Vorwurf Polizeigewalt: Beamte in Heilbronn freigesprochen – Kritik an Anklage
Wegen mutmaßlicher Polizeigewalt am Shoppinghaus mussten sich zwei Beamte in einem Prozess vor dem Amtsgericht Heilbronn verantworten. Jetzt ist das Urteil gefallen.

Nach zwei Verhandlungstagen und einer Reihe von Zeugen erfolgt der Richterspruch ohne ein Zögern. „Die Beklagten sind freizusprechen“, sagt Richterin Katherina Spannhorst. Normalerweise ziehen sich Richterinnen und Richter vor einer Urteilsverkündung zurück. Manchmal vergehen Tage zwischen dem Ende der Beweisaufnahme und dem Urteilsspruch. In diesem Fall aber möchte Spannhorst „den Angeklagten nicht auch noch diese Wartezeit zumuten“.
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass zwei 35 und 37 Jahre alte Polizisten von den Revieren Weinsberg und Neckarsulm bei einem Einsatz im Jahr 2022 beim Shoppinghaus in Heilbronn alles richtig gemacht und nach Recht und Gesetz gehandelt haben. Dafür gibt es Zeugen und Videoaufzeichnungen. Selbst der 58-Jährige, der die Polizisten wegen Körperverletzung angezeigt hatte, räumt vor Gericht ein, dass er aufgebracht und mit der Arbeit der Polizei nicht einverstanden gewesen sei. Bei dem Polizeieinsatz erlitt er Prellungen an Arm, Hand und im Bauchbereich.
Beamte wegen Polizeigewalt am Shoppinghaus an der Allee angeklagt
Was war passiert? An jenem Samstag, morgens kurz vor 5 Uhr, wurden Polizeistreifen aus Weinsberg und Neckarsulm zur Unterstützung zum Shoppinghaus in Heilbronn gerufen. Übereinstimmenden Zeugenaussagen zufolge herrschte dort Chaos. Es gab mehrere Verletzte, einige bluteten. Ein Unbekannter hatte Pfefferspray versprüht. Auf dem Boden lagen Holzlatten und zerbrochene Flaschen. Dazu strömten Partygänger aus den verschiedenen Lokalen des Hochhauses an der Allee. Menschen schrien. Mehr und mehr Streifen kamen hinzu.
In dieser für die Polizisten zunächst völlig unübersichtlichen Situation fiel der Anzeigenerstatter durch sein aggressives Verhalten gegenüber den Polizisten besonders negativ auf. Dem Gericht zufolge mischte er sich permanent in die Arbeit der Polizei ein, ignorierte einen Platzverweis und stand „keine 15 Sekunden später schon wieder da“, sagt die Richterin. Einem Polizisten, der als Zeuge aussagt, soll der große und muskulöse Mann so auf die Pelle gerückt sein, dass sich die Nasen fast berührten.
Staatsanwaltschaft forderte nach mutmaßlicher Polizeigewalt Bewährungsstrafe
Das Gericht folgt der Argumentation der Verteidiger Michael Binnig und Tobias Göbel, die das Vorgehen der Polizei durch das Gesetz gedeckt sehen. Dem Gericht zufolge trat der 58-Jährige als Störer auf und behinderte massiv die Polizisten bei der Arbeit. „Da ist eine polizeiliche Maßnahme deutlich zu erkennen“, sagt Spannhorst. „Und es ist Aufgabe eines jeden Bürgers, Abstand zu halten.“ Es sei denn, es handele sich um Rettungskräfte oder die Polizei spreche einen Bürger aktiv an und bittet ihn zu helfen.
Die Staatsanwaltschaft hat zehn und sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung für die Angeklagten gefordert. Die beiden und ein weiterer Polizist hätten den 58-Jährigen zu Boden gerungen, ihm einen Schlagstock wie einen Hebel unter einen der an den Oberkörper gepressten Arme angesetzt. Es sei ihnen gelungen, dem Mann die Hände auf den Rücken zu drehen. Einer der Polizisten habe ihm mit dem Schlagstock auf die rechte Hand geschlagen, mit der der 58-Jährige seine Geldbörse mit dem Personalausweis krampfhaft festzuhalten versuchte.
Staatsanwaltschaft sehen "unverhältnismäßigen" Polizeieinsatz am Shoppinghaus
Der hatte sich zuvor trotz mehrmaliger Aufforderungen geweigert, seinen Personalausweis zu zeigen. Selbst als einer der angeklagten Polizisten ihm die Handschellen zeigte und androhte, notfalls Zwang auszuüben, habe der 58-Jährige Spielchen gespielt und die Polizisten weiter provoziert, räumt die Staatsanwaltschaft ein.
Sie stuft das Vorgehen der Polizisten gegenüber einem Zeugen als unverhältnismäßig ein. Es gebe dafür keine Rechtsgrundlage. Dem widerspricht das Gericht. Der 58-Jährige sei nicht als Zeuge in Erscheinung getreten, sondern als Störer. Für den Umgang mit solchen Delinquenten gebe es entsprechende Rechtsvorschriften und Gesetze, wie Gericht und Verteidigung ausführen.
Verteidiger üben Kritik an der Staatsanwaltschaft, weil überhaupt Anklage erhoben wurde
Den zwei Angeklagten ist anzumerken, dass sie die Vorwürfe, die lange Aufarbeitung des Vorgangs und letztlich dieser Prozess nicht kaltlassen. Polizeibeamte, die beim Einsatz dabei waren und als Zeugen aussagen, beschreiben einen Angeklagten als ruhig und wortgewandt, den anderen als deeskalierend. Der schaffe es durch seine Art, Ruhe in Einsatzlagen zu bringen.
Die Verteidiger Binnig und Göbel halten flammende Schlussplädoyers. „Die Staatsanwaltschaft hat alle hier gehörten Äußerungen und das Video ignoriert, um ihre Klage aufrechtzuerhalten“, sagt Binnig. Der 110-Kilo-Mann habe die Polizisten angeschrien, bedroht, beleidigt.
In diesem Moment habe die Polizei das Recht, die Personalien festzustellen. „Die Beamten haben das Recht, die staatliche Autorität durchzusetzen“, sagt Binnig. Für Göbel steht fest, dass die Anklage gegen die Polizisten eine verheerende Botschaft aussende. Er übt harsche Kritik daran, dass die Staatsanwaltschaft nach Prüfung der Ermittlungsakten überhaupt zu dem Schluss kam, Anklage zu erheben.