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"Unser Impfstoff kann bei vier Grad gelagert werden"

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Wie Biontech und Curevac hat sich die kleine Firma Baseclick aufgemacht, einen Corona-Impfstoff herzustellen. Dieter Schwarz unterstützt die Forschung des Teams, das mit nur 12 Leuten startete.

Dr. Thomas Frischmuth im Labor seiner Firma Baseclick in Neuried bei München. Hier wird ein weiterer Corona-Impfstoff entwickelt.
Foto: privat
Dr. Thomas Frischmuth im Labor seiner Firma Baseclick in Neuried bei München. Hier wird ein weiterer Corona-Impfstoff entwickelt. Foto: privat  Foto: privat

Biontech steht kurz vor der Zulassung eines Corona-Impfstoffes, Curevac aus Tübingen braucht noch einige Wochen länger. Die dritte Firma in Deutschland, die mit einem genbasierten Impfstoff auf sogenannter Messenger-RNA-Basis arbeitet, ist Baseclick aus Neuried bei München. Die Firma erhielt zur Forschung an einem Corona-Impfstoff eine Kapitalspritze vom Risikokapitalfonds Born2Grow des Lidl-Eigentümers Dieter Schwarz. Im Interview erläutert Baseclick-Geschäftsführer Thomas Frischmuth, warum es sich lohnt, weiter zu forschen.

 

Herr Frischmuth, 160 Firmen weltweit suchen nach dem Corona-Impfstoff. Ihre Firma gehört zu den vielversprechenden Kandidaten. Wie weit sind Sie?

Thomas Frischmuth: Als kleine Firma brauchen wir etwas mehr Zeit als die größeren Mitbewerber. Wir sind jetzt kurz vor Abschluss der präklinischen Phase. Nachdem wir mit acht Molekülen gestartet sind und nun auf drei reduziert haben, zeichnet sich ab, welcher Kandidat am besten funktioniert. Jetzt werden wir den Antrag für die klinischen Studien stellen. Wenn weiterhin alles nach Plan läuft, stehen wir im Sommer irgendwann da, wo Biontech jetzt steht.


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Können Sie also auch noch mit einem beschleunigten Verfahren rechnen?

Frischmuth: Die Behörden sind weiterhin sehr offen. Wir können im Sommer also hoffentlich auch ins Rolling Review gehen, wodurch die Zulassungsbehörden die Daten bewerten, sobald sie verfügbar sind. Wir müssen dann nicht auf den Abschluss der Studie warten, um sie komplett einzureichen. Dass aber beispielsweise die klinische Phase zwei begonnen wird, bevor die Tierdaten komplett ausgewertet wurden, wie das etwa bei Astra Zeneca der Fall war, oder dass Sie während der Phase zwei noch einmal etwas abändern wie bei Biontech, das gab es vorher noch nie und wird es auch wohl nie wieder geben.

Jetzt gehören Sie zu den drei Firmen in Deutschland, die einen Impfstoff auf mRNA-Basis entwickeln. Sie sind die Nummer drei. Könnte es also zu spät sein?

Frischmuth: Charité-Chefvirologe Drosten und viele andere haben oft betont, dass wir wohl vier, fünf, vielleicht sogar acht Impfstoffe brauchen. Biontech selbst wird sicher noch den einen oder anderen nachschieben. Es gibt ja durchaus Unterschiede.

Zum Beispiel?

Frischmuth: Der Biontech-Impfstoff muss bei minus 70 Grad gekühlt werden. Das durchgängig einzuhalten ist schon eine Herausforderung in Industrieländern. Unsere Hausärzte sind damit in der Regel bereits überfordert. Deshalb spricht Gesundheitsminister Spahn auch von Impfzentren. Unser Impfstoff dagegen kann bei vier Grad gelagert werden. Das lässt sich vielerorts leichter bewerkstelligen.

Es ist also doch wieder ein ganz anderer Impfstoff?

Frischmuth: Nun ja, wir arbeiten mit chemisch modifizierten RNA-Molekülen. Biontech und Curevac mit RNA, die in Lipid-Nanopartikel verpackt wird. Sie nutzen eine Technik, die letztlich seit den 90er Jahren zum Einsatz kommt. Die Erfahrung ist somit größer. Das ist übrigens ein weiterer Grund, warum wir länger brauchen.

Jetzt haben wir vielleicht bald einen Impfstoff, aber gleichzeitig hört man von infizierten Nerzen und neuen Mutationen. Könnte die Impfung am Ende ins Leere laufen?

Frischmuth: Coronaviren verändern sich ähnlich schnell wie Grippeviren. Möglicherweise bietet dann eine Impfung für bestimmte Mutationen keinen Schutz mehr. Dann könnte es wieder lokale Ausbrüche geben. Es ist aber ein besonderer Vorteil der mRNA-Technik, dass wir sie relativ einfach an neue Mutationen anpassen können. Ich hoffe nicht, dass es so schlimm wird wie bei der Grippe-Impfung, dass wir jedes Jahr einen neuen Impfstoff brauchen. Aber möglich ist es.

Solche mRNA-Imfpstoffe hat es noch nie gegeben. Sind die Risiken wirklich realistisch einzuschätzen?

Frischmuth: Bei den RNA-Impfstoffen gibt es das Molekül selbst, die RNA. Auf dieser Ebene gibt es viele Erfahrungen aus klinischen Studien und teilweise auch mit Krebs-Medikamenten, die ähnlich funktionieren. Die RNA ist bei Messenger-RNA aber sozusagen nur ein Hilfsstoff, um im Körper selbst den Wirkstoff herzustellen. Das ist zwar ein Schritt weiter, aber das ist beherrschbar, da bin ich mir sicher.

Es ist angeblich unklar, ob immunisierte Personen sich nicht doch weiterhin infizieren und so zum Virenüberträger werden könnten. Halten Sie das für möglich?

Frischmuth: Es gibt solche Krankheitserreger, und es ist tatsächlich nicht sicher, ob das Corona-Virus dazugehört. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, aber sie ist da.

Man könnte ja vermuten, dass die Politik diesen Punkt betont, um eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu vermeiden, in der die einen sich frei bewegen können und die anderen nicht?

Frischmuth: Das spielt in der politischen Diskussion sicherlich eine Rolle, vielleicht sogar die entscheidende. Es laufen aber Untersuchungen zur Herdenimmunität, beispielsweise in Schweden.

Das Virus strapaziert unsere Geduld schon sehr...

Frischmuth: Ja. Als die Nachricht vom Biontech-Impfstoff kam, war ich gerade mit der Bahn unterwegs. Ein Mitreisender hat sich sofort an das Zugpersonal gewandt, ob er jetzt seine Maske absetzen dürfe. Naja, was soll ich sagen.

Sind Sie auch ungeduldig?

Frischmuth: Wir Wissenschaftler warten gespannt auf die Daten von Biontech. Überraschend war ja der hohe Wert von 90 Prozent Wirksamkeit. Das wäre ein riesiger Erfolg, wenn sich das bestätigt. Dann könnten wir wirklich hoffen.

Plötzlich spielt die Wissenschaft eine zentrale Rolle im Alltag der Menschen.

Frischmuth: Ja, und ich darf noch eines betonen: Bei Biontech, Curevac und auch bei unserer Baseclick kommt Forschungsleistung zur Anwendung, die originär hier in Deutschland entwickelt wurde. Blöderweise kommt der Erfolg jetzt durch eine Pandemie. Aber zuvor sah es so aus, als würden Firmen in den USA die Früchte unserer Arbeit ernten, nur weil dort mehr Venture Capital zur Verfügung stand.

Mit zwölf Mitarbeitern sind Sie im Frühjahr gestartet. Wo steht Baseclick jetzt?

Frischmuth: Wir haben uns fast verdoppelt.

Dieter Schwarz hat ein paar Hunderttausend Euro zugeschossen, die für die präklinische Phase notwendig waren. Wie viel Geld brauchen Sie im nächsten Jahr, und woher kommt es?

Frischmuth: Nun, Dank der Finanzhilfe von Herrn Schwarz konnten wir die Impfstoffentwicklung überhaupt beginnen und es ist abgemacht, dass Born-2-Go, seine Finanzierungsgesellschaft, das Geld bei Erfolg wiederbekommt für weitere Unternehmensfinanzierungen. Aber für die klinischen Phasen benötigen wir zwischen zehn Millionen und 20 Millionen Euro. Es gibt Signale, dass wir wieder mit Unterstützung rechnen können.

Brauchen Sie nicht einen großen Partner? Biontech hat sich ja frühzeitig mit Pfizer zusammengetan...

Frischmuth: Doch, wir machen uns schon so unsere Gedanken. Die großen Pharmafirmen können die notwendige Geschwindigkeit bei einer großen Studie, bei der Logistik bringen. Die haben Erfahrung. Wir sind deshalb bereits in Gesprächen. Noch ist aber nichts spruchreif.

 

Zur Person

Seit der Ausgründung aus der Ludwig-Maximilian-Universität durch Professor Thomas Carell vor gut elf Jahren ist Dr. Thomas Frischmuth (61) Geschäftsführer von Baseclick. Der habilitierte Virologe und Molekularbiologe Frischmuth war an verschiedenen Hochschulen als Wissenschaftler und Dozent tätig, bevor er 2003 eine Investment- und Beratungsfirma mit Schwerpunkt auf Life Sciences gründete. Er ist Gründer mehrerer Biotech-Firmen. Seit 2006 arbeitet Frischmuth mit dem Zukunftsfonds Heilbronn zusammen.


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