Volkstrauertag im Raum Heilbronn: Warum das Gedenken 2025 aktueller denn je ist
Der Volkstrauertag ist aktuell wie lange nicht mehr: Auch Städte und Gemeinden im Stadt- und Landkreis Heilbronn begehen ihn am Sonntag, 16. November. Kirchengemeinden laden mancherorts zu Friedensgottesdiensten ein. Redner erinnern daran, dass die Opfer von Kriegen und Gewalt nicht vergessen werden dürfen.
Vor vier Jahren hätte man ihn für einen Gedenktag gehalten, der an Geschichte erinnert, betont Diane Tempel-Bornett, Sprecherin des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge: „Doch seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 ist es der vierte Volkstrauertag, an dem wir nicht nur den Toten der vergangenen, sondern auch der gegenwärtigen Kriege gedenken.“ Tempel-Bornett ist nicht die einzige, die die Aktualität des Volkstrauertags herausstreicht.
Ursprung des Volkstrauertags liegt in der Trauer um gefallene Soldaten des Ersten Weltkriegs
Ins Leben gerufen wurde er als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg am 5. März 1922: Heute wird er als einer der wenigen staatlichen Feiertage im November begangen. Er steht in der Reihe der stillen Feier- und Gedenktage – Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag. Eingeführt hat den Volkstrauertag der 1919 gegründete Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als nichtstaatliche, humanitäre Organisation.

„Nach dem Ersten Weltkrieg wollten Angehörige wissen, wo ihre Männer und Söhne, ihre Brüder und Väter geblieben sind“, so Tempel-Bornett: „Zumindest wollten sie Gewissheit haben, wo die Gräber lagen, um einen Platz zum Trauern zu finden.“ Bereits im November 1921 wollte der Volksbund einen nationalen Gedenktag etablieren, der losgelöst ist von den kirchlichen Gedenktagen im November. Er sollte den Aufbruch in eine neue Zeit symbolisieren.
Forderung: Volkstrauertag darf nicht in den Geschichtsbüchern verschwinden
Doch heute, sagt Diane Tempel-Bornett, ist nicht nur das Gedenken erschreckend aktuell. Es brauche auch ein Zeichen der Solidarität mit denen, denen Leid widerfahren ist oder aktuell widerfährt. „Der Volkstrauertag“, sagt sie, „ist kein Tag, der in den Geschichtsbüchern verschwinden darf.“
Die Formen des Gedenkens veränderten sich im Laufe der Zeit. Anfangs nahm es ausschließlich die gefallenen Weltkriegssoldaten in den Blick, heute wird an dieser Stelle aller Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Für den Bad Wimpfener Bürgermeister Andreas Zaffran ist das ein ganz zentraler Gedanke. Er spricht am Sonntag, 16. November, drei Mal: ab 9 Uhr im Teilort Hohenstadt, ab 10 Uhr an der Cornelienkirche in Bad Wimpfen im Tal und ab 11.30 in Bad Wimpfen am Berg an dem Kriegerdenkmal auf dem Alten Friedhof.
Bürgermeister Andreas Zaffran nimmt in Bad Wimpfen Antisemitismus in den Blick
Zaffran nimmt in diesem Jahr das Thema Antisemitismus in den Blick. Es gehe bei diesem Gedenken ja nicht nur um die Opfer von Kriegen, sondern auch um die Opfer von Vertreibung, Flucht oder Vernichtung. „Dass sich in manchen Städten Juden nicht mehr auf die Straße trauen, erinnert mich an dunkelste Zeiten“, sagt er.
Seine Zeit bei der Bundeswehr, Zaffran war Offizier und ist nun Hauptmann der Reserve, habe bei ihm das Bewusstsein für die Verantwortung, die daraus erwächst, geschärft. „Dafür, dass wir nicht vergessen dürfen.“ Denn Krieg sei noch nie eine Lösung gewesen. Um auch jüngeren Generationen zu diesem Bewusstsein zu verhelfen, sind in die Gedenkfeiern in Bad Wimpfen Schülerinnen und Schüler mit einbezogen. In Hohenstadt und am Berg lesen sie Zeitzeugenberichte oder eigene Geschichten vor.
Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel legt am Hafenmarkt Kranz nieder
„In Deutschland und den meisten Ländern Europas haben wir das große Glück, seit acht Jahrzehnten in Frieden zu leben. Aber wir sehen: Frieden ist fragil“, sagt der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel. Deshalb und auch angesichts der Gewalt in der Welt, habe der Volkstrauertag nichts an Aktualität verloren. In Heilbronn wird am Sonntag ab 11 Uhr am Ehrenmal im Hafenmarktturm gedacht. Die Ansprache hält Konrad Pflug, Vorstandsmitglied im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Bezirksverband Nordwürttemberg.
Wie das Gedenken zur Reichspogromnacht am 9. November, zur Zerstörung Heilbronns am 4. Dezember und zur Auflösung des Konzentrationslagers in Neckargartach am 1. April habe der Volkstrauertag einen festen Platz in der Heilbronner Erinnerungskultur, so Mergel weiter. Frieden ist für ihn das höchste Gut: Das Erinnern mahne und lehre uns das. Die Musikvereinigung Böckingen und der Männergesangverein Urbanus begleiten die Feier am Hafenmarkt. Der jüdische Friedhof „Im Breitenloch“ ist zum Volkstrauertag von 14 bis 16 Uhr geöffnet.
Termine für Gedenkfeiern zum Volkstrauertag finden sich in den örtlichen Medien
Eppingen, Neckarsulm, Brackenheim, Bretzfeld, Künzelsau oder Öhringen: In fast allen Ortschaften wird am Sonntag kurz innegehalten. Die Termine für die lokalen Feiern stehen in den Mitteilungsblättern oder im Internet. „Der Volkstrauertag ist jetzt vielleicht wichtiger als noch vor ein paar Jahren“, meint auch Klaus Unfried vom VdK-Ortsverband Weinberg und betont: „Wir wollen keinen Krieg, sondern Frieden und Demokratie.“ Mit dem Gedenken an die Verstorbenen gelte es daher, in der Öffentlichkeit präsent zu sein.

Zusammen mit der Weinsberger Bürgermeisterin Birgit Hannemann lege der VdK-Ortsverband am Ehrenhain einen Kranz nieder, sagt Unfried. Peter Kungl spricht, und nimmt in seiner Rede auch Bezug zu aktuellen Kriegen. Die evangelische und katholische Kirchengemeinde, Stadt und VdK gestalten ab 10 Uhr gemeinsam einen Friedensgottesdienst in der Aussegnungshalle auf dem Friedhof. Mit dabei ist auch die Stadtkapelle.
In Bad Rappenau werden zum Volkstrauertag Gedenkfeiern in allen Ortsteilen abgehalten, mit Ausnahme vom katholischen Grombach, wo das Gedenken schon an Allerheiligen stattfand.
Zahl der Teilnehmer an den Gedenkfeiern zum Volkstrauertag sinkt
Oberbürgermeister Sebastian Frei spricht ab 11.45 Uhr am Ehrenmal in der Kernstadt. „Wir haben schon öfter darüber nachgedacht, jedes Jahr eine zentrale Veranstaltung zu machen und durch zu wechseln“, sagt Sprecherin Eva Goldfuß-Siedl. Doch dieser Gedanke habe sich bisher noch nicht durchgesetzt, wenngleich die Zahl derer, die an den Gedenkfeiern teilnehmen, jährlich sinke.
Die Erinnerung an das Leid, das allein die beiden Weltkriege verursacht haben, hält Goldfuß-Siedl für sehr wichtig, „Vor ein paar Jahren“, meint sie, „hätte ich vielleicht noch gesagt, es ist langsam vergangen. Aber inzwischen muss man sagen, dass der Volkstrauertag leider an Aktualität wieder gewonnen hat.“

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