„Bedrohung steigt mit jedem Tag“: Bundeswehr-Kommandeur zu Gast in Heilbronn
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Cyberangriffe, Desinformation, Sabotage: Deutschland muss deutlich schneller werden, um der Gefahr durch Russland zu begegnen, mahnt der Chef des Landeskommandos der Bundeswehr in Stuttgart.
Beim Video-Talk "Ohne Ausrede" über den Dächern von Heilbronn war diesmal Michael Giss, Kommandeur des Landeskommandos Baden-Württemberg der Bundeswehr zu Gast.
Foto: Seidel, Ralf
Am 24. Februar 2022 hat Russland die Ukraine zum zweiten Mal angegriffen. Dieses Datum markiert eine Zäsur für Europa: Deutschland und die übrigen EU-Staaten mussten schmerzhaft zur Kenntnis nehmen, dass der Frieden in Europa vorbei ist. Mehr noch: Die Sicherheit und Souveränität der EU sind seitdem massiv unter Druck geraten.
Militärstrategen gehen davon aus, dass Russland seine Angriffe auf andere Staaten des Bündnisses ausweiten könnte, denn die russische Kriegsmaschinerie läuft auf Hochtouren und die Gesellschaft ist teilmobilisiert.
Video-Talk „Ohne Ausrede“ zur Bundeswehr über den Dächern von Heilbronn
Das ist der Rahmen für den Videotalk „Ohne Ausrede“ mit Kapitän zur See Michael Giss (61), Kommandeur des Landeskommandos Baden-Württemberg. Seit September 2024 ist Giss, der seine berufliche Laufbahn bei der Marine begonnen hat, erster militärischer Berater der Landesregierung in Stuttgart und er ist Chef des operativen Lagezentrums Baden-Württemberg.
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Dort werden alle Einsätze der Truppe an der Schnittstelle zum zivilen Bereich koordiniert, wie er im Gespräch mit Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer in der Skybar des Heilbronner Parkhotels erklärt. Hauptansprechpartner ist das Innenressort von Minister Thomas Strobl, denn dieses Ministerium ist für den Zivilschutz und die Sicherheit im Inneren zuständig.
Bundeswehr-Kommandeur des Landeskommandos Baden-Württemberg zum Zustand der Truppe
Wie blickt Giss auf den Zustand der Truppe und der deutschen Gesellschaft? Kann die Nato den Rückstand gegenüber Russland aufholen? „Wir sind dabei“, sagt Giss.
Ziel sei es, auf einen „Zustand vernünftiger Abschreckung zurückzukommen“. Aber: Das sei ein Spiel auf Zeit, die Anstrengungen des Westens und der Nato, seine Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeiten aufzubauen, müssten zügiger vorangehen.
Kapitän zur See Michael Giss in Heilbronn: Soldaten-Kontingent wachse langsam
Ein Knackpunkt dabei: die Stärke der Truppe. 2011 wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt, aktuell zählt die Bundeswehr etwa 182.000 Aktive. Um den Nato-Anforderungen gerecht zu werden, fehlen mindestens 60.000 Soldatinnen und Soldaten, wie es im Juni anlässlich eines Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel hieß.
Hinzu kommen könnte laut Medienberichten ein Bedarf von weiteren 40.000. Das Kontingent wachse langsam auf, erzählt Giss. Inzwischen meldeten sich auch Kriegsdienstverweigerer bei der Truppe, die erkannt hätten, dass ihre frühere Haltung angesichts der Bedrohung für Deutschland nicht mehr haltbar ist.
Sie wollten freiwillig eine Ausbildung zum Reservisten im Heimatschutz machen. „Aber das ist noch nicht das Ausmaß, das wir brauchen.“ Durch Mund-zu-Mund-Propaganda werde es nicht gelingen, den erforderlichen Aufwuchs zu stemmen, wird er deutlich.
Was den Beruf des Soldaten angeht, sei die Besoldung zwar nicht schlecht, sagt Giss, aber der entscheidende Faktor sei nicht das Geld. „Wenn die Überzeugung fehlt, kämpfen zu wollen, helfen auch die Hygienefaktoren am Rande nicht weiter.“
Wehrpflicht-Debatte: In Baden-Württemberg sollte sinnvoll vorausgedacht werden
Giss sagt es nicht so deutlich, aber alle Zeichen sprechen dafür, dass die Wehrpflicht in Deutschland wieder eingeführt wird. Für den Moment fehlten aber noch die Strukturen, um sie sinnvoll umzusetzen: Kasernen, Ausbilder, Prozesse zur Musterung und Einberufung. All das werde aufgebaut. „Die Planungen für neue Kasernen laufen.“
Für Baden-Württemberg und die Landkreise sei es daher sinnvoll vorauszudenken, wo günstige Infrastrukturen wären und sich schon mal ins Spiel zu bringen, empfiehlt er: „Die Entscheidungen aus Berlin werden kommen.“
Wehrpflicht
Michael Giss äußert Verständnis dafür, dass die Wehrpflicht ein schwieriges Thema ist. Lange Zeit habe man sich über Landesverteidigung keine Gedanken machen müssen. „Da kann man nicht einfach einen Schalter umlegen.“ Es brauche zunächst Bereitschaft und das Verständnis dafür, dass es nötig sei, sich einzubringen. Der Befürchtung, dass Wehrdienstleistende im Ernstfall direkt an die Front müssten, tritt er entgegen: Sie werden für eine Tätigkeit im Heimatschutz ausgebildet. Junge Menschen, die sich für einen Dienst in der Truppe interessieren, könnten sich zur Beratung an einen der Karrierecenter der Bundeswehr wenden, etwa in Stuttgart.
Bundeswehr-Landeskommandant Baden-Württemberg zur Bedrohung durch Russland: „Sie steigt mit jedem Tag“
Denn, an dieser Stelle wird er sehr klar: „Die Bedrohung ist da und sie steigt mit jedem Tag.“ Hybride Angriffe seien schon jetzt an der Tagesordnung – also etwa das Ausspähen von Menschen und Kasernen, genauso Sabotageakte, Cyberattacken und Desinformationskampagnen in sozialen Medien, vor allem vor Wahlen.
Ob Russland und andere Aggressoren diese Art von hybrider Kriegsführung intensivieren oder auch auf konventionellem Weg angreifen werden, könne niemand sagen: „Wir können nicht in die Köpfe hineinschauen.“
Aber die Botschaft, die Russlands Präsident Putin seit vielen Jahren aussende, sei klar: „Liberale, demokratische Systeme sind ihm zuwider.“ Dagegen könne man auch mit „Deals“ nichts ausrichten, spielt Giss auf US-Präsident Trump an. „Es geht darum, Mensch und Material vernünftig zu synchronisieren und an den Start zu bringen für die Abschreckung.“
Verteidigung: Geld aus dem Sondervermögen muss schneller fließen
Wäre es da nicht sinnvoll, zum Beispiel Beschaffungsprozesse deutlich zu verschlanken, will Heer wissen. In dieser Frage sei Augenmaß nötig, erwidert Giss. „Wir leben in Frieden und es gelten Friedensgesetze, die wir nicht einfach aushebeln können.“
Fakt sei aber: Das Geld aus dem Sondervermögen für Verteidigung müsse deutlich rascher in die Industrie und die Infrastruktur gebracht werden. „Der Aufbau muss einfach schneller gehen.“
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Kommentare
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Jürgen Mosthaf am 30.07.2025 07:15 Uhr
Wenn die Überzeugung fehlt kämpfen zu wollen….. Für was denn? Für Politiker die meinen unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen zu müssen? Oder in Afrika gegen radikale Islamisten und ideologische Guerillatruppen? Sich umbringen lassen für grüne und rote Politiker die selbst keinen Dienst an der Waffe absolviert haben? Ja, wir müssen unsere Grenzen schützen vor denjenigen die gegen unsere Grundgesetze verstoßen.
Unsere Grenzen sind schon vor Beginn dieses Jahrtausends schutzlos denen ausgeliefert die aber auch rein gar nichts mit unseren Werten anzufangen wissen. Auch dies ist eine Art von perfider Kriegsführung, indem man Diktaturen bei Kriegen mit Waffen und Material unterstützt und andere Länder durch die daraus resultierenden Fluchtbewegungen und folgenden Masseneinwanderung sozial und wirtschaftlich destabilisiert. Nichts anderes sehen wir an unseren Aussengrenzen.
Man hat die Bundeswehr Jahrzehnte lang verlottern und verrotten lassen im Glauben unsere amerikanischen Besatzer halten uns die Hand für immer unters Hinterteil. Jetzt zu glauben mit hunderten von Milliarden neuen Schulden für Kriegsgerät rauszuschmeissen könnte uns retten ist Verblendung. Wir sollten erst einmal die personelle und logistische Infrastruktur schaffen bevor wir Waffen und Kriegsgeräte bauen für die es niemanden gibt der diese bedienen und warten kann. Wer profitiert? Rheinmetall über 1000% Aktiengewinne für Anleger! Ich wundere mich nur wie die große Mehrheit unserer sonst so kritischen Journalisten ins Kriegshorn stoßen.
Traurig, aber keine Sorge: Sie können natürlich trotzdem weiterlesen.
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