Heilbronn
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Tafel Heilbronn sucht händeringend Ehrenamtliche

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Im Sommer sind viele der meist älteren Freiwilligen ausgestiegen: Jetzt fehlen rund 50 Leute.

Helmut Nunn und Sieglinde Sprenger-Kaya sind zwei der Helfer, die die Stellung halten bei der Tafel. Besonders im Verkauf, etwa beim Obst und Gemüse, ist das Personal knapp.
Helmut Nunn und Sieglinde Sprenger-Kaya sind zwei der Helfer, die die Stellung halten bei der Tafel. Besonders im Verkauf, etwa beim Obst und Gemüse, ist das Personal knapp.  Foto: Seidel, Ralf

"Ich werde 23, und ich mach' das wahrscheinlich bis zur Rente." Yusuf, das schwarze Haar am Hinterkopf akkurat kurzrasiert, dunkle Augen, grinst jungenhaft. Seinen Nachnamen will er nicht verraten. Rund fünf Mal die Woche hilft er ehrenamtlich bei der Tafel Heilbronn, wo arme Menschen günstig Lebensmittel kaufen können.

Leute wie Yusuf sucht die Tafel händeringend. Sie fehlen an allen Ecken und Enden. Beim Entladen der Paletten vom Lkw, beim Sortieren von Äpfeln, Bananen und Tomaten auf dem Förderband. Im Verkauf, am Gemüsestand, beim Auffüllen der Regale, an der Kasse.

Primär klemmt es im Laden. Doch auch Fahrer für das Tafelmobil würden mit Handkuss genommen. Helfer an dessen Stationen in den einzelnen Kommunen oder in den Tafelläden in Neckarsulm und Eppingen, sagt Marco Schönberger, stellvertretender Tafel-Leiter. Um bis zu 60 Prozent ist die Nachfrage wegen der Ukraine-Flüchtlinge gestiegen, aber auch wegen Menschen, die durch die Inflation in schweres wirtschaftliches Fahrwasser geraten sind.

 


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Belastung im Sommer war einigen Mitarbeitern zu hoch

Die Folge: Mit dem größeren Ansturm wuchs die Belastung für die freiwilligen Helfer. Öffnungszeiten wurden kurzfristig verlängert, um der vielen Kunden Rechnung zu tragen, schließlich dürfen zeitgleich nur wenige Personen in den Laden. Kombiniert mit der langen Sommerhitze hatte das dazu geführt, dass Ehrenamtliche den Dienst reduzierten oder gleich ganz quittierten. Denn viele der Freiwilligen sind Rentner, die unter den tropischen Temperaturen besonders litten, berichtet Tafelleiter Matthias Weiler.

"Wir haben zwischen 250 und 300 Ehrenamtliche und einen Schwund von bis zu 20 Prozent", sagt sein Kollege Marco Schönberger. "Eine wirkliche Hilfe wären 30 bis 50 Leute mehr." Wegen Personalknappheit hat die Tafel die Öffnungszeiten aktuell von 9 bis 15.30 Uhr reduziert, eigentlich ist geplant, wieder bis 18 Uhr zu öffnen. Noch 2019 entschärften bis zu sieben Vollzeitkräfte, ehemals Langzeitarbeitslose, in so genannten 16-i-Beschäftigungsverhältnissen die Lage, aber ihr Vertrag war nach zwei Jahren nicht verlängert worden. Auch sie fehlen jetzt schmerzlich.

Erst zur Nachtschicht, am Mittag im Tafelladen

Zum Glück gibt es die Hartgesottenen. Wie Yusuf. Um 21 Uhr fährt er zur Nachtschicht nach Sindelfingen. Die paar Stunden Schlaf, die er sich nach der Arbeit bei Mercedes gönnt, kann er an einer Hand abzählen. Heute steht er ab 12 Uhr schon wieder an der Kasse der Tafel in der Goppeltstraße.

"Geht schon", winkt er ab. Würde noch mehr Spaß machen, wenn die Leute freundlicher wären, findet er. Das sind sie nicht immer. Das Angebot ist begrenzt und wird streng reglementiert. Nicht jeder bekommt nach langem Warten vor der Tür die Lebensmittel, auf die er gehofft hat. Manchmal sorgt das für Frust.

 


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Yusuf macht trotzdem weiter. "Das hier ist wie Familie", sagt er. "Die Kollegen sind cool drauf - wie Helmut." Freundschaftlich klopft er dem 65-Jährigen auf die Schulter. "Eigentlich ein Frischling", stellt er seinen Kollegen Helmut Nunn vor. Seit acht Wochen da. Und in der Zeit sogar schon ukrainisch gelernt! Yusuf lacht. Nunn hatte sich beim Weinsberger Hilfsverein informiert, welches ehrenamtliche Arbeit für ihn passen würde. "Bei der Drogenhilfe mitzumachen, da hab ich gedacht, das schaff ich nicht." "Galina L." ruft er die nächste Kundin auf, rund 40 Leute warten draußen geduldig auf Einlass. "Danke", sagt die junge Frau höflich. Die Anzahl der Einkaufenden ist auf zwölf begrenzt. Genau wie die Waren, die den ganzen Tag halten sollen. Am Gemüsestand hält er einen Salat hoch, Galina L. nickt. Yes, please. Kapusta heißt Weißkohl, den haben wir nicht. Bedauernd schüttelt Nunn den Kopf. Auch im Sommer hat er hier gearbeitet, "das macht mir nichts aus".

Galina L. hat inzwischen die vom Modehaus Palm gespendete Kleiderstange entdeckt. Einige Kunden ziehen Pullis von Joop heraus. 30 Euro? Die meisten hängen die Sweatshirts zurück. Sieglinde Sprenger-Kaya füllt einer Kundin Bananen in den Korb. Die Arbeit macht ihr Spaß: "Es ist anstrengend, aber anschließend weiß ich, dass ich etwas Gutes gemacht habe."

 


Kontakt

Die Tafel-Läden, die zur Diakonie gehören, verkaufen gespendete Lebensmittel zu geringem Preis an arme Menschen in der Heilbronner Goppeltstraße, sowie in Neckarsulm und in Eppingen. Die Fahrtafel steuert an festen Terminen Kommunen im Landkreis an, auch hier werden Helfer gebraucht. Wer ehrenamtlich mitarbeiten möchte, auch stundenweise, meldet sich bei der Tafel Heilbronn bei Rita Fleisch unter Telefon 07131 9644221.

 


Dieser Artikel wird in unserem Nachrichten-Podcast AbendSTIMME erwähnt - für weitere Nachrichten aus der Region können Sie hier den ganzen Podcast anhören.

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