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Den Leuten geht häufiger das Geld aus – Arbeiterwohlfahrt warnt vor Scham

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Wer Schulden hat und sie nicht mehr bezahlen kann, schämt sich oft dafür. Diese Beobachtung machen Schuldnerberater im Raum Heilbronn. Dabei kann schon ein Verkehrsunfall böse finanzielle Folgen haben. 


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Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen, brauchen mitunter lange, bis sie sich Hilfe suchen. „Manchmal dauert es Jahre“, sagt Miriam Schungel (41) von der Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Kreis Heilbronn. „Das hat viel mit Scham zu tun.“

Bei einigen Klienten fluten Mahnungen, unbezahlte Rechnungen und Pfändungsandrohungen den Briefkasten. Erst dann werden sie aktiv, berichtet Anna Dolch (31) von der Schuldnerberatung der Aufbaugilde. In den Beratungsstellen finden Betroffene Hilfe – und sie werden mehr.

Viele Menschen zögern aus Scham, sich bei finanziellen Problemen Hilfe zu holen

Das Geld wird knapper. Das hat nicht nur mit steigenden Lebenshaltungskosten zu tun. Dolch macht ein Beispiel: Ein Motorradfahrer stürzt und verletzt sich schwer. Er kommt ins Krankenhaus. Die Genesung dauert. Nach einigen Wochen übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Lohnfortzahlung. Dieses Krankengeld beträgt in der Regel 70 Prozent vom Brutto-Lohn. Mit der Zeit kann der Motorradfahrer die finanziellen Verpflichtungen, beispielsweise den Hausbaukredit, nicht mehr stemmen.

 „Längere Krankheiten sind ein Thema“, sagt Dolch. Ein anderes betrifft die Rückzahlung von Corona-Hilfen durch Solo-Unternehmer. Gescheiterte Selbstständigkeiten können in der Folge dazu führen, dass auch privat finanziell nichts mehr geht. Ein weiteres Riesenthema seien Handy-Verträge.

Berater erleben dankbare, aber auch verzweifelte Menschen

Awo-Berater Ralf Unger (44) sieht in der Arbeitslosigkeit den mit Abstand häufigsten Grund für hoch verschuldete Verbraucher. Das Arbeitslosengeld beträgt im Allgemeinen 60 Prozent des ursprünglichen Einkommens. „Das kann schon problematisch sein“, sagt seine Kollegin Miriam Schungel.Insgesamt 860 Menschen wurden von Aufbaugilde und Awo im vergangenen Jahr beraten. Im dritten Quartal dieses Jahres zählt allein die Aufbaugilde 140 Beratungen. „Wir erleben Dankbarkeit“, sagt Dolch. „Wir erleben viele Schicksale, auch viel Verzweiflung.“

Andererseits scheint die Schuldenmacherei auch ein einträgliches Geschäft zu sein – beispielsweise für Inkasso-Unternehmen, gibt Richter Alexander Jörg (55) zu bedenken. Er ist beim Amtsgericht Heilbronn zuständig für Insolvenzverfahren. Unternehmen verkauften ihre Forderungen an spezielle Dienstleister, die an deren Stelle offene Rechnungsbeträge eintreiben. Auch Banken und Sparkassen haben etwas davon, wenn Abertausende Kunden zum Beispiel Dispo-Zinsen im zweistelligen Bereich für überzogene Girokonten bezahlen.

Berater treten mit Gläubigern in Kontakt und suchen nach Lösungen

Die Schuldnerberatungsstellen streben nach eigenen Angaben eine außergerichtliche Lösung für ihre Klienten an. Die bei der Aufbaugilde erfassten Klienten besitzen nach Angaben von Anna Dolch ein durchschnittliches Brutto-Einkommen von 1684 Euro im Monat. Darunter befinden sich Rentner, Alleinerziehende, Teilzeitbeschäftigte.In einem ersten Schritt müssen die Betroffenen einen Erfassungsbogen ausfüllen und alle Gläubiger auflisten. „Öffnen sie mal ihre Briefe und sortieren sie vor“, beschreibt Anna Dolch den Auftrag. Die Verantwortung bleibe beim Schuldner und werde ihm nicht abgenommen.

Die Beratungsstellen schreiben die Gläubiger an und treten ihnen gegenüber als Ansprechpartner auf. Verhandelt wird etwa über eine Ratenzahlung oder einen Teilerlass der Schuld. Die Berater erleben, dass die größeren Gläubiger wie Banken oder Krankenkassen oft zugänglich und bereit seien, mit der Beratungsstelle gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, sagt Dolch.

Erst wenn jemand solch ein außergerichtliches Verfahren durchlaufen hat, erklärt Richter Jörg, kann er beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und auf eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren stellen. Dass dieser Antrag abgelehnt wird, kommt Jörg zufolge äußerst selten vor. Wer anschließend weiterhin Schulden anhäuft, muss elf Jahre warten, bis er erneut den Antrag stellen kann. „Wir haben auch sogenannte Drehkreuz-Klienten, von denen altgediente Kollegen sagen, der war schon vor vielen Jahren mal da“, sagt Anna Dolch. „Das ist aber nicht die Mehrheit.“


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