Fotomodel Olga Danylova aus Kiew: Russische Raketen können ihre Hoffnung nicht zerstören
Die 35-jährige Ukrainerin macht bei ihrer Tour auch Station in Heilbronn. Sie erzählt von den Schrecken des Krieges in ihrem Land und träumt von einer Ukraine in der Europäischen Union.

Bunter Lichterzauber, prächtige Wasserfontänen, grüne Parks und imposante Gebäude. Wenn Olga Danylova die alten Fotos ihrer Heimatstadt Mariupol auf ihrem Handy zeigt, huscht kurz ein Lächeln über ihr Gesicht. Die 35-Jährige hat in der ostukrainischen Stadt die meiste Zeit ihres Lebens verbracht. Dort ging sie zur Schule und arbeitete in einem Restaurant. Ihre Familie hat hier gelebt. Und ihre Freunde. Einige harren dort noch immer aus. Obwohl der russische Angriffskrieg die Stadt in ein Trümmerfeld verwandelt hat.
"Die Menschen haben keine Häuser mehr. Keinen Strom. Kein Wasser. Kein Gas. Keine Fenster. Jeden Tag geht es ums Überleben", sagt die Ukrainerin. Zehntausende seien dort gestorben. "Und wenn der Winter kommt, werden es noch mehr", ist sie sicher. "Es ist eine humanitäre Katastrophe, und ich fühle einen großen Schmerz."
Auf Transparenten flehen Menschen um Hilfe
Ihr eigenes Haus in Mariupol ist stark beschädigt. "Aber es steht noch", sagt Olga Danylova. "Das ist wie ein Wunder." Denn alle Gebäude drum herum seien zerstört. Auch hier zeigt sie Bilder auf ihrem Handy, wie es heute in dieser Stadt aussieht. Das Lächeln weicht den Tränen, die ihr jetzt in den Augen stehen. Auf Transparenten an den Ruinen flehen die Menschen um Hilfe. "Wir erfrieren. Hilfe", ist darauf zu lesen. Oder: "Unsere Kinder erfrieren. Wo sind die Fenster?" Auch diese Bilder bekommt sie von ihren Freunden geschickt.
Schon vor dem Krieg ist Olga Danylova nach Kiew gezogen. Um in der ukrainischen Hauptstadt am Institute for Cultural Research an der Nationalen Akademie der Künste zu studieren. Hier hat sie bei einer internationalen Marketing Company auch einen guten Job gefunden. Nebenher arbeitet sie als Fotomodel und reist durch halb Europa. Ihren Laptop hat sie immer dabei. Ihren Hauptjob macht sie dann gewissermaßen im "Travel-Office". So kann sie wochenlang auf Tour gehen. Nach Griechenland, Spanien, Sizilien, Marseille und Paris macht sie diesmal für ein Fotoshooting-Wochenende auch Station in Heilbronn.
Bombenterror am eigenen Leib erlebt

Wie lange die Tour geht, hängt von den Aufträgen ab, für die sie als Model gebucht wird. Hamburg steht noch auf dem Plan. Und die Niederlande. Danach fährt sie wieder zurück nach Kiew. Auch wenn die Menschen dort jederzeit mit Raketeneinschlägen rechnen müssen. Sie selbst hat den Bombenterror schon am eigenen Leib erfahren. Raketen schlugen in Kiew ein, als sie zuhause war. Allesamt trafen sie zivile Ziele.
"Keine drei Kilometer von meiner Wohnung entfernt. Es war so laut. Wir hatten Angst", sagt Olga Danylova und erzählt, wie sie mit Freunden Schutz in einer Tiefgarage gesucht hat. Dabei hatte sie nur, was sie am Leib trug. Und ihre Katze. Niemand konnte sicher sein, dass sie wieder in ihre Wohnungen zurückkehren. Ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder, die von Mariupol nach Kiew geflüchtet waren, sind inzwischen in Deutschland. Dass sie selbst trotzdem nach Kiew zurückkehrt, steht für Olga Danylova außer Frage. "Ich kenne das Risiko. Aber ich liebe meine Heimat mit meinem ganzen Herzen."
Glaube an einen Sieg der Ukrainer
Auch wenn sie nicht weiß, wie das alles enden wird, glaubt sie doch an einen Sieg der Ukrainer. "Wir sind stark", sagt sie. Obwohl sie sich jeden Tag so fühle, als habe sie keine Familie. "Ich kann oft nicht schlafen und esse oft nichts." Sie dankt dem Westen für die Unterstützung. Allen voran den USA und Europa.
Das Verhältnis zu Russland sei völlig zerrüttet. Auch wenn sie Verwandte in Russland hat. Ihren Großvater, der selbst Ukrainer ist. Und ihre Großmutter, die Russin ist. Beide seien Ärzte. Ihr Onkel lebt auch dort. Und doch meidet die 35-Jährige den Kontakt zu ihnen. "Die Leute dort sind aufgehetzt und glauben Putins Propaganda. Weil sie nichts anderes kennen. Was dort geredet wird, ist völlig absurd. Und der Krieg ist eine völlige Absurdität."
Viele Russen wüssten nichts von Folter und Vergewaltigung

Schon vorher hätten viele Russen mit den Ukrainern gesprochen wie mit zweitklassigen Menschen. "Vor allem in Moskau." Die Menschen in St. Petersburg seien eher freundlich gewesen. "Aber mit dem Krieg ist es schlimmer geworden." Viele Russen wüssten nichts von Massengräbern ziviler Opfer. Von Folter und Vergewaltigung ganzer Dörfer in der Ukraine. "Sie glauben, wir sind Faschisten", sagt Olga Danylova und fasst sich mit der flachen Hand auf die Stirn.
"Putin ist ein Imperialist. Er will die russische Geschichte korrigieren", sagt Olga Danylova. "Menschen sind ihm völlig egal. Er ist wie Stalin. Völlig verrückt." Er wolle den Ukrainern Kultur und Identität stehlen. "Ich habe Angst, aber ich fühle, dass wir gewinnen." Ihr größter Wunsch ist, dass die Ukraine aufersteht und Mitglied der Europäischen Union wird. "Dieser Krieg zeigt uns, was totalitäre Staaten sind: Nicht gut für ein friedliches Zusammenleben."
Zur Person
Olga Danylova ist in Mariupol geboren und aufgewachsen. Die 35-jährige Ukrainerin ist vor dem Krieg nach Kiew gezogen, um zu studieren und bei einer Marketing Company zu arbeiten. Sie arbeitet auch als Fotomodel in ganz Europa. "Ich brauche diese Kunst", sagt sie mit Blick auf den russischen Angriffskrieg. "Sonst wäre ich noch trauriger und würde in Depressionen verfallen."
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