Neuer Schornstein für Heilbronn: 144-Meter-Kamin prägt jetzt das Stadtbild
Der Schornstein des neuen Gaskraftwerks in Heilbronn ragt 144 Meter in die Höhe – gebaut in nur 35 Tagen ohne Kran. Die Arbeiten am Kraftwerksgelände schreiten voran: Wärmespeicher, Turbinen und Kühlsysteme entstehen mit Präzision und internationaler Unterstützung.
Für Christopher Haschek ist die Aussicht hier Routine. In 144 Meter Höhe schweift der Blick weit – bis zur Frießinger Mühle und zum Südzucker-Werk im Norden, weit über die Böllinger Höfe hinweg nach Westen. Nach Süden rahmen Wartberg und Schweinsberg das Panorama ein, während die A6 mit winzigen Autos und Lastwagen nach Osten entschwindet. Ganz oben, auf dem neuen Schornstein des künftigen Heilbronner Gaskraftwerks, bieten sich ganz neue Perspektiven.
Schonstein am künftigen EnBW-Gaskraftwerk: 144 Meter in 35 Tagen
Am 14. April hatten die Arbeiter der polnischen Spezialfirma Dominion die endgültige Höhe erreicht, erzählt der Bauleiter, nach gerade einmal 35 Tagen. Dabei wurde ganz ohne Kran gearbeitet: Die Schalung glitt immer weiter nach oben, während der Beton und die Stahlarmierung durch das Innere des Kamins mit Seilwinden nach oben kamen. 15 Mann waren pro Schicht im Einsatz, auf Holzbrettern, Gerüsten und dem schmalen Betonring.

Unten hat der neue Schornstein nur 45 Zentimeter Wanddicke, oben sind es bloß noch 26. Der Durchmesser verjüngt sich von 13,10 Meter am Boden auf 8,10 Meter an der Spitze. Und dennoch wurden 1800 Kubikmeter Beton und 195 Tonnen Stahl verbaut, berichtet Haschek. Nun muss seine Firma nur noch die Schalungsgeräte abbauen, die wie ein Storchennest auf dem Kamin thronen. Auch das werde von Hand geschehen, erzählt er, mit Hilfe von Seilzügen und anderen Hilfsmitteln natürlich. Ansonsten ist nur noch wenig zu tun: Es müssen noch letzte Leitern und Bühnen montiert, die Emissionsmessung eingebaut und die Fliegerbefeuerung angebracht werden, erklärt Jens Rathert, technischer Projektleiter bei der EnBW.
Baustelle am EnBW-Kohlekraftwerk sorgt für neue Heilbronner Silhouette
Dominion ist nur eine von vielen Firmen, die auf der Baustelle am Heilbronner Kohlekraftwerk gerade tätig sind. Aber sie ist diejenige, die für eine neue Heilbronner Silhouette sorgt. "Wir bauen alles ab zehn Meter Höhe", meint Haschek. Windräder, Schornsteine, Silos - der Bauleiter nennt es schlicht "Monolithen". Die 144 Meter von Heilbronn sind für ihn nichts Ungewöhnliches - der höchste Schornstein, an dem er beteiligt war, ging bis auf 250 Meter; für einen Mast wurden es sogar mehr als 300 Meter. Dabei dauert die Fahrt mit dem außen angeschraubten Fahrstuhl schon auf der Heilbronner Baustelle gut fünf Minuten bis nach oben. Lochbleche an der Kabine sorgen dafür, dass die Höhe während der Fahrt nicht direkt bewusst wird. Spätestens dann, wenn der Blick von oben in den Kühlturm möglich wird, ist aber klar, dass es hier ziemlich weit nach oben gegangen sein muss.
Im Inneren des Kamins hängt die Winde herab. An einer Seite klafft ein großes rechteckiges Loch in etwa 20 Metern Höhe - hier wird der Rauchgaskanal eingeführt. Eine große Klappe wird den Schornstein nach unten verschließen, damit er warm bleibt und das Kraftwerk rasch angefahren werden kann, sobald Bedarf besteht. Denn es ist ja nicht für den Dauerbetrieb gedacht, sondern soll nur zugeschaltet werden, wenn ansonsten das Stromnetz instabil zu werden droht oder die erzeugten Strommengen aus Wind und Solarenergie nicht reichen. Auch Block 7 des Kohlekraftwerks von Heilbronn bleibt vorerst noch in Bereitschaft, genannt Netzreserve - für den Fall der Fälle. Doch erst einmal muss das neue Kraftwerk fertig werden.

Neues Gaskraftwerk in Heilbronn: Was sich derzeit an der Baustelle tut
Immerhin sind die Bauarbeiten an den meisten Stellen des Areals bereits in die Montage der Anlagen übergegangen. Kessel und Wärmetauscher stehen zum Beispiel schon, eingerahmt in solide, blaue Stahlträger. Die Komponenten wurden vormontiert geliefert, per Schiff aus China, erläutert Rathert. Vor Ort müssen sie nur noch miteinander verbunden werden. Nebenan läuft unterdessen die Vorbereitung für das Einsetzen der Turbine. Facharbeiter fertigen gerade die Lager. "Wir haben momentan alle Grade an Genauigkeit auf der Baustelle", meint der Projektleiter. "Hier geht es um Millimeter, anderswo schieben wir noch Schotter vor uns her." Unter anderem an der Baugrube für die Kühlwasserleitungen, die künftig das Kraftwerk mit dem schon bestehenden Kühlturm verbinden.
Auch am südlichen Ende der Baustelle wächst etwas in die Höhe - aber auf andere Weise: Der Wärmespeicher, der die Fernwärmeversorgung für Heilbronn sicherstellen soll, ist zurzeit gerade mal so groß wie ein Einfamilienhaus. Dass er einmal 60 Meter emporragen wird, ist nicht zu erahnen. Denn er wird in Spiralmontage gebaut: Die Bleche sind leicht schräg geschweißt, in etwa fünf Meter Höhe befindet sich eine Naht mit Rollen. Sie dreht sich stetig, während ein Blech nach dem anderen schräg eingefügt und verschweißt wird, wobei es Hydraulikstempel weiter anheben. "Man sieht es gar nicht, so langsam geht das vor sich", erzählt Rathert. Aber es funktioniert und spart Kran- und Gerüstarbeiten.
Kräne gibt es ohnehin schon fast zu viele auf der Baustelle. Große und kleine, von quasi allen Kranvermietern, für schwere Lasten und Feinarbeiten. Es wirkt wie ein riesiges Ballett aus Armen, Haken und Seilen - und dazwischen sind mindestens noch mal so viele Hubbühnen unterwegs, mit denen Arbeiter Montagen in luftiger Höhe erledigen. 250 Beschäftigte gibt es derzeit auf der Baustelle, schätzt Rathert. Wenn erst die Feinarbeiten im Inneren beginnen, werden es an die 600 sein.