THW-Helfer hält Vorratshaltung für sinnvoll
Daniel Edinger aus Kirchardt leitet den THW-Ortsverband Heilbronn. Im Interview erzählt er, wie er mit Krisen wie Corona, Krieg oder Klima umgeht.

Ruhig, konzentriert, überlegt - Daniel Edinger gehört sicher nicht zu den lautesten Zeitgenossen, die sich sofort wortreich in den Vordergrund spielen. Er macht lieber, als zu viele Worte zu verlieren. Etwas tun, Initiative ergreifen, das liegt ihm - auch und vor allem in Krisensituationen. Der stellvertretende Ortsbeauftragte des Technischen Hilfswerk (THW) Heilbronn spricht über belastende Erlebnisse und er erzählt, wie er mit drohendem Unheil umgeht.
Corona, Krieg, Klima - das Leben kann einem manchmal aufs Gemüt schlagen. Wie sehr belasten Sie die kritischen Lagen?
Daniel Edinger: Dass sie mich belasten, würde ich so nicht sagen. Wir vom Technischen Hilfswerk sind sehr gut ausgebildet und auf genau solche Lagen geschult. Ich denke, dass manches durch die Medien übertrieben wird. Das THW ist ja eine Behörde des Bundesinnenministeriums mit ehrenamtlichen Helfern. Aus Bonn erfahre ich direkt, was Stand der Dinge ist. Und nach dem gehe ich hauptsächlich.
Das heißt, Sie halten sich von den Nachrichten, die aus allen Kanälen ständig auf uns niederprasseln, eher fern?
Edinger: Ja. Wir bereiten uns natürlich vor. Wenn wir eine Meldung bekommen, da könnte etwas kommen, bereitet euch dementsprechend vor, machen wir das.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Edinger: Wir haben beispielsweise den Hinweis bekommen, unsere Kraftstoffe aufzufüllen; alle dafür vorgesehenen Behälter im Lager, Kanister zum Beispiel, zu befüllen. Falls es einen Engpass geben sollte, wären wir erst einmal ausgestattet. Oder Lebensmittel. Wir haben haltbare Lebensmittel, damit sich die Helfer unseres Ortsverbands zwei Tage autark selbst versorgen können, wenn es zum Beispiel zu einem Stromausfall käme und keine Supermarktkasse mehr funktionieren würde.
Was haben Sie so alles gebunkert?
Edinger: Wir haben vieles eingefroren, Nudeln, Konserven.
Empfehlen Sie das Otto Normalverbraucher?
Edinger: Natürlich ist eine Vorratshaltung für einige Tage sinnvoll. Man weiß einfach nie, was kommt. Lebensmittel, die lange haltbar sind, sollte jeder ein paar zu Hause haben. Das heißt nicht, dass man Tausende Rollen Klopapier horten soll (lacht).
Beruhigt das tatsächlich?
Edinger: Ich finde, es schadet nichts zu sagen, ich packe eine kleine Kiste mit Lebensmitteln. Bevor das Verfallsdatum abläuft, kann man sie verwerten und die Kiste mit neuen auffüllen. Viele machen das auch so.
Wie würden Sie sich beschreiben?
Edinger: Ich bin ein ruhiger und gelassener Mensch. Das ist ein Vorteil. Ich gehe lieber überlegt und mit Fachwissen an eine Sache heran, auch als Leiter des THW. Ich rede nicht zu viel, lasse mich nicht aus der Ruhe bringen, bin mehr der Macher. Das ist auch bei einem Einsatz ganz wichtig, dass man nicht sofort losrennt, sondern überlegt vorgeht.
Sie sind doch aber für den Bevölkerungsschutz im Einsatz.
Edinger: Man muss sich klarmachen, dass wir anders als zum Beispiel die Feuerwehr keine schnelle Eingreiftruppe sind. Bis wir bei einer Alarmierung rausfahren, vergehen eine halbe bis zwei Stunden. Wir müssen genau überlegen, wofür wir gebraucht werden und was wir dazu benötigen. Wir sind für lang dauernde Einsätze über Tage und Wochen ausgebildet.
Wie sind Sie eigentlich zum THW gekommen?
Edinger: Bei mir gab die Sturzflut in Braunsbach im Jahr 2016 den Ausschlag. Als ich die Bilder gesehen habe, sagte ich, jetzt tue ich was. Nach der Flut im Ahrtal haben sich bei uns übrigens auch deutlich mehr Menschen gemeldet. Wir hätten doppelt so viele Auszubildende aufnehmen können als sonst. Sie wollen nicht eine Schaufel in die Hand nehmen, losrennen und sagen, hier bin ich, sondern gezielt vorgehen.
So waren Sie auch im Krisengebiet Ahrtal unterwegs.
Edinger: Ich war drei Wochen dort. Unser THW hatte ein Logistikzentrum in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Hauptsächlich bin ich Radlader gefahren, habe Lkw auf- und abgeladen. Wenn mal nichts zu tun war, habe ich die Schaufel vorne an den Radlader gemacht, bin in die Innenstadt gefahren und habe den Menschen geholfen. In so einer Lage muss man selbst die Initiative ergreifen und nicht einfach sagen, ich habe gerade keinen Einsatz.
Was bleibt von den drei Wochen in Erinnerung?
Edinger: Im Ahrtal ist sehr viel Leid. Menschen sind gestorben. Wenn man das mit eigenen Augen sieht, die zusammengefallenen Gebäude, dann ist das schon etwas anderes. Wenn man die Geschichte hört, wie jemand ums Leben kam, dann nimmt das einen mit. Ich war neulich wieder dort und habe Hilfsgüter hingebracht. Die Menschen leiden immer noch, es wird nur kaum mehr darüber berichtet. Es wird bestimmt noch Jahre dauern, bis die Menschen wieder normal leben können.
Schaffen Sie es immer, solche Bilder und Erlebnisse zu verarbeiten?
Edinger: (überlegt) Schon. Es bleibt in Erinnerung, aber ich schlafe trotzdem gut. Wir haben beim THW ein Nachsorgeteam, mit dem Helfer nach solchen Einsätzen sprechen können, wenn sie etwas bedrückt oder sie Sorgen haben.
Wann kommen die Erinnerungen hoch?
Edinger: Wenn es zum Beispiel heißt: Unwetter.
Und das heißt es inzwischen doch oft. Wer die Nina-Warnapp auf dem Handy hat, erhält bei jedem Gewitter eine Unwetter-Warnung vor Starkregen oder Hochwasser.
Edinger: Die Warnung kommt häufig, aber eigentlich passiert oft dann gar nicht so viel. Seit der Flut im Ahrtal wird schneller gewarnt.
Denken Sie, dass es heute mehr solcher Krisensituationen gibt als früher?
Edinger: Nein, ich denke, früher gab es sicher mehr Krisen. Unwetter gab es auch schon immer, der Einzelne erlebt es halt nicht so häufig.
Haben wir uns auf solche nicht alltäglichen Lagen gut eingestellt?
Edinger: Ich denke, viele Menschen sind nicht gut auf Krisensituationen vorbereitet. Die sagen sich: Was soll schon passieren? Wir vom THW sind dagegen immer auf sie eingestellt, deshalb stehen wir aber nicht ständig unter Strom, weil wir denken, gleich passiert etwas.
Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, sagte neulich in einem Interview: "Der Krisenmodus muss zum allgemeinen Bewusstsein dazugehören." Sehen Sie das auch so?
Edinger: Nein, ich persönlich denke das nicht. Wir leben doch nicht in einer permanenten Bedrohung. Ich finde, man muss sich nicht verrückt machen.
Zur Person
Daniel Edinger ist in Neckarsulm aufgewachsen und zur Schule gegangen. Der 38-Jährige absolvierte eine Ausbildung zum Glaser und hat als Selbstständiger eine Fensterbau-Firma in Kirchardt, wo er mit seiner Frau lebt. Dem Technischen Hilfswerk (THW) gehört er seit 2017 an. Er ist stellvertretender Ortsbeauftragter und kommissarischer Leiter des Ortsverbands Heilbronn. Dessen Gebiet erstreckt sich auf die Stadt Heilbronn sowie einige Landkreiskommunen bis nach Eppingen. Von den 150 ehrenamtlichen Helfern sind 70 befähigt für einen Einsatz.



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