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Analyse zur Demo gegen Rechtsextremismus in Heilbronn: Vielfalt nur auf einer Seite des Rednerpults

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Friedlich, freundlich, entschlossen und bunt: So haben sich Tausende Menschen am Dienstagabend in Heilbronn gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung positioniert. Die Rednerliste ließ diese Vielfalt jedoch vermissen, analysieren unsere Kollegen.

Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel gehörte zu den Rednern aus Politik und Gesellschaft.
Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel gehörte zu den Rednern aus Politik und Gesellschaft.  Foto: Mario Berger

Auf 10.000 schätzte die Polizei die Zahl der Teilnehmer an der Demonstration. Das waren viel mehr, als selbst die Veranstalter erwartet hatten. Getragen war die Kundgebung von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, alle kommunalpolitischen Akteure mit Ausnahme der AfD hatten sich vorab zu den Zielen bekannt.

Der parteiübergreifende Schulterschluss gegen Rechtsextremismus fand sich nicht auf der langen Rednerliste wieder. So sprachen drei Kommunalpolitiker mit SPD-Parteibuch, drei der Grünen, dazu Vertreter von VdK, vom alevitischen Kulturverein, dem kurdischen Gesellschaftszentrum, der queeren Community und der Kirche. SPD und Grüne sind offiziell Unterstützer des Netzwerks, ein 2011 gegründeter Verein, der unter derselben Adresse firmiert wie das links-alternative Zentrum Käthe.


Heilbronner Demo-Veranstalter: "Netzwerk gegen Rechts" offen für weitere Parteien

An CDU, FDP und Freien Wähler hat es offenbar nicht gelegen, dass die Rednerliste politische Schlagseite hatte. Wie zu hören ist, hatte es bei vorherigen Veranstaltungen des "Netzwerks gegen Rechts" Kritik an einzelnen Rednern gegeben. Weil mancher als zu links galt, sagten damals andere Parteien ab. Aus Reihen des Netzwerks ist nach der Demo am Dienstag die Erwartung zu hören: Nun könnte die Zusammenarbeit mit weiteren Parteien auf eine neue Basis gestellt werden.

Stefan Reiner vom Netzwerk, der hinter der Demonstration stand, betont auf Anfrage: Das Netzwerk sei schon immer offen für weitere Parteien gewesen. Als vergangene Woche die Planungen für die Kundgebungen begonnen hätten, habe man Mitglieder im Netzwerk nach Rednern gefragt – unter anderem Grüne und SPD. Doch eine Mitgliedschaft sei keine Voraussetzung gewesen. Im Laufe der Tage sei der Sozialverband VdK hinzugekommen.

Als die Rednerliste geschlossen war, hätten sich noch weitere gemeldet – unter anderem bekamen CDU und FDP Absagen. Stefan Reiner versichert: Man habe aber versucht, ein breites Feld der Parteien abzudecken. Thomas Randecker, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Heilbronner Gemeinderat, bestätigt, dass die Partei gern am Dienstagabend gesprochen hätte, ähnlich auch Nico Weinmann für die FDP. Randecker spricht zugleich von einer "schwierigen Gemengelage" mit dem Netzwerk.

Rednerinnen irritieren mit Vergleich bei Demo gegen Rechtsextremismus in Heilbronn

So kritisiert er beispielsweise einen Post auf der Internetseite zur Abstimmung über die Antidiskriminierungsstelle in Heilbronn, bei der CDU, FDP und AfD in einem Atemzug genannt werden. An der Zusammenarbeit mit dem Netzwerk werde aber gearbeitet, es gebe entsprechende Gespräche. Die Demonstration ist für Thomas Randecker wichtig. "Das Thema geht uns alle an." Er warnt deshalb davor, "die demokratischen Parteien" gegeneinander auszuspielen.

Viel Beifall gab es bei der Kundgebung für die Redner, die vor Ausgrenzung warnten und zum Zusammenhalt aufriefen – gerade in einer Stadt, die wie Heilbronn von Menschen vieler Nationalitäten geprägt ist. Manche Beiträge ernteten aber auch Unmutsbekundungen. Gülistan Ates und Mukkades Begenmis vom kurdischen Gesellschaftszentrum vermengten in ihrer Rede AfD-Kritik, die Klage über vermeintliche systematische Benachteiligung kurdischer Menschen, angebliche Polizeigewalt gegen Flüchtlinge und einen Rundumschlag gegen die Politik.

Beeindruckendes Zeichen: Auf dem Marktplatz versammelten sich Tausende, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren.
Beeindruckendes Zeichen: Auf dem Marktplatz versammelten sich Tausende, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren.  Foto: Berger, Mario

Schließlich rückten sie "AfD-Deportationsfantasien" in die Nähe der Forderung nach Asylverfahren an der EU-Außengrenze. Beifall gab es dafür auf dem Kiliansplatz allenfalls von einer kleinen Gruppe der organisierten Antifa, die ansonsten bei der Heilbronner Demonstration kaum in Erscheinung trat. Auch Plakate mit Beleidigungen oder Gewaltaufrufen, wie sie andernorts bei Demos zu sehen waren, gab es in Heilbronn nicht. Unrühmliche Ausnahme war die selbsternannte Spaßgruppe Die Partei, die den Slogan "Nazis töten." spazieren trug.

Manche Redner zeigen sich bei Demonstration gegen Rechtsextremismus unversöhnlich

Während OB Harry Mergel in sorgsam gewählten Worten dazu aufrief, die Spaltung der Gesellschaft nicht weiter voranzutreiben, im Gespräch zu bleiben und auch AfD-Sympathisanten Brücken zurück ins demokratische Spektrum zu bauen, gaben sich andere unversöhnlich.

Moritz Rudrof von der Grünen Jugend forderte alle, die es mit der AfD hielten, auf, das Land zu verlassen. Katharina Kaupp von der Gewerkschaft Verdi, die ihre Positionen so beherzt ins Mikrofon schrie, dass manchen Teilnehmern die Ohren klingelten, blickte voraus. Am 23. März plant die AfD eine Großveranstaltung in der Harmonie. Auch die Parteispitze um Alice Weidel wird erwartet. Kaupp sprach HMG-Chef Steffen Schoch im Publikum direkt an und forderte, die Harmonie dürfe der Partei nicht zur Verfügung gestellt werden.

"Es besteht ein Mietvertrag", bestätigte Schoch am Mittwoch auf Nachfrage. Darüber hinaus will sich der HMG-Geschäftsführer derzeit nicht äußern. Fest steht: Kommunen haben kaum eine Handhabe, einer legalen Partei den Auftritt in einer öffentlichen Halle zu verbieten.

Die AfD hatte 2022 ihren Landesparteitag in der Stuttgarter Carl-Benz-Arena abgehalten. Der Hallenbetreiber hatte den Mietvertrag nach Protesten gekündigt und das unter anderem mit hohen Sicherheitsanforderungen begründet. Das Landgericht entschied jedoch, dass der Hallenbetreiber den Vertrag erfüllen muss.

 
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