Wie eine angekokelte Bibel zur Familienreliquie wurde
Das Buch ist alles, was von der alten Buchhandlung Determann an der Allee nach dem 4. Dezember 1944 übrig geblieben ist. Eine Geschichte über Dankbarkeit für mehr als 70 Jahre Frieden.

Das Andenken an die ursprüngliche Buchhandlung Determann seiner Eltern hält Siegfried Determann bis heute in Ehren. Es ist eine "ringsum angekokelte" Bibel, wie der 77-Jährige beschreibt. "Mein Vater hat sie kurz nach dem Bombenangriff aus den Trümmern geholt." Es sei, so habe der Vater immer erzählt, das Letzte und einzige gewesen, was vom gesamten Bücherbestand geblieben war.
Träume mit Bildern der Zerstörung
Die Buchhandlung befand sich damals im Gebäude Ecke Allee/Kilianstraße, wo zuletzt bis 2012 das Schuhhaus Siller zu finden war. An den Bombenangriff selbst kann sich Determann, der zu der Zeit zweieinhalb Jahre alt war, nicht erinnern.
Woher die Bilder von den sogenannten Christbäumen - der Leuchtmunition - und der Zerstörung auch stammten - "sie haben mich noch lange Zeit in meinen Träumen verfolgt", sagt Determann, der die Buchhandlung gemeinsam mit seiner Frau Sybille Mack-Determann bis 2007 an der Kirchbrunnenstraße weiterführte.
Alle Zeitzeugenberichte über den 4. Dezember gibt es hier im Überblick.
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Allein mit den Kindern und einem Trümmerberg
Die Zeit nach dem Krieg war nicht einfach. Der Vater Franz Determann war in Russland im Einsatz und hatte nach der Zerstörung des Hauses nur kurz Heimaturlaub bekommen, während dem er auch die Bibel fand.
Anschließend musste er wieder zurück, geriet später in Kriegsgefangenschaft. "Meine Mutter war mit zwei Kindern allein, auch das Wohnhaus war zerstört, und sie war weiterhin mit Forderungen von Lieferanten konfrontiert." Forderungen, zu denen jegliche Unterlagen fehlten und deren Gegenwert in Schutt und Asche lag.
Das einzige Glück war nur, dass in der Familie kein Todesopfer zu beklagen war. "Und dass wir in der amerikanischen Besatzungszone waren, wo es für Familien mit kleinen Kindern immerhin Milch gab - anders als in der sowjetischen Zone", so Determann.

Gegen das Vergessen
Die Bibel, aufbewahrt in einem kleinen Kästchen "ähnlich einer Schmuckschatulle", wurde zu einer "Familienreliquie" gegen das Vergessen, erzählt Determann. Bei Familienfesten mit seinen Geschwistern wurde sie oft herausgeholt.
Doch so langsam verblasse die Erinnerung, sagt der ehemalige FDP-Stadtrat. "Es ist ja nicht mehr so wie in den 50er und 60er Jahren, dass am 4. Dezember abends die ganze Stadt dunkel ist." Das sei ganz natürlich. Leider würden die Leute aber teilweise vergessen, was für ein Glück es ist, dass Deutschland seit mehr als 70 Jahren selbst nicht mehr von einem Krieg betroffen war. "Da darf man einfach nur dankbar sein."
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