Stimme+
Interview
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Umstrittene Alt-Asphalt-Anlage in Kupferzell: Geschäftsführer zu Chancen und Risiken

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Deutschlands erste Anlage zur Entsorgung und teilweisen Wiederaufbereitung teerhaltigen Asphalts, die in einem Kupferzeller Steinbruch geplant ist, sorgt vor Ort für hitzige Diskussionen. Im Stimme-Interview spricht der Geschäftsführer über das Pilotprojekt.

von Christian Nick
Er will das in Rüblingen geplante Pilotprojekt zur teilweisen Wiederaufbereitung alten Asphalts noch besser erklären: NovoRock-Geschäftsführer Martin Weiß kündigt im Interview nun eine vertieftere Prüfung an.
Er will das in Rüblingen geplante Pilotprojekt zur teilweisen Wiederaufbereitung alten Asphalts noch besser erklären: NovoRock-Geschäftsführer Martin Weiß kündigt im Interview nun eine vertieftere Prüfung an.

Die in einem Steinbruch im Kupferzeller Teilort Rüblingen geplante bundesweit erste Anlage zur Entsorgung und teilweisen Wiederaufbereitung alten Straßenschutts polarisiert. Im Stimme-Gespräch äußert sich Martin Weiß, Geschäftsführer beim Projektierer NovoRock, zu den Vorwürfen der Kritiker, den Gründen für die neue Technik sowie zum angestrebten Zeitplan. 

Herr Weiß, vor anderthalb Jahren haben Sie und der Konzern Strabag die Öffentlichkeit erstmals über Ihre Pläne informiert. Hat Sie die Wucht des Widerstands überrascht?

Martin Weiß: Ja. Vor allem im vergangenen halben Jahr. Wir haben unterschätzt, dass wir mit der frühen Information auch Bedenken bei den Menschen ausgelöst haben. Viele berechtigte Fragen konnten so früh in der Planung und ohne Abschluss der Gutachten noch gar nicht beantwortet werden. 

 

Können Sie denn grundsätzlich nachvollziehen, dass Sorgen existieren? Auch die zwei Anrainer-Gemeinden Kupferzell und Braunsbach positionieren sich ja sehr skeptisch...

Weiß: Wenn ich nicht vom Fach wäre, hätte auch ich nicht zehn, sondern 100 Fragen. Ich würde mir wünschen, dass man mich ernst nimmt. Und ich hätte gerne Antworten auf meine Fragen. Genau diesen Prozess durchlaufen wir gerade.

 

In kurzen Worten erklärt: Warum ist die Etablierung einer solchen neuartigen Asphalt-Recycling-Anlage in Deutschland aus Ihrer Perspektive unbedingt notwendig?

Weiß: Der Gesetzgeber sieht mittlerweile als einzig zulässiges Verfahren die sogenannte thermische Behandlung vor. In diesem Prozess werden die teerhaltigen Bestandteile in ein brennbares, ungefährliches Gas umgewandelt – und das saubere Gestein wird wieder verwendet. Das macht Sinn, weil es das nachhaltigste Verfahren ist. Keinen Sinn macht es aber, das Material dafür nach Rotterdam bringen zu müssen. Klüger ist es, dies hier vor Ort zu tun. Die Klimabilanz ist besser. Und die Wertschöpfung bleibt im Land.

 

Die unterm Strich bessere CO2-Bilanz konnte bisher durch Sie und Ihren Projekt-Partner Strabag nicht belegt werden: Unsere Redaktion hat im Sommer für einen entsprechenden Faktencheck Informationen von NovoRock angefordert, um beurteilen zu können, ob der von Ihnen ins Feld geführte positive Umwelteffekt im Vergleich zu bereits existenten Entsorgungs- und Aufbereitungsverfahren wirklich zutrifft. Es hieß damals, zahlreiche der angefragten Daten lägen nicht vor. Wie kann NovoRock dann überhaupt davon ausgehen, dass dies der Fall ist?

Weiß: Bei unserem Verfahren ist die CO2-Emission unterm Strich definitiv geringer. Einerseits durch die deutlich kürzeren Transportwege, andererseits aber vor allem über das technische Prinzip unserer geplanten Anlage. Man muss verstehen, dass beim niederländischen Verfahren externe fossile Brennstoffe nötig sind. Das wird bei uns im Regelbetrieb nicht der Fall sein. Zu den Daten: Wir legen vor, was wir haben. Aber nehmen Sie als Beispiel CO2: Das können wir beim Rotterdam-Verfahren nicht aufs Kilo genau berechnen.

 

...also haben Sie aber doch keine Vergleichsbasis, welche die Aussage stützt, dass Ihr Modell tatsächlich in der Gesamtbilanz weniger Kohlenstoffdioxid entstehen lässt, oder?

Weiß: Doch. Auch wenn einzelne Daten fehlen, wissen wir, dass durch die Einsparung des fossilen Brennstoffs sowie den Wegfall weiter Transportwege die CO2-Bilanz auf jeden Fall besser ausfällt. Wenn man das Verfahrensprinzip betrachtet, ist der Unterschied eindeutig.

 

Sie hätten, so wird moniert, die Kriterien der Standort-Wahl bisher nie transparent dargelegt: Warum soll das Pilotprojekt gerade in Kupferzell-Rüblingen realisiert werden?

Weiß: Hier muss ich etwas ausholen: Strategisch sollen in Baden-Württemberg drei solche Anlagen entstehen: im Großraum Heilbronn-Franken, im Regierungsbezirk Tübingen und in der Region Oberrhein. Wir hier in Rüblingen sind sehr nah an zentralen Verkehrsachsen. Wir müssen die Anlage nicht auf der grünen Wiese bauen, greifen also nicht wesentlich in die Natur ein. Und: Wir können das recycelte Material über unser Schotterwerk wieder in den Markt zurückführen. Ohne geht es nicht, darüber sind sich die Fachleute einig. Noch ein wichtiger Satz zum Standort: Die Menschen vor Ort wollen besser verstehen, warum hier ein guter Standort ist. Wir werden deshalb dem Regierungspräsidium die Möglichkeit geben, die Auswirkungen auf den Raum – und damit auch den Standort an sich – ausgiebig und unabhängig zu prüfen.

 

Damit kündigen Sie hier nun Ihr Einverständnis zu einer Forderung an, welche die Kommunen Kupferzell und Braunsbach seit Längerem vehement artikulieren: ein sogenanntes Raumordnungsverfahren...

Weiß: Genau. Wir haben uns dazu aufgrund der geführten Gespräche kurzfristig entschieden. Vor Abgabe der Unterlagen zur Prüfung im Rahmen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes werden wir alle notwendigen Unterlagen für eine solche raumordnerische Verträglichkeitsprüfung inklusive Standort-Kriterien der Raumordnungsbehörde zur Verfügung stellen.

 

Damit gehen Sie neuerlich auf die Kritiker ein, nachdem NovoRock bereits der Durchführung eines Scoping-Termins zugestimmt hatte. Die Gegner sprechen von angenommenen Gesundheitsgefahren. Geben Sie den Menschen Ihr Wort, dass keine gesundheitsgefährdenden Stoffe durch die Anlage freigesetzt werden?

Weiß: Dazu gebe ich nicht nur persönlich mein Wort. Sondern: Da nach den strengen Grenzwerten und Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigt werden wird, ist das definitiv so.

 

Der zur Glättung der Wogen gegründete Arbeitskreis mit Kritikern und kommunalen Vertretern stockt seit Monaten schon. Warum?

Weiß: Unser Angebot zum Dialog besteht weiterhin. Wir haben mit dem Runden Tisch einen guten Prozess begonnen. Für uns sind Fragen und Feedback hilfreich. Wir sollten das fortführen. Derzeit gibt es aber noch keinen konkreten Termin.

 

Ins Wackeln geraten wird durch das Raumordnungsverfahren auch der Zeitplan: Bisher hieß es stets, das Genehmigungsverfahren solle noch 2024 starten. Das wird nun nichts, oder?

Weiß: Dieses Jahr wird das Genehmigungsverfahren nicht mehr beginnen können. Das ist richtig. Wir werden das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens abwarten. 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
Nach oben  Nach oben