"Es ging bei mir um Leben und Tod" – Thomas Strobl über Corona-Infektion
Durch Heilbronn joggen mit dem Innenminister: Dabei erzählt der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl erstmals, wie nah er bei seiner Covid-Erkrankung dem Tod war.

Wenn Thomas Strobl über das Bundesgartenschaugelände in Heilbronn joggt, ist das für ihn jedes Mal von Neuem eine kleine Auferstehung. Der baden-württembergische Innenminister erfreut sich an den kleinen Dingen, die er beobachten kann. An dem Graureiher, der im Schilf steht und die Fische auskundschaftet, an den schönen Rosenknospen oder an der Schwanenfamilie, die sich rührend um die Jungen kümmert.
Dass der 63-Jährige wieder sportlich bis zu eineinhalb Stunden am Stück laufen kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist für ihn ein unerwartetes Geschenk. Denn Strobl hat schlimmer an den Folgen des Corona-Virus gelitten, als es der Öffentlichkeit bisher bekannt ist. Sie weiß, dass er im März 2022 einige Tage auf der Intensivstation verbringen musste. "Aber es ging bei mir um Leben und Tod", verrät Strobl nun, während er auf dem hölzernen Steg locker trabt und auf den Neckar blickt.
Strobl wird mit Covid-Infektion ins künstliche Koma versetzt
Als er im Krankenwagen auf der Liege liegt, verabschiedet er sich von seiner Frau und sagt: "Vielleicht komm' ich nicht wieder heim." Er sei in diesem Moment mit sich im Reinen gewesen. Auch seine Frau habe ruhig reagiert, erzählt Strobl. Er lächelt.
Im Krankenhaus wird Strobl in ein künstliches Koma versetzt. Die Ärzte können nicht vorhersagen, ob er die Nacht überleben wird. Am Abend vorher habe es beim Essen angefangen. Er hat keinen Appetit, legt sich aufs Sofa, fühlt sich schlapp. Er dachte, dass er Covid-19 schon überwunden hätte, er hatte bis dahin nur leichte Grippesymptome, Gliederschmerzen.
Innenminister trifft Intensivmedizinerin auf dem Markt
In dieser Nacht kann Strobl nicht schlafen. Sein Brustkorb schmerzt, das Atmen fällt ihm schwer, er ringt um Luft. "Ich hatte einen unangenehm stechenden Schmerz." Als es nicht besser wird, ruft seine Frau am Morgen den Hausarzt an, der verständigt sofort den Notarzt, als er von den Symptomen erfährt.
Strobl leidet an einer schweren Lungenembolie. Im Krankenhaus geben ihm die Ärzte extreme Blutverdünner, damit sich sein Zustand stabilisiert. Später kommt eine Lungenentzündung hinzu. Wie dramatisch es um ihn gestanden ist, realisiert er erst Monate später, als er auf dem Markt einer ihm unbekannten Frau begegnet, die ihn anspricht. Sie sei die behandelnde Intensivmedizinerin gewesen - so stellt sie sich vor. "Sie haben mich um eine Nacht Schlaf gebracht." Strobl erfährt, dass die Ärzte um ihn gebangt hätten. Als er das hört, "ist mir erst richtig klar geworden, dass ich großes Glück hatte, ich hatte das bis dahin gar nicht so ernst genommen."
Strobl entlässt sich selbst aus der Klinik
Als Strobl im Krankenhaus wieder zu sich kommt, geht es ihm deutlich besser. So gut sogar, dass er sich Laptop, Handy und Akten in sein Zimmer bringen lässt. "Meine Frau hat sich schon gewundert, dass bei ihr ein Polizist klingelte und die die ganzen Sachen abholen wollte." Nach knapp einer Woche verlässt Strobl das Krankenhaus, er entlässt sich selbst. "Auf eigene Verantwortung und gegen den Rat der Ärzte", wie er erzählt. Er spaziert nach Hause, um herauszufinden, was er sich schon zutrauen kann.
Fast eineinhalb Stunden ist er unterwegs. Er merkt, dass er sehr geschwächt ist, vor allem ist er viel schneller außer Atem. Das Gehen fällt ihm schwer, jeder Schritt ist eine Qual, an Treppensteigen ist nicht zu denken. Zunächst versucht er, seine Schwäche vor seiner Frau zu verschleiern. Bei Spaziergängen hält er nach ein paar Metern an und bleibt stehen, zeigt auf jede Blume und jede Biene. Seine Gattin durchschaut seine plötzliche Vorliebe für Flora und Fauna jedoch schnell.
Joggen war nach der Covid-Erkrankung lange nicht möglich
Es vergehen eineinhalb Jahre, bis er im August 2023 wieder langsam mit Joggen beginnt. Erst drei Minuten, sechs Minuten. Er steigert das Pensum Schritt für Schritt - bis er sich nach eindreiviertel Jahren wieder so belasten kann wie vor der Covid-Erkrankung. Mittlerweile kann er wieder joggen und nebenbei sprechen.
Er zeigt auf dem Buga-Gelände die Errungenschaften seiner Heimatstadt. Den nachhaltigen Wohnungsbau, die Seen, die neue Schönheit. "Heilbronn hat enorm von der Buga profitiert", sagt Strobl. Er läuft wieder so gut, dass er sich vorstellen kann, wieder an einem Halbmarathon teilzunehmen, also 21 Kilometer. Erst neulich habe er sich darüber mit dem Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel unterhalten, dass sie im nächsten Jahr beim Trollinger-Marathon starten könnten. Konkret sei aber nichts, erzählt Strobl, "wir haben mehr geflachst, und es wird eher auf den Zehnkilometerlauf hinauslaufen."
Strobl ist nach dieser Grenzerfahrung gelassener
Die Grenzerfahrung mit dem Tod habe ihn gelassener werden lassen, betont Strobl. "Ich nehme die Dinge nun bewusster wahr." Die Kleinigkeiten, auch beruflich habe sich vieles relativiert. Er sei zwar schon vorher kampf- und krisenerprobt gewesen, aber politischen Turbulenzen wie die Sache mit dem Polizeiinspekteur Andreas Renner begegnet er noch unaufgeregter.
Das ist bei ihm nicht gespielt, das ist echt. Strobl weiß, wie schnell das Leben vorbei sein kann. "Ich habe genauso wie alle anderen, die schwer von Corona betroffen waren, erfahren, dass das Leben nicht selbstverständlich ist und von einer Sekunde auf der anderen vorbei sein kann", sagt Strobl. Und ist froh, dass er wieder mit seiner Frau am Neckar entlang joggen kann.
Zur Person: Thomas Strobl
Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl ist in Heilbronn geboren und aufgewachsen und seit 2016 Innenminister von Baden-Württemberg. Davor war der Rechtsanwalt 18 Jahre in der Bundespolitik engagiert, zunächst als Bundestagsabgeordneter in Bonn und später in Berlin. Zudem war er stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschland.
Serie Politiker persönlich: In dieser Serie treffen wir Landespolitiker bei ihrem sportlichen Hobby, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und sie von einer unbekannten Seite abseits ihres hektischen beruflichen Alltags kennenzulernen. Bisher erschienen: Mit Danyal Bayaz auf dem Basketballplatz, mit Nicole Hoffmeister-Kraut beim Wandern und mit Andreas Stoch beim Tennis.


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