Tourismus trifft Künstliche Intelligenz: Heilbronn will zur „KI-Lernstadt“ werden
Wie werden sich Reisen und Tourismus in Zukunft verändern und wo steht die Region? Ein Experte erklärt, warum es keinen besseren Ort für die Kombination aus Tourismus und Künstlicher Intelligenz gibt als Heilbronn.
Emma wohnt eigentlich in Berlin, ist aber permanent in ganz Deutschland unterwegs. Und immer nur an schönen Orten. Sie steht auf den berühmten Kreidefelsen auf Rügen, geht in der Pfalz und Bayern klettern und besichtigt das malerische Kleinstädtchen Quedlinburg in Sachsen-Anhalt.
Ihre Reisen teilt sie auf ihrem Instagram-Account „Emmatravelsgermany“ mit ihren knapp 22.000 Followern. Optisch ist die junge Frau die perfekte Influencerin, schön, absolut makellos und immer perfekt gekleidet. Das Besondere an Emma ist aber vor allem eines: Sie ist eine KI-Influencerin und fiktiv. Die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) hat Emma als Teil ihrer Digitalstrategie im Herbst 2024 ins Leben gerufen.
KI im Tourismus: Schon in der Region im Einsatz?
Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert nahezu jeden Lebensbereich und auch im Tourismus spielt KI eine immer wichtigere Rolle, so auch im Raum Heilbronn und Hohenlohe. „Heilbronn als KI- und Wissensstadt hat die Notwendigkeit und Wichtigkeit des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz sehr frühzeitig erkannt“, sagt Steffen Schoch, Geschäftsführer der Heilbronn Marketing GmbH (HMG). So stehe man in Heilbronn einerseits noch ganz am Anfang, andererseits auch schon „mittendrin in der Beobachtung im Markt“.
Auch in der Tourismusregion Hohenlohe und Schwäbisch Hall spiele KI zwar eine immer wichtigere Rolle, im Vergleich zu anderen Regionen liege man aber „solide im Mittelfeld“. Bei der HMG kommt KI schon heute zum Einsatz. „Bei der täglichen Arbeit zur Texterstellung von Marketinganzeigen und Produkten, für die Ausarbeitung von Angeboten und auch für die Übersetzung deutscher Texte in andere Sprachen“, erklärt Schoch.
KI helfe Tourismusschaffenden, Gäste individueller anzusprechen und datenbasierte Entscheidungen zu treffen, personalisierte Empfehlungen, beispielsweise für Urlaubsaktivitäten, zu geben und so den Service zu verbessern.

In der Tourismusbranche tut sich viel – nur noch nicht immer sichtbar für den Kunden
Häufig hat man als Konsument aber noch den Eindruck, in der Tourismusbranche tut sich innovationsmäßig wenig bis gar nichts. Dafür hat Professor Stephan Bingemer, Zukunfts- und Tourismusforscher an der Hochschule Heilbronn, eine Erklärung: „Wir merken wenig von der Technologie. Aber im Hintergrund ist sie omnipräsent. Man kann sagen, es gibt keinen modernen Tourismus ohne Technologie.“
KI werde erst einmal dort eingesetzt, wo es keinen direkten Kundenkontakt gibt, weil man als Anbieter natürlich auch vermeiden wolle, dass etwas im Kundenkontakt schief gehe. Es tut sich viel im Bereich Tourismus und KI, nur werde es in der Kundeninteraktion bisher vorsichtig eingesetzt.
Zukunftsvision eines Experten: KI könnte „Systembrüche“ bei Reisen auflösen
Für Stephan Bingemer ist eine der großen Zukunftsvisionen, dass KI im Tourismus sogenannte „Systembrüche“ auflösen kann. Mit Systembrüchen ist folgendes gemeint: Wenn man auf einer Reise einen Flug bucht, eine Unterkunft und einen Mietwagen, dann muss man, wenn beispielsweise der Flug ausfällt, die ganze Kette einzeln abändern. Die Unterkunft muss informiert, der Mietwagen umgebucht werden. „In einer vernetzten Welt verschieben Sie das erste Element und alles andere passiert automatisch im Hintergrund“, erklärt Bingemer.
Das folge dem Konzept von „Seamless Travel“ (Sorgloses Reisen). „Das Ziel ist, durchgängige Reiseerlebnisse zu schaffen, bei denen der Kunde sich damit befassen kann, wie er seinen Urlaub genießen möchte und nicht mit organisatorischen Aufgaben beschäftigt ist.“
Ein großes Thema für den Experten: der moralische Aspekt. „Wir wollen KI nicht einfach als Werkzeugkoffer begreifen. Man will natürlich, dass wir Menschen noch menschlich behandeln.“ Deshalb sei es wichtig immer zu überlegen, wo genau man KI einsetzen wolle und wo man noch „wie viel Mensch“ wolle. Das Potenzial von KI ist riesig, daran zweifelt auch Bingemer nicht. Was es aber nicht kann, ist den Mensch in seinem menschlichen Sein zu ersetzen.
So soll KI kurzfristig in Hohenlohe zum Einsatz kommen
In Hohenlohe soll KI kurzfristig insbesondere bei der Optimierung bestehender Prozesse helfen. Texte für Marketing und Informationsangebote sollen effizienter, konsistenter und mehrsprachig mithilfe von KI erstellt werden. „Langfristig soll KI stärker in Gästeinteraktion und Angebotsgestaltung integriert werden.
„Dazu gehören Chatbots für individuelle Empfehlungen, personalisierte Tourenvorschläge auf Basis von Interessen und Aufenthaltsdauer sowie die automatisierte Verbreitung von Inhalten über verschiedene Kanäle“, sagt David Schneider, Geschäftsführer des Vereins Hohenlohe und Schwäbisch Hall Tourismus.
Dafür wird ein eigens für die Gesamtregion „Im Süden ganz oben“ angepasstes KI-System zur effizienten Texterstellung, das auf das Open-Data-System „mein.toubiz“ zugreift, genutzt. „Mein.toubiz“ ist die zentrale Plattform für touristische Inhalte in Baden-Württemberg.
Zukunftsforscher der Hochschule Heilbronn: „Heilbronn soll KI-Lernstadt werden“
Die Pläne aus Hohenlohe und der HMG klingen nicht schlecht, die große Vision ist darin aber noch nicht erkennbar. Stephan Bingemer hat sie allerdings klar vor Augen: „Es gibt kaum eine Stadt, die so ideal zwei Ressourcen zusammenbringt.“ Man habe an der Hochschule über 50 Jahre Erfahrung mit dem Studiengang Tourismusmanagement, so viel wie sonst keine Hochschule in Deutschland. Und mit dem Ökosystem rund um den Innovationspark für Künstliche Intelligenz (Ipai), die Programmierschule 42 und den Bildungscampus will Heilbronn zum KI-Hotspot werden.
KI ist also mehr als nur ein nutzbares Tool beim Reisen, sondern es geht auch darum „wie wir Tourismus, den städtischen Raum und künstliche Intelligenz zu einem Erlebnis vernetzen können.“ Geht es nach Bingemer, soll Heilbronn zu einer „KI-Lernstadt“ werden. „Damit die Menschen verstehen und lernen, wie uns diese Technologien beeinflussen werden. Ich hätte das gerne in Heilbronn, bevor ich es woanders habe. Damit wir sicherstellen können, dass nicht nur eine technologische, sondern auch eine ethisch verantwortungsvolle Ausgestaltung dieses wichtigen Themas erfolgt.“