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Heilbronn feiert Weindorf-Jubiläum mit Verspätung

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Wegen Corona musste das Jubiläumsfest zweimal verschoben werden. Nun steht dem 50. Heilbronner Weindorf nichts mehr im Wege: eine Erfolgsgeschichte mit Höhen und Tiefen.

Aus bescheidenen Anfängen erwächst bald der größte Weinreigen der Region.
Aus bescheidenen Anfängen erwächst bald der größte Weinreigen der Region.  Foto: Archiv/HSt

Eigentlich hätte das Jubiläum 2020 oder 2021 gefeiert werden sollen. Doch wegen Corona musste man sich zuletzt mit dezentralen Events im Auslese-Format begnügen. Nun wird das 50. Heilbronner Weindorf nachgeholt, Erinnerungen werden wach.

Anlässlich der Heimattage platziert man 1971 parallel zum damaligen Wengerter-Hauptfest, dem Heilbronner Herbst auf der Theresienwiese, auf dem Marktplatz ein paar Ausschankhütten. Während beim zünftigen "Herbst" 0,5-Liter-Schoppen kreisen, gibt man sich am Marktplatz feiner. Hier werden kleine Zehnteles-Gläser gereicht. Im Ausschank sind 68 verschiedene Tropfen. Kostenpunkt: 50 Pfennig bis eine Mark. Wengerter Hermann Schneider (87) spricht von einer "harten Geburt". Auf Einladung von Heilbronn Marketing GmbH und Verkehrsverein lässt der 87-Jährige mit anderen Pionieren und Akteuren gerne alte Zeiten aufleben.


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Nicht immer herrscht rund ums Rathaus eitel Sonnenschein.
Nicht immer herrscht rund ums Rathaus eitel Sonnenschein.  Foto: Eisenmenger

Herzstück ist 1971 eine mit Stühlen und Tischen ausgestattete Boxauto-Halle. Drumherum stellen sieben Genossenschaften Häuschen auf: Heilbronn, Erlenbach, Weinsberg, Flein, Nordheim, Talheim, Schwaigern. Abgerundet wird das Provisorium durch einen Imbiss- und einen Mandelstand, weiß Gastronomin Hanne Schröter. Ein voller Erfolg. Fast alle sind aus dem Häuschen. 1972 klinken sich Lauffen und Südmilch ein, wobei Festbürgermeister und WG-Chef August Muhler, dem 1998 Karl Seiter und 2021 Daniel Drautz folgen, anfangs Probleme hat, neue Winzer aufzutreiben.

Markenzeichen schöne Stände

1973 feiert man in einem durch den Marktplatz-Umbau aufgehübschten Ambiente. Es folgen Dorferweiterungen an Lohtorstraße und Rathausgasse: mit Brackenheim, Bönnigheim, Dürrenzimmern, Grantschen, Drautz-Able mit Eberbach-Schäfer. Redakteur und "Schoppe Fidde" Siegfried Schilling hebt den 1975 von Heilbronner Stimme und Verkehrsverein initiierten Blumenschmuck-Wettbewerb hervor, über den schön gestaltete Stände neben dem Wein zum Markenzeichen des Festes avancieren.

After-Dorf-Partys

1977 stoßen Göhring und Kircher hinzu, deren Platz an der Rathaustreppe längst von G.A. Heinrich und Hochschule Heilbronn besetzt ist. Rotationen gibt es auch in dem lange von Wurst und Pommes dominierten Imbissbereich, etwa 1984 wegen des Neubaus des Käthchenhofs sowie später durch Gastronomen wie Burkhardt, Straub und Umberto. Auch die Ratskeller-Brüder Mosthaf zeigen bald, was zum Wein passt - und laden einige Jahre zur After-Dorf-Party, wie sich Journalist Gerd Kempf erinnert. Stammgast Monika Thunert schätzt das Fest auch als "Kontaktbörse mit vielen schönen Menschen".

 

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Negative Randerscheinungen

Bei Senioren umstritten ist das 1999 besiegelte Aus des Marktplatz-Zeltes. Oft ist es schon mittags proppenvoll, Seppel Schell macht Musik. Es folgen vier "Beduinen-Zelte", die durch Segel ersetzt werden. Gewandert ist die Hauptbühne: vom Rathaus-Anbau vors heutige Eiscafé zur Kaiserstraße. 2022 fällt sie aus Kostengründen flach, ebenso wie manche Deko-Teile und Pergolen. Die Musik hat sich von volkstümlich über rockig zu poppig und swingend gewandelt, weiß Peter Alexander, der die Kapellen anfangs koordiniert.

Bald wird Kritik an der Lautstärke laut, auch Beschwerden von Anwohnern, die unter Randerscheinungen leiden. "Alles ist besser geworden", betont Ex-Verkehrsdirektor Bernhard Winkler: dank Flaschen- und Müllsammeldiensten. Kaum jemand ruht sich auf den Erfolgen aus, sagt Verkehrsvereinschef Nico Weinmann, nicht nur bei Wein und Speisen, deren Qualität über Wettbewerbe und Feinschmecker wie Natalie Lumpp und Otto Geisel sowie DHBW-Studenten verfeinert wird.

Wein als Integrator der Region

Ein Klassiker ist die Kür des Unterländer Weinzahns, im Jahr 2000 ehrt Ex-Dorf-Bürgermeister Karl Seiter (links) Karl Greven.
Ein Klassiker ist die Kür des Unterländer Weinzahns, im Jahr 2000 ehrt Ex-Dorf-Bürgermeister Karl Seiter (links) Karl Greven.  Foto: Scheffler

Mitunter wird das Fest zum Politikum. "Es hat aber auch eine große Integrationskraft", weiß Journalist Gerhard Schwinghammer. Als immer mehr Wengerter anklopfen, bringen Gemeinschaftsstände Ruhe in die Gassen und lassen die Region zusammenwachsen: Wein-Villa, Wengertersstand, Hohenlohe, Weinsberger Tal. Im Vorfeld der Buga 2019 wächst das Fest auf 50 Beschicker: durch einen Öko-Stand mit Wein von Lauffen, Stromberg-Zabergäu, Stutz und Schäfer-Heinrich. Zuvor gehen am Hafenmarkt die Neckarpiraten vor Anker, also Willy, Cleebronn-Güglingen und Felsengartenkellerei Besigheim. Lounge-Möbel aus Paletten bilden die Brücke ins Dorf. Dort weht längst auch gastronomisch ein frischer Wind: mit Erwin Gollerthan, Marcel Küffner sowie der Roten Brigade, die 2022 durch Bitty's Food Truck abgelöst wird.

Aussteiger gibt es immer öfter. 2022 verzichten Drautz-Able und Kistenmacher-Hengerer auf ihr Häuschen. Die Zeiten, da man sich im Weindorf eine goldene Nase verdient hat, sind offenbar vorbei. Dennoch gilt das Fest als wichtige Marketingplattform, als "Schaufenster der Weinregion", wie Seiter und Drautz sagen. Den jährlich rund 250.000 Besuchern macht es "einfach Spaß". Für HMG-Chef Steffen Schoch bleibt die Frage: wie viele nach zwei Leerläufen zum Jubiläum den Weg ins Dorf finden.

 


 
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