Letzte Kämpfe im zerstörten Heilbronn: Erinnerungen an das Kriegsende 1945
Vor 80 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. In Heilbronn tobte ein harter Häuserkampf. Die Chronologie liest sich wie das Drehbuch zu einem Krimi.
„Auf dem europäischen Kampfplatz fallen die letzten Schüsse des bisher furchtbarsten Krieges der Weltgeschichte. Ab 2.41 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit schweigen die Waffen. Der Zweite Weltkrieg ist damit für Deutschland de facto zu Ende.“ So ist unter dem Datum 8. Mai 1945 in der offiziellen „Chronik der Stadt Heilbronn“ zu lesen.
Auch wenn viele dieser nahezu täglichen Notizen dürr sind, geben sie doch eine Ahnung von damals – und sie erinnern fatal an aktuelle Bilder aus der Ukraine, aus Gaza, aus Syrien. Die Heilbronner Stimme gibt die Einträge des Chronisten über den „Endkampf“ in der Ruinenstadt Heilbronn stark gekürzt und redigiert wieder. Sie lesen sich wie das Drehbuch zu einem Kriminalfilm.
Ende Zweiter Weltkrieg: Viele Todesopfer beim Bombenangriff und beim letzten Kampf um Heilbronn
Die Heilbronner Altstadt liegt seit dem Bombenangriff vom 4. Dezember 1944, bei dem 6500 Menschen sterben, in Schutt und Asche. Von 14.500 Gebäuden im Stadtgebiet sind 5100 vollständig zerstört. In der Kernstadt halten sich im April nur noch 7000 Menschen auf. Die Geisterstadt wird weiter bombardiert.
Von 3. bis 13 . April 1945 tobt über Ostern ein erbitterter „Endkampf“. 212 deutsche Soldaten, 60 amerikanische und 64 Zivilisten sterben.
Die Chronologie der letzten Kriegstage 1945 in Heilbronn
- 3. April: Alle Neckarübergänge werden von den Nazis gesprengt. Die US-Army besetzt Böckingen und Neckargartach kampflos.
- 4. April: Die letzten deutschen Soldaten setzen ans innerstädtische Ufer des Altneckars über. Die Army stößt zur Bahnhofstraße vor und setzt mit 14 Sturmbooten in Neckargartach ins Industriegebiet über.
- 6. April: Amerikaner überqueren am Götzenturm den Altneckar. Der Kampf um die Kernstadt beginnt. NSDAP-Kreisleiter Drauz lässt auf der Flucht an der Schweinsbergstraße vier Bürger erschießen, weil sie weiße Fahnen hissten, darunter OB-Stellvertreter Karl Kübler.
- 7. April: Die Südstadt mit Cluss, Knorr und anderen Firmen ist besetzt. Die Gegenwehr lässt nach.
Letzte Kämpfe im zerstörten Heilbronn: Erinnerungen an das Kriegsende 1945
- 8. April: US-Panzer donnern über die Kaiserstraße. Auf dem Kiliansturm lauern kanadische Scharfschützen.
- 10. April: Die Army hat drei Viertel der Innenstadt in ihrer Hand.
- 12. April: Die Army erobert die Kasernen der Fleiner Höhe. Letzte deutsche Spezialtrupps verlassen die Stadt. US-Major Montgomery ergreift offiziell Besitz von der Stadt.
- 13. April: Sontheim wird eingenommen, Panzer erreichen die Oststadt. Bewohnbare Häuser werden von der Army in Beschlag genommen. Um 17 Uhr wird Vorkriegs-OB Emil Beutinger als OB eingesetzt. Provisorisches Rathaus wird ein Privathaus in der heutigen Cäcilienstraße. An dem Gebäude wehen Flaggen der USA, Englands und Frankreichs, also der Befreier.
- 14. April: Beutinger fordert zur Abgabe von Waffen, Radios, Brieftauben auf. Erste Brotausgaben. Der Betrieb im Wasserkraftwerk Horkheim wird aufgenommen.
Heilbronn im April 1945: Chronik dokumentiert erbitterten „Endkampf“
- 15. April: Beutinger lässt Leichen von Soldaten bergen, exhumieren und auf dem Friedhof beisetzen.
- 16. April: Die Militärregierung fordert zur Wahrung von Ruhe und Anstand auf und setzt die Ausgehzeiten auf 7 bis 9 und 15 bis 17 Uhr fest. Alle männlichen Einwohner von 15 bis 70 Jahren werden zum Arbeitseinsatz aufgerufen.
- 17. April: Letzte Kanonenschüsse von Heilbronn aus nach Süden.
- 18. April: Lebensmittelmarken gelten wieder. Wer die Sperrzeiten nicht einhält, wird hart bestraft, auch Diebstähle werden hart geahndet bis hin zur Todesstrafe.
- 23. April: Teile der Stromversorgung funktionieren wieder.
- 26. April: 25 Straßen werden umbenannt, darunter die Adolf-Hitler-Straße. Auf dem VfR-Platz und der Viehweide wird ein provisorisches Lager für 50.000 deutsche Kriegsgefangene errichtet, das im Mai auf die Böckinger Trappenhöhe verlegt wird.
Letzte Kriegstage in Heilbronn: Warnung vor ungekochtem Wasser
- 27. April: 19 Bäckereien sind wieder in Betrieb. Als erste Zeitung erscheint die von den Amerikanern kostenlos verteilten „Die Mitteilungen“, das Münchner Blatt berichtet auch übers Kriegsgeschehen.
- 28. April: Erster Gottesdienst im Krematorium mit Stadtpfarrer Jäger, der seiner Predigt die Sentenz „Nicht verzweifeln an Gott und Vaterland“ zugrunde legt.
- 1. Mai: Neugründung des Gewerkschaftsbunds, über den etliche Branchen zum Wiederaufbau in Gang gebracht werden sollen . „Räubereien“ nehmen zu. Viele Displaced Persons kampieren in den Weinberghäuschen.
- 4. Mai: Eine Neckar-Pontonbrücke wird für den zivilen Fahrzeugverkehr freigegeben. Nachmittags brennt in der Wollhausstraße erstmals wieder elektrisches Licht.
- 7. Mai: Eine Bekanntmachung warnt vor dem Trinken ungekochten Wassers. Die Bahnstrecke Heilbronn- Öhringen geht in Betrieb.
- 8. Mai: Offizielles Kriegsende.