50 Jahre Heilbronner Wochenmarkt: Er hat aber eine Vorgeschichte
Am Samstag feiert der Heilbronner Wochenmarkt Jubiläum. Gärtner, Landwirte und andere Beschicker stellen aber schon weit über 50 Jahre regelmäßig vor dem Rathaus Stände auf.

Die Diskussion erinnert ein bisschen an die aktuelle Debatte um eine Markthalle für Heilbronn. Ende der 1960er Jahre regte der Stadtrat und Präsident des Württemberger Weinbauverbandes Otto Haag an, den 1966 eingeschlafenen Wochenmarkt wiederzubeleben, etwa auf dem Wollhausplatz. Doch die Stadtverwaltung winkte zunächst ab: Rein rechtlich wäre dies zwar möglich.
Doch erstens würden dadurch "Parkplätze blockiert", gab Bürgermeister Karl Nägele zu bedenken. Zweitens "können wir uns bei der derart großen Konkurrenz von Lebensmittelgroßhandlungen nicht vorstellen, dass ein Wochenmarkt zu günstigeren Einkaufsmöglichkeiten führen" würde. Kurzum: Ein Wochenmarkt sei nicht sinnvoll. Das städtische Verkehrsamt teilte die Bedenken, Gärtnereien fürchteten die Konkurrenz, ebenso Obsterzeuger. Man habe "kein Interesse".
"Heilbronner brauchen etwas länger"
Doch siehe da: Wenige Jahre später, am 29. Mai 1973, boten nach langem Hin und Her auf dem neu gestalteten Marktplatz erstmals seit sieben Jahren wieder Marktleute mitten in der Käthchenstadt Obst, Gemüse und Käse feil, an sieben Ständen. Samstags drauf sollten es dann schon doppelt so viele sein. Weil die Beschicker alle aus dem Umland und sogar aus der Pfalz kamen, liefen einige einheimische Einzelhändler dagegen Sturm. Vergeblich. "Die Heilbronner brauchen bei sowas halt immer etwas länger", zitierte die Stimme damals einen "unabhängigen Marktbesucher".
Große Historie in Handelsstadt

Für den traditionellen Markt- und Kaufmannsflecken Heilbronn war der Wochenmarkt natürlich nicht der erste seiner Art. In der Stadtchronik wird bereits anno 1146 erwähnt, dass Händler auf dem Marktplatz zusammenkamen und Waren tauschten. Über 600 Jahre später, 1782, gab es die Heilbronner Markttage, welche dienstags, donnerstags und samstags auf dem Marktplatz stattfanden: bis heute die drei klassischen Wochenmarkt-Termine. Wobei es danach weniger gewesen sein müssen, denn 1872 ist von der Einführung eines dritten Wochenmarkt-Tages die Rede.
Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es noch bis 1948 bis die Stadt wieder einen Wochenmarkt mit Obst- und Gemüseverkauf auf die Beine stellte. Doch mit den auf schnellen Konsum bedachten Wirtschaftswunderjahren und den vielen Supermärkten verschwand der letzte Stand 1966.
Wer in der Chronik der Stadt Heilbronn dem Stichwort Wochenmarkt nachspürt, findet vor allem vor dem Zweiten Weltkrieg interessante Einträge, die auch etwas über die damalige Zeit aussagen.
1923 ordnet die Polizei an, dass Gegenstände des täglichen Bedarfs auch auf dem Wochenmarkt mit Preisschildern versehen werden müssen. Ein Pfund Äpfel kostet damals mindestens 40 000 Mark. Die Inflation lässt grüßen.
1924 erlässt der Gemeinderat eine Standordnung, weil "der Verkehr auf dem Marktplatz mit Schwierigkeiten verbunden ist".
1925 wird der Verkauf von wildwachsenden Pflanzen verboten.
1929 wird dieses "Wildwuchs"-Verbot verschärft, weil es scheinbar nicht gefruchtet hat.
1933 muss Ware aus dem Ausland als solche bezeichnet werden. Zum Verständnis: Hitlers NSDAP ist inzwischen an der Macht.
1935 wird erwogen, den Markt auf den Wollhausplatz zu verlegen - damit der Marktplatz besser als Parkplatz genutzt werden kann.
1941 appelliert OB Heinrich Gültig wegen kriegsbedingter Versorgungsprobleme, Hausfrauen sollten "nur ihren Kleinbedarf an Obst einkaufen und den Kauf größerer Mengen zum Einkochen aufschieben".
1941 teilt die jüdische Kultusvereinigung ihren Mitgliedern "im behördlichen Auftrag" mit, dass Juden den Wochenmarkt und Straßenbahnen nicht mehr betreten dürfen.
1948 wird der Wochenmarkt nach dem Krieg wieder eingeführt. An 20 Ständen gibt es hauptsächlich Obst und Gemüse: ein Pfund Tomaten kostet 25 Pfennige, Endiviensalat zwölf Pfennige.
1953 erlebt der Markt seinen historischen Höhepunkt mit 93 Ständen auf 550 Quadratmetern an insgesamt 151 Markttagen.
1966 schläft der Heilbronner Wochenmarkt wegen der großen Supermarkt-Konkurrenz ein.
1973 wird der Markt nach langen Diskussionen wiederbelebt und blüht mit kleinen Abstrichen im Laufe der Jahre auf.
2023 feiert der neue Wochenmarkt mit Sonderaktionen - speziell am 29. April - sein 50-jähriges Bestehen.
Besondere Aktionen zum Wochenmarkt-Jubiläum

Der Heilbronner Wochenmarkt findet dienstags, donnerstags und samstags von 7 bis 13 Uhr auf dem Marktplatz statt. Regionalität der Erzeugnisse, direkter Kontakt zu den Erzeugern und deren kompetente Beratung sind laut Alexander Ghassemi, Projektleiter für den Wochenmarkt bei der Heilbronn Marketing GmbH (HMG), "unschlagbare Vorteile". Im Jubiläumsjahr seien darüber hinaus etliche Mitmachaktionen, Unterhaltungsangebote und Probierstände geplant.
Speziell am Samstag, 29. April, gibt es neben Musik und einem Gewinnspiel ab 10 Uhr eine Gesprächsrunde, unter anderem mit HMG-Chef Steffen Schoch, Oberbürgermeister Harry Mergel, Archivdirektor Christhard Schrenk, Thomas Aurich von der Stadtinitiative sowie Innenminister Thomas Strobl, der Stammkunde ist, und der Slow-Food-Vereinigung.
Das Thema Wein wird mit Roberts Rollender Weinbar und einem Wein-Glück-Mobil gespielt. Fisch Seybold bietet an ausgewählten Terminen Austern und andere Leckerbissen. Kooperationen mit Schulen und Kitas bringen das Thema regionale Produkte Kindern nahe. An einigen Wochenenden gibt es sogar einen Kinderwochenmarkt, bei dem die Schüler Erzeugnisse des eigenen Schulgartens verkaufen.



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