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Classic-Computing 2024: Eine der größten Messen für alte PCs ist in Pfedelbach gestartet

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Noch bis Sonntag können Besucher in der Pfedelbacher Nobelgusch – bei freiem Eintritt – an Atari und Co. Spiele spielen und Fachsimpeln. Wer selber einen alten PC daheim hat, kann diesen zum Reparieren mitbringen. Warum ist die größte Messe dieser Art in Pfedelbach?

Fachsimpeln und selber ausprobieren heißt es das ganze Wochenende bei der Classic Computing 2024
Fachsimpeln und selber ausprobieren heißt es das ganze Wochenende bei der Classic Computing 2024  Foto: Draskovits, Katrin

Es brummt und summt in der Pfedelbacher Nobelgusch. Die Halle ist voll mit Computern aus verschiedenen Jahrzehnten, der Großteil davon ist vollfunktionsfähig. Auf den Bildschirmen laufen Spieleklassiker wie "Day of Tentacle" oder "Lemmings". Natürlich in Acht-Bit oder auch mal "modern" in 16-Bit-Grafik. Bereits am Donnerstag haben die 70 Aussteller vom Verein zum Erhalt klassischer Computer ihre rund 140 Geräte aufgebaut.

Sie veranstalten dieses Wochenende die Classic-Computing 2024. Eine der europaweit größten Messen für alte Rechenmaschinen. Am Freitag ist der Tag, an dem sich die Vereinsmitglieder untereinander austauschen können und auch mal Zeit haben, die Rechenmaschinen der Kollegen zu bewundern.  Ab Samstagmorgen darf das dann auch die Öffentlichkeit tun. 


Classic-Computing 2024 in Pfedelbach: Moderne Teile in alten Computern

Ein Gästebuch am Eingang ist bei Veranstaltungen nicht unüblich. Dass es jedoch auf einem 40 Jahre alten PC ist, wohl schon. Direkt hinter dem Eingangsbereich in der Nobelgusch stehen bei der Classic-Computing aber erst Mal durchaus modern aussehende Computer. Kein Wunder, am Stand von Apollo-Computer werden alte Amiga-Rechner leistungsfähiger gemacht. "Wir können neue Prozessoren herstellen, die kompatibel mit den alten PCs sind", erklärt Gunnar von Boehn. Er wird heute von seinem Sohn begleitet, dem 17-jährigen Arne. Schon im Alter von 15 Jahren hat dieser ein Spiel programmiert, das heute von den Besuchern auch gespielt werden kann. Es erinnert an "Space Invaders" aus dem Jahre 1978. 

Zählt es noch als alter Computer, wenn moderne Teile drin sind? "Die einen sagen, es muss alles originalgetreu sein, die anderen wollen mit modernen Maßnahmen das Alte aufpimpen“, erklärt Vereinsmitglied Georg Basse, der am Eingang die Gäste empfängt. „Das ist ein bisschen wie mit Autofans“, sagt er lachend. 

Ab wann ist ein Computer alt?

Neben Basse steht Andreas Beermann. Er ist seit 2010 Mitglied im Verein zum Erhalt alter Computer. "Ich bin selber Mal auf eine Classic-Computing-Messe gegangen, aber eher zufällig", erzählt er von seinen Anfängen. "Bis dahin war es mir fast schon peinlich, dass ich mich immer noch mit alten PCs beschäftige, aber dort war ich nicht alleine und habe mich verstanden gefühlt", sagt er. Inzwischen ist er, wie rund 450 andere, Mitglied im Verein zum Erhalt klassischer Computer geworden. Und die Mitglieder machen genau das, was der Vereinsname sagt: Alte PCs sammeln und - im Optimalfall - funktionsfähig machen. 

Ab wann ein PC jedoch alt ist, sei schwer zu beantworten, sagt Basse. "Es ist ein Klassiker, sobald er für ein Genre steht und der erste seiner Art war", versucht er sich  an einer Definition. "Der erste Ipod zählt zum Beispiel auch dazu." 

Genau diesen hat  Fritz Hohl, der aus Stuttgart angereist ist, an einem Stand aufgebaut. "Ich wollte die Frage stellen, was man heute vielleicht noch günstig bekommt und was später mal viel wert sein kann", erklärt er und zeigt auf die erste Version des Ipods. "Man hört noch richtig die Festplatte", führt er vor. 

Im Westen eher unbekannte alte Geräte hat Cornelius Krejcik mit dabei. Er kommt ursprünglich aus Zwickau, lebt seit 2001  in Heilbronn und hat alte DDR-PCs mit. Robotron heißt die Marke. "Die gerieten nach der Wende in Vergessenheit", erklärt er. Auf seinem PC kann das erste Monkey Island-Spiel gespielt werden. 59.589 Mark kostete der PC im Jahr 1988. "Er war eher für Betriebe gedacht, heute bekommt man den für 350 Euro, wenn er funktionsfähig ist", erklärt Krejcik. "Als ich sie gekauft habe, waren sie alle defekt." 

43.000 D-Mark für einen PC

Ein paar Meter weiter stehen die wohl ältesten PCs des Wochenendes. Die Wang-Geräte von Michael Wegmer. Ihn verbinden viele Emotionen mit diesen Geräten und so hat er gleich mehrere verschiedene Modelle mitgebracht.  Wie die meisten seiner Vereinskollegen hat auch er zu Hause noch viel mehr Computer stehen. "Etwa 50 Stück, also nicht so viele", sagt er und erzählt von einem Kollegen, der eine Scheune für die Geräte gemietet hat.   

Michael Wegmer hat sich auf Wang-Geräte spezialisiert, bereits in seiner Schulzeit in den 1970er Jahren durfte er damit erste Erfahrungen machen.
Michael Wegmer hat sich auf Wang-Geräte spezialisiert, bereits in seiner Schulzeit in den 1970er Jahren durfte er damit erste Erfahrungen machen.  Foto: Draskovits, Katrin

Seine „erste große Liebe“ war jedoch ein Wang-PC aus dem Jahr 1975, den hatte seine Schule damals gekauft, "für 43 000 DM", wie Wegmer erzählt.  „Unser Lehrer hat lange dafür gekämpft – und ganz schön getrickst, damit die Schule ihn anschafft“, erinnert er sich lachend und zeigt auf das Modell, das  voll funktionsfähig auf dem Tisch steht. 

Gemeinnütziger Computer-Verein

Nicht nur über die Technik der Wang-Geräte hat Wegmer einiges zu erzählen, auch über die Geschichte der Firma dahinter.  Und er ist nicht der einzige. Denn die Vereinsmitglieder  nehmen die Geschichte ernst. Seit 2006 gilt der Verein deshalb auch als gemeinnützig, erzählt Vorstandsmitglied Basse. "Es gibt zum Beispiel eine Neuzeitarchäologin, die das Thema der Computer wissenschaftlich aufarbeitet, etwa, in welchem Kontext welcher PC benutzt wurde." Die Entwicklung der Rechenmaschinen würde schnell gehen, "deshalb vergisst man oft, dass das auch schon ein Teil der Geschichte ist", so Basse.

Ein Atari zum Anfassen

Doch an diesem Wochenende kann man nicht nur viel über die Geschichte der PCs erfahren. Denn den Vereinsmitgliedern ist es wichtig, dass ihre PCs keine Museumsstücke sind. „Das ganze hinter einer Vitrine verschwinden zu lassen, hat für die meisten von uns keinen Sinn“, erzählt Beermann. „Das sie funktionieren und man sie benutzen kann, ist das Wichtigste.“ Und so können sich die Besucher an diesem Wochenende Lochkarten stempeln,  Spiele spielen, die fast schon in Vergessenheit geraten sind und sich an Atari, Commodore und Co. ausprobieren. "Es darf alles benutzt werden, einfach um ein Feeling zu bekommen", sagt Beermann. 

Bleibt noch die Frage, warum die größte Messe Deutschlands im eher kleinen Pfedelbach stattfindet? "Wir sind jedes Jahr so anders", erklärt Beermann. Das können Großstädte wie Berlin und Frankfurt sein, aber auch eher ländliche Gegenden. "Meine Eltern kommen aus Hohenlohe und ich habe mich umgeschaut, ob man die Messe hier machen könnte und die Nobelgusch war einfach ideal", erklärt Beermann. 

Übrigens: Wer zu Hause einen eigenen alten Computer hat und ihn nicht zum Laufen bringt, kann ihn zur Messe mitbringen. Denn der Verein bietet auch ein Repair-Café an. 

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