnt eindringlich, diese Verbrechen nicht zu vergessen: „Parteien, die sich so weit vom demokratischen Grundkonsens entfernen, sind nicht wählbar.“ Ein Applaus brandet im Saal auf. Das Publikum, im Schnitt etwa 65 Jahre alt, reicht von Historikern über regionale Politiker bis hin zu geschichtlich Interessierten aus der Region. Unter ihnen ist Andreas Odey aus Öhringen.
„Der Vortrag war sehr informativ und vor allem intensiv. Gerade in Zeiten von Desinformation ist es wichtig, sich der Geschichte bewusst zu sein“, sagt er und verweist ebenfalls auf die bevorstehenden Wahlen. Er betont die Bedeutung eines klaren historischen Bewusstseins. Auch in Schulen, findet er, sollte es vermehrt solche Vorträge geben, um die junge Generation aufzuklären. Denn sie seien es, die die Zukunft bestimmen, so Odey. Weniger überrascht vom Inhalt des Vortrags zeigt sich Künzelsaus Stadthistoriker Stefan Kraut, der sich auch unter den Zuhörern befindet: „Absolut Neues habe ich nicht erfahren.“ Er selbst ist Enkel eines NS-Angehörigen, der in Künzelsau eine zentrale Rolle als stellvertretender Bürgermeister einnahm.