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Wie Häftlinge im Gefängnis leben: Seltene Einblicke in die JVA Heilbronn

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30 Teilnehmer des Stimme-Lesersommers durften bei einer Führung durch die Heilbronner Justizvollzugsanstalt dabei sein und erleben, wie es hinter Gittern zugeht.

Von Ute Plückthun
Bei der Führung in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn bekamen die Teilnehmer des Stimme-Lesersommers auch den Freiganghof und den Sportplatz zu sehen.
Bei der Führung in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn bekamen die Teilnehmer des Stimme-Lesersommers auch den Freiganghof und den Sportplatz zu sehen.  Foto: Plückthun, Ute

"Früher hat man öfter mal die Sirene gehört", erinnert sich die Abstatterin Christa Maurer, die in der Steinstraße 56 aufgewachsen ist. Dann habe man gewusst: Jetzt ist wieder einer ausgebüxt. Als Lehrling bei einem Anwalt habe sie ihr Chef einmal in die Justizvollzugsanstalt mitgenommen. Deshalb ist ihr Interesse groß, beim Stimme-Lesersommer zum 150. Jubiläum der JVA erneut einen Blick hinter die Mauern zu werfen.

Keiner der 30 angemeldeten Teilnehmer lässt sich die Führung entgehen. Renate Noe aus Schöntal ist dabei, weil schon der Onkel Vollzugsbeamter war und der Schwager es noch ist. Andere wollten schon lange einmal sehen, wie es hinter Gittern zugeht.

Eingangskontrollen, Handy-Verbot und stets sorgsam verschlossene Türen

Handys müssen draußen bleiben und Taschen eingeschlossen werden. Der Kontakt zu den zwischen sechs Monaten und 44 Jahren inhaftierten Strafgefangenen wird durch einen exakten Zeitplan vermieden. Nach der Eingangskontrolle und stets sorgsam verschlossenen Türen sind im Saal für Gottesdienste alle Augen auf Andreas Vesenmaier gerichtet. Der Staatsanwalt, der die Anstalt seit 2019 leitet, präsentiert Fakten.

Dass es 380 Häftlinge sind, 43 davon im offenen Vollzug. Dass von 242 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 140 dem allgemeinen Vollzugsdienst im Schichtbetrieb, 40 den Werkstätten und 30 den ärztlichen, psychologischen oder sozialen Diensten zugeordnet sind. Dass 56,5 Prozent der Insassen die deutsche und zehn Prozent die türkische Staatbürgerschaft haben, der Rest auf viele andere Herkunftsländer verteilt ist. "45 Nationen sind eine Riesenherausforderung. Schon allein wegen der Sprachbarrieren." Über ein Viertel sitzt ein wegen Drogendelikten, andere wegen Diebstahl, Betrug oder Raub. Bei 13,5 Prozent waren es Straftaten gegen das Leben, darunter 25 Mörder und sieben Totschläger, fast sechs Prozent haben Sexualstraftaten begangen.


Nicht wegsperren, sondern resozialisieren ist das Ziel in der JVA

Vesenmaier macht klar, worum es geht. Um den Schutz der Allgemeinheit ebenso wie um die Resozialisierung der Strafgefangenen. "Wir schließen sie nicht einfach ein, sondern arbeiten tagtäglich mit ihnen." Durch Gespräche, psychologische und soziale Therapien, Sprach-, Schreib- und Lesekurse, mit bezahlter Arbeit sowie dem Angebot von Schulabschlüssen oder Ausbildung in acht Berufen. Für viele gebe es erstmals einen festen Tagesablauf. Ziel sei, "dass sie lernen, ein straffreies Leben zu führen".

Beim Rundgang mit Vollzugsdienstleiter Arndt Seifert und seinem Stellvertreter Andreas Dylewski sowie Werkdienstleiter Helmut Fietz und seinem Stellvertreter Jürgen Reitz gibt es Einblicke in moderne Einzelzellen mit separatem Sanitärbereich. Gerald Morawietz aus Flein fühlt sich an seine Studentenbude erinnert. "Aber wir mussten ja nicht von 20 bis sechs Uhr dort sein."


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Dass die älteren Zellen von 2024 bis 2032 generalsaniert werden müssen, stößt auf Verständnis. Es geht zur Sicherheitszelle für suizidale oder gewalttätige Gefangene in engster Überwachung, durch den Versorgungskeller, über Freiganghöfe, Fitnessraum, Turnhalle und in Werkbetriebe wie die Schreinerei, die Firmen oder auch die Stadt Heilbronn beliefert. Die Produkte aus Bäckerei, Metzgerei, Hohrainhof sowie genähte "Jailers"-Taschen aus ehemaligen Bannern machen Eindruck. Deshalb plant Christa Maurer: Der nächste Heilbronn-Besuch wird freitags stattfinden, wenn das Gitterlädle geöffnet hat.

 
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