Nicht nur für Schnäppchenjäger: Das ist Heilbronns größter Männerspielplatz
Das Secondhand-Kaufhaus der Aufbaugilde in der Austraße 31 hat nicht nur längst vergriffene Produkte günstig im Angebot, sondern erfüllt gleich mehrerere wichtige gesellschaftliche Funktionen.

Spielzeug aus Großmutters Zeiten, Geräte, die das Techniker-Herz höher schlagen lassen, trendige Kleidung sowie gebrauchte Fahrräder, die längst noch nicht zum alten Eisen zählen. "Für mich ist das hier der größte Männerspielplatz, den ich kenne", sagt Jörg Münzenmayer. Er ist im Secondhand-Kaufhaus der Aufbaugilde in Heilbronn Teamleiter im Technikbereich – und dafür zuständig, dass die gespendeten Bildschirme, Mikrowellenherde und Co. günstig und in einwandfreiem Zustand in den Verkauf gehen.
Gerade in Zeiten von Krisen, Inflation und stetig steigender Lebenshaltungskosten ist Ware aus zweiter Hand besonders gefragt. "Im ersten Quartal 2019, noch vor Corona, hatten wir 36.000 Kunden. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es bereits 42.000 Menschen, die bei uns eingekauft haben", erklärt Gerald Bürkert, Geschäftsführer der Aufbaugilde.
Gildekaufhaus in Heilbronn: Günstig, nachhaltig und sozial
Dabei erfüllt das Kaufhaus in der Austraße 31 im Norden von Heilbronn noch weit mehr Funktionen, als dass während jedes Öffnungstages mehr als 2.200 günstige Artikel für wenig Geld einen neuen Besitzer finden. Bürkert sagt: "Wenn man sich vor Augen führt, dass in der Produktion einer einzigen Jeans 8000 Liter Wasser verbraucht werden, sieht man schon, welche ökologischen Folgen das gedankenlose Wegwerfen von durchaus noch brauchbaren Produkten hat." Im Heilbronner Gildekaufhaus kann jeder spenden und jeder einkaufen, auch, wenn er nicht bedürftig ist. Und wer auf diese Weisen den Secondhand-Gedanken unterstützt, handelt nachhaltig und umweltbewusst.

Wer etwa Bücher, Fernseher oder Pullover anliefert, trägt darüber hinaus dazu bei, dass Menschen vom Rand der Gesellschaft wieder zurück ins Leben finden. Denn: Die Waren, die die Spender täglich abgeben, gehen zuerst durch mehrere Hände, bevor sie in der Auslage der 3.000 Quadratmeter großen Verkaufsfläche landen. Es sind Leute nötig, die das Material entgegennehmen, sichten, testen, reinigen und aufbereiten.
Gerald Bürkert: "Wir sind ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsbetrieb für Menschen, die auf dem gewöhnlichen Arbeitsmarkt keine Stelle finden - etwa, weil sie schon zu lange ohne Job sind." Derzeit sind im Kaufhaus 69 Personen tätig. Ein Teil davon war langzeitarbeitslos und ist in einem geförderten Arbeitsverhältnis beschäftigt.
Heilbronn: Mit dem Secondhand-Kaufhaus zu neuem Selbstbewusstsein

Entscheidend sei laut dem Geschäftsführer der Heilbronner Aufbaugilde, dem Leben wieder eine klare Struktur zu geben. Denn: Ohne geregelten Tagesablauf gerät auch der Schlafrhythmus aus den Fugen. Schließlich fehlt ohne Job oft der Grund, morgens zu einer festen Zeit aufzustehen. "Diese Integrations- und Inklusionsgedanken stehen bei uns im Fokus", sagt Jörg Kiefer, Betriebsleiter des Heilbronner Secondhand-Kaufhauses. "Während der Leistungsdruck in der Wirtschaft stetig steigt, befinden sich unsere Beschäftigten in einem geschützten Rahmen: Es hat keine Konsequenzen, wenn das geplante Tagespensum in der jeweiligen Position nicht erreicht wird."
Vielmehr zählt das Positive: Wer etwa körbeweise gespendetes Geschirr spült, sieht nach ein paar Stunden, was er geleistet hat. Gerald Bürkert erklärt: "Uns ist es wichtig, den Menschen Lob und Wertschätzung entgegenzubringen." Mit den neuen Aufgaben und dem daraus erzielten Selbstbewusstsein kommt wieder frischer Schwung ins Leben. Der soziale Ausschluss ist überwunden - und der Start für weitere persönliche Erfolge gemacht.
Secondhand-Kaufhaus in Heilbronn: Günstiger Einkauf wird zur Win-win-Situation
Thilo Rampmaier prüft in der Werkstatt des Heilbronner Gilde-Kaufhauses gespendete PCs auf ihre Funktionen. Er formatiert Festplatten, macht die Geräte verkaufsbereit. Der 63-Jährige erzählt: "Ich war früher in einem ganz anderen Gebiet tätig. Trotz meines Alters habe ich mich aber mit der Technik auseinandergesetzt, täglich dazugelernt und mir so neue Job-Chancen eröffnet."
Wer im Heilbronner Gilde-Kaufhaus wieder in den Arbeitsmarkt findet, dem stehen viele Optionen offen. Jörg Kiefer berichtet: "Unsere Qualifizierungen sind breit gefächert. Eine Frau, die bei uns im Textilbereich beschäftigt war, arbeitet nun zum Beispiel als Bäckereifachverkäuferin." Bürkert ergänzt: "Dieses System kann nur bestehen, wenn man Ware spendet oder einkauft."
Menschen in Not unterstützt Arbeit in Heilbronner Secondhand-Kaufhaus
Auch der Verein Menschen in Not, die Leserhilfsaktion der Heilbronner Stimme, fördert die Maßnahmen im Secondhand-Kaufhaus und stellt einen Teil der eingegangenen Spenden der Aufbaugilde zur Verfügung. Damit werden beispielsweise Weiterbildungsprogramme oder Fahrkarten, damit die Angestellten an ihren Arbeitsplatz im Gilde-Kaufhaus gelangen können, bezahlt.
Seit der Corona-Pandemie sind die Spenden zurückgegangen. Aber nach wie vor wird genug angeliefert, dass man im Gilde-Kaufhaus schon nach wenigen Tagen ein in weiten Teilen neues Sortiment vorfindet. Und wer genau hinschaut, entdeckt bestimmt auch eine Nostalgie-Rarität aus den eigenen Kindertagen, die schöne Erinnerungen weckt.



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