Raser-Prozess in Heilbronn: Angeklagter äußert sich überraschend
Im Heilbronner Raser-Prozess gibt es eine überraschende Wendung: Am Mittwoch, dem 23. Verhandlungstag, hat der Angeklagte zum ersten Mal das Wort ergriffen. Zudem wurde der Termin für die Urteilsverkündung erneut verschoben.

22 Prozesstage lang hat der Angeklagte beharrlich geschwiegen. In seinem letzten Wort hat sich der 21 Jahre alte Beschuldigte am Mittwoch im sogenannten Raser-Prozess vor dem Heilbronner Landgericht erstmals geäußert.
Von einem emotionalen Prozess sprach zuvor die Anwältin des Angeklagten, Anke-Stiefel-Bechdolf. Sie habe "Trauer, Wut und blanken Hass" erlebt. Im Gerichtssaal, aber auch im Internet. Gegen den Angeklagten, aber auch gegen dessen Verteidiger.
Tödlicher Unfall in der Heilbronner Wollhausstraße: Angeklagter bricht sein Schweigen
"Es ist ein sehr schlimmes Gefühl, zu wissen, dass ich schuld bin", sagte der 21-Jährige in seinem letzten Wort am 23. Verhandlungstag. "Ich wünschte, es hätte mich getroffen." Er sage diese Worte nicht, um sich zu retten. "Ich will nur, dass die Familie mir glaubt, dass es mir leid tut", so der Angeklagte. Zuvor hatten die Anwälte der Opferfamilie als Nebenkläger in ihren Plädoyers eine Verurteilung unter anderem wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes gefordert. Die Verteidigung plädierte auf fahrlässige Tötung und dreifache fahrlässige Körperverletzung.
Raser-Prozess: Richter vertagt den Termin für die Urteilsverkündung erneut
Wann die zweite Große Jugendkammer das Urteil spricht, ist seit Mittwoch wieder offen. Den dafür vorgesehenen Termin am 16. April hat der Vorsitzende Richter Alexander Lobmüller gestrichen. Vorgesehen ist jetzt der 22. April. Ob an diesem Tag das Urteil fällt oder aber die Kammer noch einmal in die Beweisaufnahme geht, ist noch nicht entschieden. Grund sind zwei weitere Hilfsanträge, die die Verteidiger des Angeklagten am Mittwoch vor der zweiten Großen Jugendkammer gestellt haben.
Gibt es einen Grund zu der Annahme, dass der Angeklagte davon ausging, bei der Todesfahrt am 12. Februar 2023 in der Heilbronner Wollhausstraße würden er und seine Beifahrerin im Falle eines Unfalls unversehrt aus dem Auto aussteigen? Falls nein, könne dann ein bedingter Tötungsvorsatz im Falle eines Unfalls unterstellt werden? Für Stefan Lay und Stiefel-Bechdolf liegt die Antwort auf der Hand: "Natürlich nicht."
Tödlicher Unfall in der Wollhausstraße: Anwälte beantragen weiteres Sachverständigengutachten
Tatsächlich blieben der Angeklagte und seine Beifahrerin nach dem tödlichen Unfall, bei dem der Beschuldigte mit seinem BMW mit knapp 100 Stundenkilometern in den Mercedes einer vierköpfigen Familie krachte, weitestgehend unverletzt. Lay hält das für reinen Zufall. Bei beinahe allen anderen denkbaren Unfallszenarien sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit oder gar Sicherheit zu erwarten gewesen", dass der Beschuldigte und seine Freundin verletzt oder gar getötet worden wären. Zum Beweis dafür beantragte die Verteidigung die Einholung eines weiteren technischen Sachverständigengutachtens.
Von einem emotionalen und hochpolitischen Prozess sprach zuvor die Anwältin des Angeklagten, Anke Stiefel-Bechdolf. Sie habe "Trauer, Wut und blanken Hass" erlebt. Im Gerichtssaal und im Internet. Gegen den Angeklagten, aber auch gegen dessen Verteidiger. Der Schrei nach dem Scheiterhaufen für Raser sei fast inflationär.
Für die beiden Verteidiger steht fest, dass von einem bedingten Tötungsvorsatz und Heimtücke ihres Mandaten nicht die Rede sein könne. Sie räumten zwar ein, dass ihrem Mandanten "verschiedene Straftaten vorgeworfen werden können", so Lay in seinem Plädoyer. Dabei handele es sich um fahrlässige Tötung und dreifache fahrlässige Körperverletzung, aber nicht um Mord.
Raser-Prozess in Heilbronn: Nebenklägervertreter sehen Merkmale für Mord erfüllt
Auf Mord und dreifachen versuchten Mord hatten zuvor drei Anwälte der insgesamt vier Nebenkläger plädiert. "Es geht nicht darum, ob der Angeklagte töten wollte, sondern, ob er den Tod billigend in Kauf genommen hat", sagte Birgit Uhl. Die Nebenklägervertreterin sah darin ebenso einen "bedingten Vorsatz" wie ihre Kollegin Tanja Haberzettl-Prach. Wer mit knapp 100 Stundenkilometern durch die Stadt fahre, finde sich mit dem Tod von Menschen ab. "Die Familie hatte keine Chance." Das Mordmerkmal der Heimtücke sieht auch der Nebenklägervertreter Tim Maly als erfüllt an. "Die Familie war sich keiner Gefahr bewusst."
Am 12. Februar vergangenen Jahres ist der damals 20 Jahre alte Angeklagte mit knapp 100 Stundenkilometern in der Heilbronner Wollhausstraße auf den Mercedes einer Familie geprallt, die gerade aus einer Tiefgarage fuhr. Der Familienvater war sofort tot. Seine Frau und die beiden Kinder wurden zum Teil schwer verletzt.
Staatsanwältin plädierte am vorangegangenen Prozesstag auf Mord
Bereits am vorangegangenen Verhandlungstag hat Staatsanwältin Christiane Triaa in ihrem Plädoyer eine Verurteilung des 21 Jahre alten Beschuldigten unter anderem wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes gefordert. Die ursprüngliche Anklage lautete zwar auf Totschlag und versuchten Totschlag. Im Laufe der Beweisaufnahme habe sie sich aber der Argumentation der zweiten Großen Jugendkammer angeschlossen, die ihrerseits in zwei rechtlichen Hinweisen unter anderem Mord und dreifachen versuchten Mord für denkbar ausgesprochen hat.
Ebenfalls am vorangegangenen Verhandlungstag forderte Elisabeth Unger-Schnell als Anwältin einer Nebenklägerin eine Verurteilung wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes.



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