Facebook-Gruppe zu historischen Fotos aus Heilbronn boomt
Mehr als 3000 Menschen aus aller Welt teilen „Historische Bilder aus Heilbronn“ in der gleichnamigen Facebook-Gruppe. Was den Reiz der alten Aufnahmen ausmacht und welche Ecken von Heilbronn sich besonders verändert haben.

„Da schaut man heute aufs K3“, schreibt Roseliese Müller und Irene Blessing ergänzt: „Da war links noch der Tengelmann, da haben wir nach der Schule einen Lutscher oder Süßes gekauft.“ Na, erraten, um welche Ecke in Heilbronn es sich handelt? Die Rede ist von der Kreuzung Weinsberger-/Paulinenstraße, der Blick fällt auf den Berliner Platz stadteinwärts.
Die Szene Anfang der 70er Jahre hat der Hobbyfotograf Alex Staruszkiewicz festgehalten. „An einem Wintertag mit wenig Sonne“, schreibt der heute 73-Jährige dazu. Hochgeladen hat er die Schwarz-Weiß-Fotografie in der Facebook-Gruppe „Historische Bilder aus Heilbronn“. Seit dem 12. Januar 2021 existiert die Gruppe in dem digitalen Netzwerk, das weltweit rund 2,93 Milliarden Menschen verbindet.

Die Idee dazu kam Michael Koch. „Ich habe nach meinem Umzug von Heilbronn nach Wuppertal dort eine ähnliche Gruppe bei Facebook entdeckt und war begeistert“, erinnert sich der 49-Jährige. Für ihn als Zugezogenen und an Geschichte interessierten Menschen eine unkomplizierte Möglichkeit, seinen neuen Wohnort genauer kennenzulernen.
Warum also nicht die Dachböden in der eigenen Heimatstadt nach alten Aufnahmen durchforsten? Gerade in der Anfangszeit von Corona, in der viele Freizeitaktivitäten eine Zwangspause einlegen mussten. „Ich habe 50 Freunde in die neue Gruppe eingeladen und war überrascht, wie gut die ersten Fotos ankamen.“
Gruppe bekam schnell weitere Mitglieder
Schnell wuchs die Gruppe, der man bis heute nur nach Freigabe durch bestehende Mitglieder beitreten kann. Aktuell zählt die von Facebook als „private Gruppe“ bezeichnete Gemeinschaft 3132 Mitglieder. Fast täglich kommen neue dazu. Und das nicht nur aus der Region.
Zwei Drittel der Mitglieder stammen zwar laut Statistik aus Heilbronn, darüber hinaus gibt es aber auch Fans aus der Schweiz, Österreich und Italien. „Die größte auswärtige Gruppe stellen die US-Amerikaner dar“, sagt Marc Rabah, der seit Juli 2021 gemeinsam mit Bettina Czemmel ebenfalls Administrator von „Historische Bilder aus Heilbronn“ ist und Michael Koch unterstützt.
Der Hauptgrund für die vergleichsweise große Fangemeinde in den USA liegt schlicht in den nach dem Zweiten Weltkrieg in Heilbronn stationierten amerikanischen Soldaten. Egal ob Wharton Barracks oder die Eröffnung des PX-Centers in der Stuttgarter Straße, in dem sich heute eine Filiale von Kaufland befindet – die historischen Aufnahmen sorgen für Gesprächsstoff. Seien es Erinnerungen an den ersten Hamburger in der dortigen „Burger King“-Filiale oder aber die Freundin, die mit einem US-Amerikaner verheiratet war und dort vergünstigt einkaufen durfte.
Geschichten erzählen
„Die Fotos bringen die Mitglieder dazu, ihre Geschichten zu erzählen“, erklärt Marc Rabah. „Wir wollen die Vergangenheit der Stadt Heilbronn wieder erlebbar machen. Bilder von Plätzen, Menschen aus dem Alltag oder Gewerbe sollen zum Austausch anregen.“ Ganz wichtig ist es dem Admin-Trio, dass es nicht um eine Verklärung der Vergangenheit geht. „Wenn ich heute mit meiner 18 Jahre alten Tochter durch die Sülmer City laufe, freue ich mich, wie belebt sie ist“, sagt der 50 Jahre alte Rabah und fügt hinzu, dass es dort früher nur die Tanzschule gab.
Als gebürtige Heilbronnerin sei sie überrascht, auf den Bildern immer wieder unbekannte Ecken zu entdecken, ergänzt die 44 Jahre alte Bettina Czemmel: „Oder aber Geschäfte, in denen wir in den 80ern mit unseren Eltern Klamotten einkauften.“
Austausch mit anderen Mitgliedern
Die Facebook-Gruppe lebt von der Interaktion ihrer Mitglieder. Einer, der besonders aktiv ist und auf einen scheinbar unbegrenzten Fundus an Bildern zurückgreifen kann, ist Alex Staruszkiewicz. „Ich bekam 1969 meine erste Kamera – eine Werra, ein Modell aus der DDR.“ Damals im Alter von 20 Jahren habe er noch nicht mit dem Hintergedanken auf den Auslöser gedrückt, etwas für spätere Generationen zu dokumentieren. Dafür sei die analoge Fotografie auch viel zu kostspielig und aufwendig gewesen.
Die Sprengung des alten Theaters im Juli 1970 habe er beispielsweise mit seiner Kleinbildkamera, einer Rollei 35, vom Dachboden seines Wohnhauses in der Mannheimer Straße fotografiert. „Das war einfach ein aufregender Moment, da war ich neugierig und wollte nichts verpassen“, gesteht Staruszkiewicz. Mit der digitalen Fotografie ab dem Jahr 2000 nimmt die Anzahl seiner Aufnahmen weiter zu. „Heute streife ich sonntags mit meiner Frau durch die Stadt und fotografiere bewusst Baustellen wie die vom Barthel an der Allee, um den Wandel zu zeigen.“

Auch Ralf Rohrbach teilte ein Bild in der Gruppe – es zeigt das Elternhaus seiner Mutter in der Wolfganggasse 10 im Jahr 1924. 16 Jahre später – als eines der ersten Häuser der Stadt – wird es bei einem Bombenangriff vollständig zerstört. Auch davon stellt Rohrbach ein Bild in die Gruppe ein. Der 48-Jährige lebt seit 20 Jahren nicht mehr in Heilbronn. Ist der Stadt aber weiterhin sehr verbunden.
„Lange hat die Stadt unter dem Trauma der Zerstörung von 1944 gelitten“, so Rohrbach. „Jetzt entwickelt sich eine neue Dynamik – das ist toll zu beobachten.“ Das der Blick in die Vergangenheit auch beim Start in die Zukunft helfen kann, davon sind die Fans der „Historischen Bilder aus Heilbronn“ überzeugt.