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Barrierefreiheit ist wichtigstes Thema für den neuen Inklusionsbeirat

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Der neue Heilbronner Inklusionbeirat hat die Arbeit aufgenommen. Barrierefreiheit auf den Straßen und im Alltag ist Thema Nummer eins. Rote Karten helfen, die Stadträte für die richtige Kommunikation zu sensibilisieren.

Rote Karte: Sie signalisiert, dass ein Gremiumsmitglied weitere Erläuterungen benötigt oder dem Gesagten oder Übersetzten nicht folgen kann.
Foto: Christian Gleichauf
Rote Karte: Sie signalisiert, dass ein Gremiumsmitglied weitere Erläuterungen benötigt oder dem Gesagten oder Übersetzten nicht folgen kann. Foto: Christian Gleichauf  Foto: Gleichauf, Christian

Es ist ein besonderes Gremium, das hier zusammenkommt. Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen und mit besonderen Erfahrungen sitzen hier gemeinsam mit Stadträten am Tisch und erzwingen allein schon dadurch den Perspektivwechsel.

Nach der Kommunalwahl konstituiert sich auch dieses Gremium neu, doch die meisten haben schon dem alten angehört. Es sind Menschen mit psychischen und physischen Erkrankungen, Eltern von Kindern mit Down-Syndrom, Gehörlose, Blinde. So weit die Spannbreite, so unterschiedlich sind die Anforderungen, um den Vorträgen zu folgen. Mit Vanessa Stöhrl und Judith von Gaisberg sind gleich zwei Gebärdensprache-Dolmetscherinnen anwesend. Geht es zu schnell, dürfen die Beiratsmitglieder die rote Karte heben. Gibt es Verständnisfragen, ebenfalls.

Verständlichkeit ist oberstes Gebot

"Ihre Expertise ist gefragt", macht Sozialbürgermeisterin Agnes Christner deutlich. Schon geht die rote Karte hoch: "Ich kann mit Fremdwörtern nicht so viel anfangen", sagt Uwe Keller. Nach einem Schlaganfall musste er die Sprache neu erlernen. "Wenn Sie ein Fremdwort benutzen, sagen Sie bitte das deutsche mit dazu." Agnes Christner ist sofort dabei: "Es geht um Ihre Sachkennnis." Und ja, genau dafür sei die rote Karte gedacht.

Also stellt auch Florian Nader von der Stabsstelle Stadtentwicklung möglichst verständlich dar, wie der neue Masterplan Innenstadt auch die "Belange der Menschen mit besonderen Bedürfnissen betrifft". Barrierefreiheit, Orientierungshilfen für Blinde, Rollstuhlgerechtigkeit seien solche Themen, die jetzt "immer mitgedacht" würden. Trotzdem gehen immer wieder die roten Karten hoch, manchmal als Wortmeldung, manchmal als Hinweis, dass ohne Mikrofon die Hörhilfen nicht funktionieren.

Rollstuhlfahrer contra Kinderwagen und Fahrradfahrer

Der Vortrag Naders mündet durch den Hinweis von Beiratsmitglied Reiner Lamprecht direkt in eine Diskussion darüber, ob für Rollstuhlfahrer in der Innenstadt nicht eigene Spuren oder Streifen reserviert werden könnten. Viele bestätigen, dass es immer wieder zu Konfrontationen mit Fußgängern, Kinderwagen und Radfahrern komme. Nader zeigt sich offen, versucht allerdings auch den Standpunkt der Stadt zu verdeutlichen: "Gegenseitige Rücksichtnahme sollte auch hier das Ziel sein, so dass solche Maßnahmen gar nicht mehr nötig sind."

Uwe Keller unterstützt diese Sichtweise: "Man sollte nicht zu viel reglementieren." Trotzdem sprachen sich später noch einmal mehrere Mitglieder dafür aus, sich Gedanken über die gemeinsame Nutzung der Fußgängerzonen durch Fußgänger und Fahrradfahrer zu machen - etwa in der Unteren Neckarstraße. "Mit dem E-Scooter wird es jetzt noch gefährlicher", warnt Josef Köble. Das betreffe nicht nur Menschen mit Handicap, sondern auch ältere Leute.

Ein Vertreter für den Arbeitskreis Fuß- und Radverkehr

Um solche Belange künftig von Beginn an zu berücksichtigen, wurde im Arbeitskreis Fuß- und Radverkehr beim Amt für Straßenwesen ein Sitz für ein Mitglied des Inklusionsbeirats eingerichtet. "Die rollstuhlfahrende Fraktion ist da noch nicht vertreten", erläutert Inklusionsbeauftragte Irina Richter. Aus der Mitte des Gremiums wurde Robert Pfriem gewählt, der an Multipler Sklerose erkrankt ist und seit vielen Jahren im Rollstuhl sitzt.

Die neuen Chancen der Digitalisierung in der Bibliothek

Um Barrierefreiheit geht es auch in der Stadtbibliothek. Mit dem anstehenden Umbau wird sich manches räumlich verändern lassen. Doch Dagmar Dolch präsentiert vor allem die Möglichkeiten, die Hörbücher und andere digitale Medien bieten. Mit einem Buchscanner etwa lassen sich einzelne Seiten abfotografieren und später am Bildschirm vergrößern. CDs können Sehbehinderte komfortabel mit den Daisy-Playern abspielen. Und auch extra-große E-Book-Reader, Bücher mit Großdruck und in einfacher Sprache sind im K3 auszuleihen.


Der Inklusionsbeirat

20 Mitglieder zählt der Inklusionsbeirat der Stadt Heilbronn. Zwölf davon sind sachkundige Bürgerinnen und Bürger, die in der Regel nicht als Vertreter von Institutionen und Organisationen dabei sind, sondern selbst betroffen. Einen Sitz hat die Inklusionsbeauftragte Irina Richter. Der Inklusionsbeirat ist ein beratendes Gremium des Gemeinderats. Es gibt zweimal im Jahr öffentliche Sitzungen. Zur Barrierefreiheit der anstehenden Bürgerversammlungen werden ab Ende Oktober Infos auf der Beteiligungsplattform wirsind.heilbronn.de bereit gestellt.

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