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Hinter den Volksfest-Kulissen: Schausteller trifft die Krise hart

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Erst fielen Feste flach, und nun schießen die Kosten in die Höhe. Heilbronner Volksfest-Schausteller berichten ganz offen, wie es ihnen geht.

Fotos: Archiv/Veigel, privat
Fotos: Archiv/Veigel, privat  Foto: Veigel

Jubel, Trubel, Heiterkeit und die große Freiheit: Auf den ersten Blick führen Schausteller ein traumhaftes Leben. Doch hinter den Kulissen des Festzelts, jenseits der Leuchtreklamen, wenn die Lichterketten aus und die Musik verklungen sind, sieht es oft anders aus. 2020 und 2021 war es besonders schlimm.

Zwei Festkampagnen mussten wegen der Corona-Pandemie fast komplett abgeblasen werden, die Festplätze waren verwaist. Auch das Heilbronner Volksfest fiel zweimal flach. Umso größer waren die Erwartungen in die aktuelle Saison. Und tatsächlich: Das Wetter spielte seit Frühlingsbeginn weitgehend mit, und die Menschen legten einen regelrechten Festleshunger an den Tag. Der Nachholbedarf scheint bis heute groß zu sein.


Doch nachdem der russische Diktator Putin einen Krieg gegen die Menschen in der Ukraine vom Zaun gebrochen hat, sind die Auswirkungen inzwischen auch bei uns in Mitteleuropa angekommen: Bestimmte Waren und Produkte werden knapp. Lieferketten sind unterbrochen. In vielen Bereichen gehen die Preise durch die Decke. Vor allem die Kosten für Energie sind regelrecht explodiert, was nicht nur unmittelbar Auswirkungen auf die Gas- und Spritpreise hat, sondern indirekt auch auf besonders energieintensive Produkte wie Bier oder Glas. Und: Überall herrscht ein großer Fachkräftemangel, auch wenn sich mancher fragt, wo die ehemaligen Mitarbeiter alle geblieben sind.

Die Beschicker von Festplätzen und Festzelten bekommen das besonders zu spüren und können ein Lied davon singen. Die Heilbronner Stimme hat sich beim Volksfest auf der Theresienwiese umgehört und lässt auf dieser Seite einige Branchenvertreter zur Wort kommen.


Karl Maier, Festwirt und Göckelesmaier-Chef

Im Festzelt haben wir mit Preissteigerungen an allen Ecken zu kämpfen, vielleicht mehr als andere Branchen. Wir sind abhängig von Gas für Heißwasser, zum Grillen der Göckele, der Haxen, für die Küche, wo alle Produkte teurer wurden. Zu Buche schlägt auch der Sprit für unsere Fahrzeuge. Bier wurde wegen steigender Energiekosten teurer. Also all das drückt uns schon sehr. Vieles gilt auch für Schausteller, die vor allem mit dem Mitarbeitermangel zu kämpfen haben. Dem allem ging ja die heiße Phase der Corona-Zeit voraus. Da haben wir Fahrzeuge abgemeldet, Versicherungen eingefroren, Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und, und, und. Ohne staatliche Hilfen wäre es nicht gegangen. Unterm Strich steht ein fettes KfW-Darlehen, sonst hätten wir den Betrieb nicht aufrecht erhalten können. In jedem andern Land wäre das wohl ganz anders ausgegangen mit unserer Branche. Wenn man bedenkt: Einen Betrieb auf einen Schlag von 100 auf Null runter zu fahren! Das hält eigentlich keiner aus. Viele Schausteller haben im Lockdown alles mögliche gemacht, zum Beispiel als Fahrer gejobbt, in der Gastronomie, im Supermarkt. Die sind ja alle handwerklich begabt und erfinderisch. Auch sie haben natürlich von staatlichen Hilfen profitiert, das hat zumindest die Fixkosten aufgefangen.


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Peter Theilacker, Brauereichef von Haller Löwenbräu

Brauereien sind der Treibstofflieferant der Geselligkeit. Aber ohne Feste lief da 2020 und 2021 nicht viel. Wir haben auch andere Absatzwege wie Gastronomie, die insgesamt ein halbes Jahr zu war, und den Handel, der vieles kompensiert hat: Die Menschen wollen ja trotzdem trinken. Insgesamt ging der Pro-Kopf-Absatz an Bier von über 100 Liter im Jahr vor der Krise auf 92 zurück. Unsere Brauerei hatte zehn Prozent Einbußen, das geht. Aber ohne Feste fehlt natürlich viel. Endlich kann man wieder zusammenhocken, wir sehen, dass es einen unheimlichen Nachholbedarf gibt. Insofern war das sonnige Frühjahr 2022 ideal für Getränkehersteller. Eigentlich eine traumhafte Konstellation, die aber getrübt wird durch den Fachkräftemangel, bei uns im Fuhrpark. Und: Lieferketten nach Asien sind gestört, Ersatzteile oft kaum zu bekommen. Das Wirtschaften ist durch den Ukraine-Krieg deutlich schwieriger geworden, wobei der Motor schon vorher etwas gestottert hatte: und jetzt auch noch die Kostenexplosion durch Energieverknappung. Das trifft uns heftig, da wir das Bier in großen Tanks erst hoch- und dann runterkühlen. Hinzu kommt ja auch noch, dass die Glashütten keine Flaschen mehr produzieren, wobei wir bei Bier ja das Mehrwegsystem haben. Wie sich das alles auf den Bierpreis auswirkt, kann ich noch nicht sagen.


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Cathi Thaldorf, Schaustellerin mit Pfeilwerferstand

Zu meinem Mann Karlheinz, der das seit 30 Jahren macht, bin ich vor zehn Jahren in unseren Stand eingestiegen. Mir hat das immer Spaß gemacht, aber sowas wie in der Pandemie möchte ich nicht mehr erleben. Zum Glück haben wir noch eine andere Arbeit, trotzdem hat was gefehlt, finanziell und emotional. Nun explodieren auch noch die Kosten.

 Foto: Krauth, Kilian

Ein Karton mit 1000 Ballons kostet 150 Euro, 25 Prozent mehr als vorher, auch Geschenkartikel sind teurer geworden. Man kann aber nicht alles an die Kunden weitergeben, so verlangen wir weiterhin drei Euro, aber nicht mehr für fünf, sondern für vier Pfeile.


Ralf Wegener, Gastronomischer Leiter im Festzelt

Im Lockdown hatte ich zwar Aushilfsjobs, war aber sonst viel daheim, viel im Urlaub, viel unterwegs, aber es war keine Linie drin. Aktuell glaube ich nicht, dass wir im Zelt zur Corona-Schleuder werden, jeder kann sich selber schützen. Aber durch die Pandemie wurden die Arbeitskräfte knapp, wir im Zelt haben zum Glück genügend an der Hand.

 Foto: Krauth

Gleichzeitig fehlen in der Küche immer wieder Produkte, Kartoffeln, Öl, kleine Dinge. Krüge haben wir noch genügend, aber 0,33-Liter-Glasfläschchen gibt es gar nicht mehr und die kleinen Gläser nur mit Mühe. Die bisherige Festsaison lief je nach Wetter recht gut, man spürt, die Leute haben einen gewissen Nachholbedarf. Wobei sie das Geld gezielter ausgeben und mehr auf Qualität achten.


Petra Roth, Schaustellerin mit Süßwarenstand

In der Zeit ohne Feste habe ich mir eine andere Arbeit gesucht, so wie andere Kollegen auch. Mein Mann etwa ist für eine Spedition gefahren. Deswegen haben wir es eigentlich ganz gut rumgebracht. Aber jetzt auf dem Volksfest ist es einfach wieder etwas anderes. Das ist unser Leben, das tut der Seele gut, da blüht man auf, wenn die Leute kommen und alle denken: Endlich wieder!

 Foto: Seidel, Ralf

Mit den Kosten ist es so, dass etwa Magenbrot, Herzen, Lebkuchen, also alles, was mit Mehl zu tun hat, teurer wurde. Da gab es allein dieses Frühjahr drei Preiserhöhungen von insgesamt 30 Prozent. Wir haben schon ein bisschen draufgeschlagen, nicht das volle, aber man muss es ja irgendwie auffangen. Bei Mandeln und Nüssen geht es noch.


Franziska Meeß-Gusik, Schaustellerin mit Kinderkarussell

In der Pandemie haben uns Pop-up-Parks geholfen, die es im Ruhrgebiet mehr gab als hier, aber auch ein Standplatz in der Fußgängerzone von Herne. Das hat uns über Wasser gehalten. Jetzt erleben wir mit der Energiekrise die große Katastrophe. Wir Schausteller mit unseren Wohnwagen, Transporten, Fahrgeschäften sind ja alle auf Gas und Strom angewiesen.

 Foto: Krauth, Kilian

Beim Kochen etwa sind wir total vom Flaschengas abhängig, ob wir das weiter so bekommen, ist momentan ja die große Frage. Jetzt kommen die Leute ja in Scharen, weil sie was nachholen müssen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das anhält.

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