Leiter der JVA Heilbronn räumt mit Vorwurf eines angeklagten Justizvollzugsbeamten auf
Herrscht in der JVA Heilbronn ein Nasenprinzip, wie es kürzlich ein angeklagter Justizvollzugsbeamter vor dem Heilbronner Landgericht schilderte? Anstaltsleiter Andreas Vesenmaier nimmt Stellung.

"Ich will keine Interna ausplaudern, aber in der JVA herrscht das Nasenprinzip", sagte kürzlich ein angeklagter Justizvollzugsbeamter über das Krankenrevier. Wessen Nase einem nicht passe, der werde ganz schnell abgewiesen. Der 32-Jährige muss sich seit Mitte Juni vor dem Heilbronner Landgericht verantworten.
Er gestand, mehr als ein Jahr lang unter anderem Drogen und Handys ins Heilbronner Gefängnis geschmuggelt und für Botengeld an Häftlinge übergeben zu haben.
Laienhafte Bewertung sei für Anstaltsärztin wie ein Schlag ins Gesicht
Nun nimmt der Anstaltsleiter der JVA Heilbronn auf Anfrage unserer Zeitung Stellung. Mit seiner Behauptung habe der Justizvollzugsbeamte "eine laienhafte Bewertung abgegeben, die ihm nicht zusteht", so Andreas Vesenmaier. Er kenne die Hintergründe nicht und sei kein Mediziner, der eine zuverlässige Einschätzung zu diesem Thema geben könne.
Der Vorwurf, dass in der JVA Heilbronn ein Nasenprinzip herrsche, sei für die Anstaltsärztin und ausgebildete Suchtmedizinerin wie ein "Schlag ins Gesicht". Die JVA Heilbronn habe keine Veranlassung, nach dem Nasenprinzip vorzugehen, so Vesenmaier weiter.
Eigenwahrnehmung der Gefangenen und ärztliche Einschätzung klaffen auseinander

"Die Problematik liegt darin, dass die Eigenwahrnehmung vieler Gefangener und die Einschätzung unserer Anstaltsärzte, was für die Gefangenen gut und medizinisch geboten ist, oftmals auseinanderliegen, vor allem bei Suchtpatienten." Etwa 30 Prozent der rund 330 Insassen sei suchtabhängig, erklärt Vesenmaier.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Medikamenten sei vor allem bei Patienten, die sich im Substitutionsprogramm befinden, erforderlich. Verschreibungspflichtiges Gabapentin oder Tramal würden die Wirkung des Substitutionsmittels verstärken und für eine Art Boost sorgen. Genau aus diesem Grund wollen laut Andreas Vesenmaier viele Häftlinge diese Schmerzmittel nehmen, "um sich abzuschießen und high zu sein".
Mischkonsum könne bis zum Tod führen
Im schlimmsten Fall könne ein Mischkonsum zum Tod führen. "Die Anstaltsärzte tragen im Hinblick auf die medizinische Versorgung der Gefangenen eine sehr große Verantwortung." Außerdem betont der Anstaltsleiter: "Unsere Aufgabe ist es in der JVA die Gefangenen zu behandeln und sie nicht in ihrer Sucht zu fördern."
Hinzukomme, dass Häftlinge unterschiedliche Vorerkrankungen hätten und nicht alle dieselben Medikamente verabreicht bekommen könnten. Möchte ein Häftling den Grund für die Ungleichbehandlung wissen, könne aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht, keine Auskunft gegeben werden.
Beschwerden gehen ans Justizministerium Baden-Württemberg
Darüber hinaus werden laut Andreas Vesenmaier Beschwerden im Hinblick auf die Nichtverschreibung von Schmerzmitteln regelmäßig an das Justizministerium Baden-Württemberg weitergeleitet, das als Fachaufsichtsbehörde überprüft, ob das Handeln der Anstaltsärzte korrekt ist. "Beanstandungen gab es bislang keine."


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