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Wahlkampf in der Harmonie
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AfD-Wahlkampf in Heilbronn: Beschimpfungen und Gags statt politischer Konzepte

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Vor 1400 Besuchern in der Heilbronner Harmonie bleibt die AfD-Spitze am Samstagabend die Antwort auf die Frage schuldig, wie sie Deutschland und Europa führen will. Stattdessen beschimpft sie die politischen Gegner und macht sich über sie lustig. Und das Publikum applaudiert.

Mit 1400 Besuchern war der Theodor-Heuss-Saal in der Harmonie komplett gefüllt. Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla werden vom baden-württembergischen AfD-Chef Markus Frohnmaier fotografiert (kleines Foto). EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah (rechts) schaut zu.
Mit 1400 Besuchern war der Theodor-Heuss-Saal in der Harmonie komplett gefüllt. Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla werden vom baden-württembergischen AfD-Chef Markus Frohnmaier fotografiert (kleines Foto). EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah (rechts) schaut zu.

Die AfD hatte am Samstagabend in Heilbronn die Chance, der Öffentlichkeit zu erklären, mit welcher Politik sie Deutschland und Europa voranbringen will. Genutzt hat die versammelte Parteiprominenz in der Heilbronner Harmonie diese Chance allerdings nicht. Die 1400 Besucher feierten sie trotzdem. 

AfD-Vorsitzende Weidel beklagt Vertrauensverlust und Verantwortungslosigkeit

Während kurz nach 19 Uhr draußen die letzten Teilnehmer der Gegendemonstration in strömendem Regen abziehen, nimmt Alice Weidel im Theodor-Heuss-Saal Fahrt auf. Die Co-Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) spricht vom größten Vertrauensverlust in die Politik seit Bestehen der Bundesrepublik. "Niemand übernimmt mehr Verantwortung für sein Handeln", sagt Weidel und meint natürlich in erster Linie die Ampel-Koalition in Berlin. "Wer übernimmt die Verantwortung?", fragt sie zigmal in den Saal und nennt Politikbereiche wie Corona, Migration, Bildung oder Energiepolitik. Die Antwort liefert sie gleich mit. Niemand, denn "wir haben nur die Dümmsten da oben sitzen".


AfD-Spitzenpolitiker: Schimpftiraden und geschmacklose Gags

Damit ist der Ton gesetzt für diesen Abend. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und dem Aufzeigen alternativer Politik ergehen sich die AfD-Spitzenpolitiker in Schimpftiraden und geschmacklosen Gags - sehr zur Freude der 1400 Besucher, die immer wieder im Stehen applaudieren. Vor allem die Grünen müssen dafür immer wieder herhalten. Wirtschaftsminister Robert Habeck etwa habe "Fährenflucht" begangen, sagt Weidel und meint den Vorfall Anfang Januar, als aufgebrachte Landwirte Habeck daran hinderten, in Schlüttsiel an Land zu gehen. Er habe nicht die Eier gehabt, sich mit den Demonstranten auseinanderzusetzen, behauptet Weidel - und blendet aus, dass Habeck sehr wohl Gesprächsbereitschaft gezeigt hatte, die Bauern dieses Angebot aber ablehnten.

Potsdamer Treffen: Erstunken und erlogen?

Auch das Treffen von Potsdam Ende November 2023, bei dem Rechtsextreme über weitreichende Remigrationspläne aus Deutschland gesprochen hatten, wird als Kampagne der Bundesregierung bezeichnet. "Alles erstunken und erlogen", behauptet Alice Weidel und erklärt, wie die Ampel ihrer Meinung nach agiert. "Wird der Bürger unbequem, bezeichne ihn als rechtsextrem."

Sollte es beim Auftakt zum Europwahlkampf nicht auch um Europa gehen? Nicht wirklich, denn auch der AfD-Spitzenkandidat und EU-Abgeordnete Maximilian Krah geht darauf nur kurz ein. Die Bundesregierung habe immer mehr Verantwortung nach Brüssel abgeschoben, sagt Krah. Diese Verantwortung müsse man wieder zurückholen, denn: "Die EU gefällt uns nicht." Vor allem den europäischen Green Deal zum Klimaschutz lehnt die AfD ab, denn der schade den "fleißigen deutschen Bürgern". Bei der EU-Wahl im Juni müsse man daher Sand ins Brüsseler Getriebe streuen.


Maximilian Krah glaubt, er sei in Heidelberg – Chrupalla kündigt Siegeszug an

Immer wieder wähnt sich Krah in Heidelberg, spricht vom Heidelberger Kraftwerk und dem "deutschen Traum, der hier in Heidelberg" gelebt werde. Es sind die einzigen Momente, in denen sich etwas Unmut im Publikum regt und Zwischenrufer Krah auf seinen Fehler aufmerksam machen. Wie sich der Spitzenkandidat Europa vorstellt, bleibt er jedoch schuldig.

Co-Parteichef Tino Chrupalla ist Europa keine Silbe wert. Vielmehr kündigt er den bundesweiten Siegeszug der AfD an. "Wir werden Baden-Württemberg blau färben bei der nächsten Landtagswahl", sagt Chrupalla. Und mit Blick auf die Landtagswahlen im Osten in diesem Herbst verspricht er unter großem Applaus: "Wir werden die Republik zum Atemstillstand bringen."

Chrupalla sieht die AfD als einzige Friedenspartei in Deutschland

Der Parteichef sieht die AfD als einzige Friedenspartei in Deutschland und ruft einmal mehr dazu auf, den Krieg in der Ukraine mit diplomatischen Mitteln zu beenden. Wie das konkret aussehen soll, sagt er nicht. Dafür will Chrupalla die Hilfen für die Ukraine deutlich herunterfahren. "Es kann nicht sein, dass wir die Ukraine als 17. Bundesland behandeln", sagt er. Dieses Geld brauche man "für unsere Kinder und unsere Alten".


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Stephan Brandner reiht geschmacklose Witze aneinander

Den Schlusspunkt und inhaltlichen Tiefpunkt des Abends setzt Stephan Brandner. Der AfD-Bundestagsabgeordnete aus Thüringen reiht geschmacklose Witze über Ricarda Lang, Kevin Kühnert oder Karl Lauterbach aneinander, die vom Publikum gefeiert werden. Den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow bezeichnet Brandner als Linksextremisten, und den großen Zulauf bei den Demos gegen Rechtsextremismus erklärt er damit, dass den Bürgern bei der Corona-Impfung entsprechende Chips injiziert worden seien. Und mit Blick auf die angebliche Gesinnungspolizei in Berlin stellt er die Frage in den Raum, wie lange Heilbronn wohl noch "Heil"bronn heißen dürfe.

Um 20.50 Uhr geht der Europawahlkampfauftakt der AfD in Heilbronn mit der Nationalhymne zu Ende. Die 1400 Besucher singen im Stehen mit und stehen anschließend Schlange für ein Selfie mit Weidel, Krah, Chrupalla und Brandner.

Große Harmonie in der Harmonie

Die AfD-Spitzenpolitiker demonstrierten bei ihrem Auftritt in der Heilbronner Harmonie große Einigkeit. Die Vorsitzende Alice Weidel nannte Tino Chrupalla "meinen liebsten Co-Vorsitzenden". Dieser gab das Lob zurück und betonte, es reiche ein Blick zwischen ihm und Weidel, um zu wissen, was der andere denke. Chrupalla lobte die Kontinuität und Harmonie im Bundesvorstand der AfD, die ein Hauptgrund für die guten Umfragewerte der Partei seien. Auch die baden-württembergischen Landesvorsitzenden Markus Frohnmaier und Emil Sänze wurden von Weidel und Chrupalla für ihre "hervorragende Arbeit" gelobt - kein Wort zum vorhergehenden Machtkampf in der Landes-AfD und dem chaotischen Parteitag Ende Februar in Rottweil. Lob gab es auch für den AfD-Kreisverband Heilbronn für die Organisation der Veranstaltung.

 
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