Gemeinschaftsgarten liegt voll im Trend
Fünf Monate nach dem Start der Gemeinschaftsgärten im Süden von Heilbronn ziehen die Initiatoren eine positive Bilanz. Tomaten und Bohnen, aber auch Melone und Mais bauen 65 Hobby-Gärtner auf kleinen Ackergrundstücken im Kollektiv an. Was unterscheidet das "Gartenglück" vom Schrebergarten?

Sie kommen kurz vorm Sonnenuntergang. Auf Fahrrädern, in Autos oder aber auch zu Fuß. Wenn die Temperaturen erträglich werden, trauen sich Gärtner und Gärtnerinnen wie Ulrike Surdmann zu ihren Beeten. Die liegen nicht etwa wie bei der 63-Jährigen im heimischen Garten in Talheim, sondern auf dem Gelände "Äußere Mausklinge" im Süden der Stadt Heilbronn.
Seit April dieses Jahres teilen sich 65 ganz unterschiedliche Menschen das etwa zehn Hektar große Stück Land und bewirtschaften es gemeinsam. "Querbeet", so beschreibt Initiatorin Angela Seigerschmidt die Teilnehmer des Projektes "Gartenglück". Von zwei Studierenden über Familien, die am Wochenende mit ihren Kindern kommen, bis hin zu alleinstehenden Senioren sei alles dabei.
Seit vielen Jahren ist die Heilbronnerin von der Idee der Gemeinschaftsgärten überzeugt, sie träumt gar von der "essbaren Stadt" - der Nutzung urbanen Raums zum Anbau von Lebensmitteln. Allein die Fläche fehlte. Als Klaus Umbach, Chef der gleichnamigen Bioland-Gärtnerei, frühere Rucola-Felder der Gemüsegärtnerei Andreas Traub zur Pacht angeboten bekam, konnte die Idee in die Tat umgesetzt werden. Auch das Grünflächenamt beteiligt sich, um ein Biotop samt Ackerblühstreifen und Obstbaumallee zu verwirklichen.
Bio-Qualität ist Pflicht
Die Idee der Gemeinschaftsgärten ist nicht neu. In Großstädten wie Berlin oder München sind es Brachen zwischen Hochhäusern und parkenden Autos, die zu einem blühenden Paradies und junge Familien oder trendbewusste Hipster zu Gemüsebauern werden. Diese kollektiv betriebenen Gärten sind eine Spielart des Urban Gardening, des urbanen Gartenbaus. Etwas strukturierter geht es im Heilbronner Gartenglück dann doch zu. Die 65 Pioniere haben jeweils eine 50 Quadratmeter große Fläche zugeteilt bekommen.

"Auf diesem Stückchen Acker kann jeder machen, was er möchte", erklärt Organisatorin Angela Seigerschmidt. Die aus Schrebergartenanlagen so bekannten Maschendrahtzäune fehlen gänzlich. Die Mieter hegen und pflegen ihre Parzelle und können dafür während der etwa sechs Monate dauernden Saison 20 bis 30 Sorten Gemüse ernten. Tatsächlich ist spätestens im November Schluss mit dem Gartenglück. "Dann muss der Boden umgehoben werden, damit er auch im nächsten Jahr wieder fruchtbar ist", erklärt Klaus Umbach. Und noch eine Bedingung gibt es: "Es muss Bio-Qualität angepflanzt werden."
Konzept der Selbstversorgung
So wie die meisten hat auch Aurelie Heinrich Zucchinis angebaut - und Tomaten, Karotten, Kartoffeln, Melonen, Mais, Chilis und und und. Dabei hat die 48-Jährige, die gebürtig aus Kamerun stammt, mit ihrer besonderen Pflanztechnik gleich die anderen inspiriert: "Ich habe mit Hügelbeeten gearbeitet - dadurch kann man mehr anbauen und das Wasser wird besser gespeichert." Wenn man heute den Blick über die Beete schweifen lässt, kann man auch in anderen Mietgärten Hügel mit Salatköpfen und mehr entdecken. "Aurelie hat uns alle inspiriert", sagt Corina Deutsch.
Die 60 Jahre alte Heilbronnerin wohnt in einem Mehrfamilienhaus und ist seit der Buga 2019 vom Konzept der Selbstversorgung überzeugt. "Ich finde es sehr schade, dass ich auf den Balkonen kaum noch Blumenkästen sehe", so Corina Deutsch. Aurelie Heinrich geht es ähnlich. Auf ihrem heimischen Balkon steht im Gegensatz dazu ein Hochbeet mit Salat, Kräutern und mehr.
Infonachmittage für Austausch
Über Themen wie diese wird beim monatlichen Infonachmittag, bei dem es auch Tipps von verschiedenen Experten gibt, gesprochen. Aber nicht nur dann. "Die Atmosphäre hier oben zwischen den Gärten mit Blick über Heilbronn ist ganz besonders", schwärmt Corina Deutsch. So sei es nicht verwunderlich, dass sich abends einige Hobby-Bauern zum gemeinsamen Abendessen und Plausch treffen würden.
Zumindest in Feld 1. "Insgesamt gibt es drei Felder", erklärt Klaus Umbach. Jedes habe seine eigene Dynamik. Die Gärtner von Feld 2 würden die Ruhe zwischen den Feldern genießen, wohingegen Feld 3 wegen der Nähe zur Hoover-Siedlung beliebt sei. Das Gartenglück sei eine tolle Möglichkeit, den Obst- und Gemüsebau auszuprobieren, so Ulrike Surdmann. So hätten Raben ihre Bohnensaat gestohlen, aber: "Plötzlich wuchsen wilde Tomaten, die wohl im Kompost steckten - der Garten ist eine Wundertüte."
Weitere Informationen
Pioniere haben es selten leicht, doch dass der Sommer so trocken werden würde, damit hatte wohl keiner gerechnet. "Im nächsten Jahr wird es auf allen Feldern eine Bewässerungsanlage geben", verspricht Klaus Umbach. Dann sei das Schleppen von Gießkannen passé. Das Wasser wird dabei aus zwei Brunnen bezogen. Ab dem nächsten Jahr steigt die Miete für ein Gartenstück deshalb auf 300 Euro - inklusive 100 Euro-Einkaufsgutschein in der Gärtnerei Umbach. Neben dem direkten Wasseranschluss stehen den Gärtnern Biodünger sowie Arbeitsgeräte zur Verfügung. Am 24. und 25. September bietet die Gärtnerei Umbach ein Info-Wochenende zu den Saison-Gärten an. Weitere Informationen dazu unter gaertnerei-umbach.de. Ansonsten stehen die Gärtner auch jederzeit für Fragen zur Verfügung, wenn sie gerade vor Ort sind.