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Nach Gewaltexzess in Stuttgart: Eritreer in Heilbronn haben Angst vor Randalierern

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Zu den Gewalttaten in Stuttgart haben in Heilbronn lebende Eritreer eine klare Meinung. Sie haben aber auch Angst vor organisierten Schlägern.

Von der Polizei gesicherte Stöcke und Latten liegen vor der Pressekonferenz zu den Ausschreitungen bei einer Eritrea-Veranstaltung auf einem Tisch (kleines Foto). Bis zu 200 Personen hätten Teilnehmer der Veranstaltung und Polizisten angegriffen, teilte ein Polizeisprecher am Samstag mit.
Von der Polizei gesicherte Stöcke und Latten liegen vor der Pressekonferenz zu den Ausschreitungen bei einer Eritrea-Veranstaltung auf einem Tisch (kleines Foto). Bis zu 200 Personen hätten Teilnehmer der Veranstaltung und Polizisten angegriffen, teilte ein Polizeisprecher am Samstag mit.  Foto: dpa, Montage: Stimme.de

31 verletzte Polizisten und rund 200 Festnahmen: Der Gewaltexzess am Rande einer Veranstaltung, die mehrere eritreische Vereine am Samstag in Stuttgart organisiert haben, hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Auch in Heilbronn lebende Eritreer sind entsetzt darüber, was sich am Wochenende in der Landeshauptstadt abgespielt hat.

"Das sind keine Menschen. Das sind Tiere", sagte ein 50-jähriger Mann, der vor rund 30 Jahren aus dem afrikanischen Staat nach Deutschland gekommen ist. "Sie schlachten Menschen ab." Mit Holzlatten, Nägeln, Wurfgeschossen und Steinen haben sie am Samstag am Stuttgarter Römerkastell angegriffen.

 


Angst vor dem Fadenkreuz der Randalierer

Seinen Namen möchte er unter keinen Umständen veröffentlicht sehen. Zu groß ist die Angst, ins Fadenkreuz der Randalierer zu geraten. "Die sind organisiert", sagt er. "Und ich habe Familie."

Wie sich die schlägernde Gruppe zusammensetzt, weiß der Mann, der inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft hat, genau. "Es sind Äthiopier. Genauer gesagt kommen sie aus Tigray." Ihr Ziel: "ein Groß-Tigray zu schaffen". Der Angriff vom Samstag in Stuttgart habe demnach nichts mit der Politik des eritreischen Präsidenten oder oppositioneller Gruppen zu tun, ist der 50-Jährige überzeugt. Sie seien ethnisch motiviert.

 


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Gewalttäter reisen von Stadt zu Stadt zu Eritrea-Veranstaltungen

Die Polizei hat die Personalien der Randalierer aufgenommen. Demnach handele es sich um Eritreer. Die wenigsten kamen aus Stuttgart selbst. Vom Umland ist die Rede. Selbst aus der Schweiz seien Personen angereist. Ob darunter auch Gewalttäter aus der Region Heilbronn und Hohenlohe sind, will der Stuttgarter Polizeisprecher Stephan Widmann am Montagvormittag nicht verraten. "Aus ermittlungstaktischen Gründen", sagt er.

Für den 50-jährigen Heilbronner steht fest, dass es sich nicht um Eritreer handelt, die am Samstag in Stuttgart randaliert haben. "Die Leute haben sich als Eritreer ausgegeben, um in Deutschland Asyl zu bekommen." In Wahrheit seien es zu 80 bis 90 Prozent Äthiopier." Diese Menschen werden bezahlt", sagt der 50-jährige Heilbronner. Sie reisten von Stadt zu Stadt.

 


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Eritreerin aus Heilbronn will ihre Familie nicht in Gefahr bringen

Der gleichen Auffassung ist eine 48-jährige Eritreerin, die seit 33 Jahren in Heilbronn lebt. Dass diese Menschen nicht aus ihrem Heimatland stammten, sondern aus der Region Tigray kämen, wisse jeder, sagt sie. Am Anfang des Gesprächs mit unserer Zeitung ist die Frau noch bereit, mit Namen und sogar mit Bild in der Heilbronner Stimme zu erscheinen. Nach einer Weile überlegt sie es sich aber anders. "Man kennt mich in Heilbronn", sagt sie. Und auch sie verweist auf ihre Arbeit und ihre Familie, die sie nicht in Gefahr bringen will. "Die machen mich fertig", sagt sie. Seit 28 Jahren ist sie mit einem Deutschen verheiratet.

"Es tut mir wirklich sehr leid, was mit den Polizisten passiert ist", sagt die Heilbronnerin. Sie hofft, dass die deutsche Regierung und die Polizei diese Menschen stoppen kann. Jeder müsse das Recht haben, seine Meinung zu sagen und dafür auch zu demonstrieren. "Aber von Gewalt kann doch nichts Gutes kommen", betont die 48-Jährige.

Gewaltexzesse auch in Heilbronn denkbar

Mehr als 40 Jahre lang präsentierten eritreische Flüchtlinge in Deutschland ihre Kultur, so der 50-jährige Heilbronner. Probleme gebe es erst seit zwei bis drei Jahren. Auch die 48-Jährige betont: "Wir aus Eritrea haben das Recht, unsere Feste zu feiern, wie alle Menschen, egal, wo sie herkommen." Ob das aber künftig weiter möglich ist, kann sie heute nicht sagen. Sie könne auch nicht ausschließen, dass sich ähnliche Gewaltexzesse auch in Heilbronn abspielen könnten. Allerdings seien die Eritreer hier nicht so stark vertreten. Deswegen gebe es hier keine größeren Veranstaltungen.

Tatsächlich gibt es hier einen eingetragenen Förderverein für den Bau einer Schule in Eritrea. Die auf der Homepage angegebene Telefonnummer führt allerdings zu einer Hausverwaltung. Die Mitarbeiter dort können zu den Vorkommnissen in Stuttgart natürlich nichts sagen. Wie man den Verein erreichen kann, verrät die Mitarbeiterin aber auch nicht. Man habe keinen Kontakt.

 


Konflikt zwischen Eritrea und Äthiopien

Ende 2020 begann ein militärischer Konflikt in der äthiopischen Region Tigray, der sich später auf weitere Teile des Landes ausbreitete. Die Bürgerkriegsparteien sind die Milizen der von der Zentralregierung Äthiopiens abgesetzten Regionalregierung von Tigray. Auf der anderen Seite stehen die Äthiopischen Streitkräfte und die Streitkräfte Eritreas.

Der Konflikt, der schätzungsweise 600.000 Menschenleben kostete, endet im November vergangenen Jahres. Eritrea gehörte früher zu Äthiopien. Im April 1993 hat die eritreische Bevölkerung in einem Referendum unter Aufsicht der Vereinten Nationen mit mehr als 99 Prozent für die Unabhängigkeit des Landes stimmten. Die Trennung Eritreas von Äthiopien erfolgte mit Zustimmung der äthiopischen Regierung.

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