Kein Patentrezept für die mit Autos verstopfte Gerberstraße
Dicke Luft in der nördlichen City, neue Zebrastreifen reichen nicht. Im Frühjahr startet ein Versuch zur Verkehrsberuhigung der Heilbronner Gerberstraße. Bürger werden später auch eingebunden.

Die vielen Autos auf der Geberstraße lassen nicht nur Anliegern kaum Ruhe, sie halten auch Stadtverwaltung und Stadträte auf Trab. Nach Anträgen der Grünen und der SPD wurde der "Dauerbrenner", so Bürgermeister Wilfried Hajek, diese Woche im Bauausschuss des Gemeinderates erneut heiß diskutiert. Während die Grünen mit Holger Kimmerle dem Rathaus vorwarfen, die Problematik "auf die lange Bank zu schieben", lobten andere Räte die Verwaltung für aktuelle Beruhigungsmaßnahmen wie etwa vier neue Zebrastreifen - zwei weitere könnten folgen - und ein eingeschränktes Nachtfahrverbot. Thomas Randecker (CDU) brachte es so auf den Punkt: Wegen der "großen Gemengelage unterschiedlicher Interessen" gebe es in dem Bereich keine einfachen Lösungen.
Doppelbeschluss im Bauausschuss
Am Ende verständigte man sich darauf, so fortzufahren: Das Rathaus wird im Frühjahr 2022 einen "Verkehrsversuch zur Erforschung des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen" in der nördlichen Innendstadt "erwirken". Ziel sei die Erprobung von Maßnahmen, "die zur Umsetzung des Masterplans Innenstadt und zum Erreichen der Sanierungsziele in der Innenstadt beitragen". Außerdem werden die geplanten Bürgerbeteiligungsprozesse weiter verfolgt. Die bisher beantragen Vorschläge zur Straßenraumnutzung sollen im Zuge einer gesamtheitlichen Verkehrsplanung für das Quartier berücksichtigt und mit anderen Vorschlägen etwa aus der Bürgerbeteiligung verglichen werden, wobei es noch keinen Termin für einen Info-Abend gibt.
Viele Interessen unter einen Hut bekommen
Welche Interessen "unter einen Hut" zu bringen sind, zeigte Jens Boysen vom Amt für Straßenverkehr: Einkaufserlebnis mit Außengastronomie, Umwelt- und Klimaschutz, Aufenthaltsqualität zum Leben und Wohnen, altersgerechte Mobilität. Konkrete Maßnahmen der Leitlinien: 50 Prozent der Parkplätze tags und 74 Prozent nachts werden für Anwohner reserviert, weil es bisher pro Anwohnerparkplatz 2,6 Ausweise gibt; außerdem bekommen Betriebe weniger Ausweise, auch bei den Gebühren gebe es "Spielraum". Gehwegparken werde erst ab einer Restbreite von 2,5 Metern auf dem Trottoir erlaubt. Weitere Einbahnstraßen würden geprüft. Weiter sollen Fußgängerzonen ergänzt, Grünflächen erweitert, das Kleinklima verbessert und Raum für nachhaltige Mobilität frei werden, aber auch zum Verweilen und für Außenlokale.
Teils bissige Ratsdebatte
Kimmerle nannte die Stellungnahme des Rathauses "frustrierend". Seine Partei hatte ein Durchfahrtverbot für die Gerberstraße gefordert und beklagte, dass die obere Lohtorstraße nicht längst autofrei sei. Weiter mahnte er eine Untersuchung über die Auswirkungen eines Durchfahrtverbots durch den Neckarbogen an, weil es Auswirkungen für die City habe. Mit Blick auf die Not der Anwohner meinte auch Tanja Sagasser-Beil (SPD), dass "eigentlich alles schneller gehen muss". Gleichzeitig lobte sie das Rathaus, weil es etwa den Zebrastreifen-Vorschlag ihrer Partei schnell umgesetzt habe. "Dies sollte Ansporn für Weiteres sein." Lob fürs Rathaus gab es vor allem von Randecker. "Wir sind auf dem richtigen Weg und müssen einfach alle ins Gespräch einbeziehen." Ähnlich Herbert Burkhardt (FWV), der ausdrücklich davor warnte, die Gerberstraße zu sperren, schließlich wollten Anwohner, etwa nach der Schicht, auch nachts heimfahren.
"Wir müssen auch die Chancen sehen", betonte Konrad Wanner (Linke). Er erinnerte, wie die City durch die Sperrung der Unteren Neckarstraße mit Gastro-Meile an Flair gewonnen habe. Dies sollte über eine "massive Reduzierung des Autoverkehrs" für die Weiterentwicklung der City motivieren. Damit sprach er Wolf Theilacker (Grüne) aus der Seele. Gottfried Friz (FDP) brachte die komplexe Lage so auf den Punkt: "Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Deshalb sollten wir nichts übers Knie brechen."


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Kommentare
Ralf Englert am 15.10.2021 12:14 Uhr
Weder die im Artikel gelobten Zebrastreifen noch der „Verkehrsversuch zur Erforschung des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen" werden neue Erkenntnisse an den Tag bringen.
Aus meiner Sicht wird die Tatsache, dass viele Pendler aus Stadt und Umland diese Tangente nutzen müssen um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen, zu meinem Unverständnis völlig ausgeblendet.
Der „Geniestreich“ der dauerhaften Abschaffung der Durchfahrt zum Bahnhof via Kranenstraße hat der Gerber- und Lohtorstraße das Genick gebrochen.
Als Hoffnungsschimmer erschien mir der Plan „Kranenstraße 2“ welcher die Untertunnelung der Gleisen ab Experimenta Parkhaus vorsah. Leider musste dieser Plan wegen einer nun im Bau befindlichen Fußgängerbrücke weichen.
Leider legen die Verantwortlichen hier eine falsche Priorisierung der Sachlagen und Problemlösungen an den Tag und geben sich weiter der Illusion einer autofreien Stadt Heilbronn hin.
Thomas Gaukel am 15.10.2021 09:42 Uhr
Es gibt eben sowohl an der Stadtgallerie, als auch am Kätchenhof/Rathaus relativ große Parkkapazitäten, aber keine echte Zufahrtsmöglichkeit ohne erst weit durch enge Wohngebiete zu fahren. Und mit der Sperrung von Kaiserstraße / Neckarstraße / Kranenstraße / Götzenturmbrücke wurden nach und nach immer mehr Entlastungs-Schleichwege zu gemacht, also konzentriert es sich auf immer weniger verbleibende Straßen.
Prinzipiell wäre die Bahnhofstrasse dann die einzige Zufahrt die übrig bleibt für den Bereich, und die ist wenn ein paar Stadtbahnen kommen auch relativ schnell zu, und von/in Richtung Norden ist es von da auch schwierig hin und weg zu kommen, und an der Kreuzung nach der Friedrich-Ebert-Brücke ist dann auch meistens Chaos. Wenn man die Straßen mit Autoverkehr wirlich langfristig weg bekommen wöllte, müsste man vermutlich im Endeffekt auch die Parkmöglichkeiten in dem Bereich weg nehmen, damit es nicht mehr so viele Ziele für den Verkehr gibt.
Also definitiv ein sehr langfristiges Projekt.