Sexismus in Heilbronn: Anonyme Boxen zeigen erschütternde Erfahrungen
In Heilbronn konnten Frauen anonym ihre Erfahrungen mit Sexismus und Übergriffen teilen. Die Auswertung sei „extrem erschreckend“ gewesen, so die Veranstalterinnen der Aktion.
Unsichtbare Erfahrungen sichtbar machen – das ist das Ziel einer Aktion der Feministischen Linken Heilbronn (Feli). An mehreren Orten in Heilbronn standen in den vergangenen zwei Monaten Boxen auf Damentoiletten, in die Frauen anonym ihre Erlebnisse mit Sexismus, Übergriffen oder Grenzverletzungen werfen konnten.
Von Chefs, die fragen, ob man ihre Gurke beißen wolle, über Frauen, die im Club im Intimbereich begrapscht wurden, bis hin zu Berichten über Vergewaltigungen: Unzählige Zuschriften kamen zusammen.
„Es war extrem erschreckend“: Erste Ergebnisse der Heilbronner Aktion gegen Sexismus
„Wir haben uns die Boxen bereits angeschaut und einige davon ausgewertet“, sagt Lilli Zenth, Teil des rund zehnköpfigen Kernteams. „Es war extrem erschreckend, wie viel dabei zusammengekommen ist. Wir hatten nicht mit einer so großen Resonanz gerechnet.“

Aus drei bisher ausgewerteten Boxen seien drei DIN-A4-Seiten voller Erfahrungen geworden. „Beim Lesen ist uns das richtig nahe gegangen, da möchte man sich gar nicht vorstellen, wie sich die Betroffenen in den Situationen gefühlt haben müssen.“
Catcalling und Co.: Sexismus als Alltagserfahrung vieler Frauen in Heilbronn
Für Zenth ist klar: „Ich kenne keine Frau, die noch nicht mit Sexismus konfrontiert wurde.“ Catcalling auf der Straße, also unerwünschte anzügliche Sprüche oder Pfiffe, übergriffige Situationen im Club, abwertende Bemerkungen am Arbeitsplatz – die Spannbreite sei groß, der Alltag vieler Frauen davon geprägt. „Sexismus und sexualisierte Gewalt sind keine Einzelfälle, sondern strukturelle Probleme“, betont die 20-Jährige, die in Stuttgart studiert und aus der Region stammt.

Gerade deshalb wollte Feli mit der Aktion aus der eigenen „feministischen Bubble“ herausgehen und Frauen erreichen, die sonst vielleicht nicht darüber sprechen. Viele Erfahrungen seien unsichtbar, sagt Zenth. „Betroffenen wird oft nicht geglaubt. Viele schämen sich oder denken sogar, sie hätten es verdient. Uns war wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem sie anonym ihre Erlebnisse teilen können.“
Laube Heilbronn auf Instagram: „Sexismus ist kein Flirt, sondern ein Problem“
Die Idee stieß vielerorts auf offene Türen. Die Laube habe beispielsweise auch einen Instagram-Post abgesetzt, den Lilli Zenth lobt. In dem Beitrag heißt es unter anderem: „Anzügliche Sprüche, Pfiffe oder Kommentare über Körper sind keine harmlose Flirterei. Sie verletzen, verunsichern – und haben im Nachtleben genauso wenig Platz wie überall sonst.“
Dass die Stimmen ausgewertet werden und öffentlich vorgestellt werden sollen, sei ein „starkes Zeichen gegen das Schweigen und für mehr Bewusstsein im öffentlichen Raum und im Nachtleben“. Sexismus sei kein Flirt, sondern ein Problem.
Zuschriften der Frauen sollen anonym ausgestellt werden
Rund um den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen will Feli die gesammelten Zuschriften öffentlich machen. Am Dienstag, 25. November, findet dazu ab 17 Uhr eine Kundgebung an der Harmonie statt. Am 5. Dezember ab 19 Uhr soll im Sozialen Zentrum Käthe eine Ausstellung folgen.
Im Sozialen Zentrum Käthe in der Wollhausstraße trifft sich die Gruppe regelmäßig. Dort will sie einen Raum schaffen für Austausch, Verbundenheit und Solidarität. Politisch sei die Arbeit allemal, aber organisatorisch habe Feli nichts mit der Partei Die Linke zu tun, betont Zenth. „Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, was jeden Tag passiert – und dass es sich ändern muss.“
Die Gruppe Feli informiert über ihre Arbeit auch auf ihrem Instagram-Account.

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