Butterwegge: Bürgergeld ist kein Paradigmenwechsel
Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge prangert die gefährliche Stimmung an, bei der Arbeitslose als Drückeberger diffamiert wurden.

Ein Paradigmenwechsel ist das neue Bürgergeld nicht. Das findet der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge, der jüngst in Heilbronn war. "Hartz IV wird im Kern nicht angetastet."
Die SPD habe 2005 mit Hartz IV die Arbeitslosenhilfe als Lohnersatzleistung abgeschafft. "Das Arbeitslosengeld II ist eine reine Fürsorgeleistung im Unterschied zur Arbeitslosenhilfe. Keine Lohnersatzleistung, die sich am letzten Gehalt orientiert."
Nach der Weltfinanzkrise gab es zehn Jahre einen großen Boom
Die Arbeitslosigkeit sei zwar gesunken, einen logischen Zusammenhang gebe es aber nicht. "Generell ist die Weltkonjunktur ab 2005/2006 wieder angesprungen, und nach der Weltfinanzkrise gab es zehn Jahre lang einen riesen Boom." Er bemängelt, dass die Kritik noch stärker von links kommen müsste.
Die Karenzzeit bringe Betroffenen kaum etwas
Die Karenzzeit, bei der der Staat zwölf Monate darauf verzichtet, dass Bürgergeld-Bezieher ihr ganzes Vermögen für den Lebensunterhalt und die Angemessenheit der Unterkunft einsetzen, bringe den wenigsten etwas. "Zwei Drittel der Betroffenen sind zwei Jahre und länger im Bezug und hätten selbst dann nicht profitiert, wenn die von der Ampel-Koalition geplante Länge erhalten geblieben wäre."

Das Land hat eine Diskussion auf Stammtischniveau hinter sich, sagt Butterwegge
Die 53 Euro mehr gleiche zwar einen Teil der Inflation aus, "aber die Kinder können trotzdem nicht in den Zoo, weil das zu teuer ist". Politisch habe das Land mit der Diskussion um das Bürgergeld eine "Stimmungmache auf Stammtischniveau" hinter sich, bei der Arbeitslose als Drückeberger diffamiert worden seien. "Tatsächlich gibt es nur wenige Hartz-IV-Bezieher, die nicht arbeiten wollen."
Berechtigte könnten Hemmungen haben, Kinderzuschlag oder Wohngeld zu beantragen
Die Abwertung armer Menschen als Sozialschmarotzer führe dazu, dass Berechtigte Hemmungen hätten, Kinderzuschlag oder Wohngeld zu beantragen. Und es nähre die Mär, dass der Maler und der Metzger nur geringfügig mehr in der Tasche hätten als der Bürgergeldbezieher. Dass der Maler aber Rentenversicherungsbeiträge zahle, bleibe dabei unberücksichtigt.
Mit der Reduktion des Schonvermögens richte sich die CDU an die eigenen Wähler. "Das ist grotesk." Die Stimmung sei gefährlich, weil Menschen neidisch nach unten schauten, wo sich Arbeitslose vermeintlich in der Hängematte des Sozialstaats ausruhten. Vor allem in Ostdeutschland hätten 40 Prozent der Bevölkerung kein nennenswertes Vermögen.
Hartz IV habe einen breiten Niedriglohnsektor geschaffen
Das Bürgergeld ist für ihn weit weg vom bedingungslosen Grundeinkommen. "Es gibt hier ja eine Bedingung, und zwar die, dass jemand bedürftig ist. Es findet eine genaue Einkommensprüfung statt." Auch für die rund eine Million Haushalte, die Hartz IV bekommen, obwohl sie arbeiteten. "Es ist keine Lohnersatz-, sondern eine Lohnergänzungsleistung." Hartz IV habe einen breiten Niedriglohnsektor geschaffen. Bessere Zuverdienstmöglichkeiten weiteten ihn weiter auf. Butterwegge bemängelt: "Dann können mehr Arbeitgeber sagen:, Was braucht ihr höheren Lohn, stockt ihn mit Bürgergeld auf."


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