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Was Heilbronn von der Ansiedlung der Ecole 42 erwarten kann

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Der Dieter-Schwarz-Stiftung ist mit der geplanten Ansiedlung der Ecole 42 ein Coup gelungen. In der außergewöhnlichen Programmierschule Ecole 42 wird die digitale Elite ausgebildet.

Mit einem Handschlag zwischen Stiftungsgeschäftsführer Reinhold Geilsdörfer und Olivier Ducourant, Direktor Internationale Entwicklung der Schule 42, wurde der Vertrag in Paris besiegelt. Die Spezialisten, die die Programmierschule nach wenigen Jahren verlassen, sind Teil einer digitalen Elite: Softwarearchitekten, App-Entwickler und Visionäre, die in den Zukunftstechnologien den entscheidenden Unterschied machen können.

Es liegt wohl an diesen hohen Erwartungen, dass die Schule umgeben ist von einer Aura des Mysteriösen. Und ein paar letzte Geheimnisse muss sie sich wohl erhalten. Wer sich im Internet über die Programmierschule mit dem merkwürdigen Namen 42 informieren möchte, tut sich überraschend schwer.

Ein hippes Umfeld gehört dazu

Einiges ist allerdings bekannt. Zum Beispiel, dass es keine Frauenquote gibt. 90 Prozent der Studierenden seien männlich, berichtet eine Reporterin des Deutschlandfunks. Wer die harte Aufnahmeprüfung schafft, auf den warten zwar traumhafte Lernbedingungen mit den modernsten Computern und hippen Freizeitbeschäftigungen - vom Tischkicker bis zum Jacuzzi-Whirlpool.

Allerdings gibt so mancher Schüler auch bald wieder auf. Denn statt Unterricht gibt es Aufgaben, Projekte, Probleme, die am Ende jeder für sich lösen muss, und zwar ohne Lehrer. Nicht jeder kommt damit zurecht.

Kein staatlich anerkanntes Diplom

Dass dafür kein staatlich anerkanntes Diplom winkt, interessiert allerdings schon jetzt niemanden mehr. 97 Prozent der Schüler in Frankreich haben schon vor ihrem Abschluss einen Job. Fast jeder Dritte Schüler gründet ein Start-up. Deshalb geht die Idee des Franzosen Xavier Niel um die Welt. Um einen Platz an der Pariser Schule, die 2013 gegründet wurde, bemühen sich jedes Jahr viele zehntausend Bewerber. Platz ist für 3500.

Selbst im Silicon Valley schaut man sich hier etwas ab

In Paris investierte Niel 70 Millionen Euro, um "die Bill Gates von morgen auszubilden", wie es damals hieß. Inzwischen hat die Schule Ableger in 14 Ländern, nun bald auch in Deutschland, in Heilbronn. Überall ist damit die Hoffnung verbunden, eine Aufbruchsstimmung wie im Silicon Valley zu ermöglichen. Dass das funktioniert zeigt sich allein darin, dass ausgerechnet im Silicon Valley zuletzt die größte Filiale der Ecole 42 eröffnet hat.

Für Heilbronn gibt es eine Art Schutzradius

Es ist eine Art Franchise-System. Die Standards und die Methoden werden von Paris vorgegeben, vor Ort wird es umgesetzt, in der Regel unterstützt von lokalen Geldgebern - in Heilbronn ist es die Dieter-Schwarz-Stiftung. Wichtig für die Stiftung ist: Sie kann darauf vertrauen, dass nicht im nächsten Jahr eine weitere Außenstelle der Pariser Schule in Karlsruhe oder Stuttgart aufmacht. Die Exklusivität wird räumlich abgesichert.

Reinhold Geilsdörfer beschreibt die Schule als "anders, innovativ, revolutionär". Genau diese Eigenschaften fänden sich "in der DNA von 42 in Heilbronn, deren besonderes Schulkonzept Heilbronn und die Region bereichern wird".


Kommentar von Christian Gleichauf: "Die Antwort"

Im Science-Fiction-Roman "Per Anhalter durch die Galaxis" ist 42 die Antwort auf so gut wie alles und gleichzeitig doch auf nichts. Denn die Frage war ebenso unklar wie die Bedeutung dieser Zahl 42, die der Supercomputer nach 7,5 Millionen Jahren Berechnung ausspuckte. Die Ecole 42, deren Name an diese irrwitzige Vorstellung künstlicher Intelligenz erinnert, ist dagegen eine ganz konkrete Antwort auf eine sehr einfache Frage. Sie lautet: Wie machen wir uns fit für dieses 21. Jahrhundert?

Von den Schülern, die in Heilbronn die Ecole 42 besuchen, werden sicher nur wenige in der Region bleiben. Wenn sie von überall her kommen, werden viele anschließend auch wieder schnell weg sein. Doch mit der Schule wächst das Umfeld. Die Kreativität wird sich nicht einschließen lassen, sie wird überschwappen in die Start-ups, in IT-Projekte an den Hochschulen und der Technischen Uni auf dem Bildungscampus. Wie ein Bienenstock könnte diese Programmierschule das gesamte Ökosystem der künstlichen Intelligenz befruchten.

Das alles ist zwar keine gesicherte Prognose, aber eine gut begründete Hoffnung. Und die Kehrseite der Medaille? Vermutlich fürchten jetzt manche, dass die Mieten in Heilbronn - wie mit jeder Ansiedlung - noch stärker steigen. Doch das ist viel zu kurz gedacht. Wer in Köpfe investiert, kann eine ganz andere Rendite erwarten als bei Geldanlagen in Betongold. Von dieser Investition profitieren am Ende alle.

 

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Kommentare

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Peter Henschel am 06.02.2020 14:19 Uhr

Gleichauf meint: "Das alles ist zwar keine gesicherte Prognose, aber eine gut begründete Hoffnung. Und die Kehrseite der Medaille? Vermutlich fürchten jetzt manche, dass die Mieten in Heilbronn - wie mit jeder Ansiedlung - noch stärker steigen. Doch das ist viel zu kurz gedacht. Wer in Köpfe investiert, kann eine ganz andere Rendite erwarten als bei Geldanlagen in Betongold. Von dieser Investition profitieren am Ende alle." Was glaubt man wer dann die weiter steigenden Mieten bezahlen kann bzw. wer hier dann wirklich profitiert und wer noch mehr in Bedrängnis gebracht wird? Wohl nicht wirklich ganz zu Ende gedacht/kommentiert.

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